Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das Urteil des Erstgerichts wird wiederhergestellt.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.585,79 EUR (darin enthalten 78,92 EUR USt und 3.112,28 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei betreibt mehrere Windkraftanlagen. Sie speist ihren Strom in den Netzbereich ein, der dem von der beklagten Partei als Regelzonenführerin gebildeten Regelzonenbereich zugeordnet ist. Für die Bereitstellung der Systemdienstleistung verrechnete die beklagte Regelzonenführerin der klagenden Partei Systemdienstleistungsentgelte (SDLE) auf Basis der in § 21 der jeweils geltenden Systemnutzungstarife-Verordnung (SNT-VO) enthaltenen Tarife. Dabei betrachtet sie die sechs Windkraftanlagen der klagenden Partei als einen einheitlichen Kraftwerkspark im Sinn des § 8 SNT-VO.
Mit der Klage vom 2. 7. 2009 begehrte die klagende Partei die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, 1) der beklagten Partei für Jänner bis April 2009 SDLE gemäß § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG iVm §§ 8, 21 lit a SNT-VO 2009 in Höhe von 12.171,84 EUR zu zahlen; 2) der beklagten Partei künftig SDLE gemäß § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG iVm §§ 8, 21 lit a SNT-VO 2009 zu zahlen. Sie berief sich insbesondere darauf, dass § 25 Abs 14 ElWOG 1998 als gesetzliche Grundlage für das verordnete SDLE mangels ausreichender Bestimmtheit verfassungswidrig sei. Die Forderungen der beklagten Partei beruhten auf einer verfassungs- bzw gesetzwidrigen Grundlage, weshalb sich die klagende Partei weigere, verrechnete SDLE zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 10. 11. 2009 dehnte sie den ersten Punkt ihres Feststellungsbegehrens dahin aus, dass dieses SDLE von Jänner bis September 2009 in Höhe von 27.386,84 EUR erfasse.
Mit Beschluss vom 18. 12. 2009 stellte das Erstgericht den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, Bestimmungen der SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 (teilweise) als gesetzwidrig aufzuheben. Dieser Antrag wurde zu V 122/09 protokolliert.
Nach mehreren Änderungen ihres Feststellungsbegehrens begehrte die klagende Partei zuletzt die Feststellung, 1) dass sie nicht verpflichtet sei, der beklagten Partei für das Jahr 2009 das nach § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG iVm §§ 8, 21 lit a SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 verrechnete SDLE von 36.515,52 EUR, für das Jahr 2010 das nach § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG iVm §§ 8, 21 lit a SNT-VO 2010 verrechnete SDLE von 27.327,72 EUR und für das Jahr 2011 das nach § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG iVm §§ 8, 21 lit a SNT-VO 2010 idF der Novelle 2011 verrechnete SDLE von 22.851,60 EUR zu zahlen; 2) dass sie künftig nicht verpflichtet sei, der beklagten Partei ein SDLE gemäß § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG iVm §§ 8, 21 lit a SNT-VO 2010 idF der SNT-VO 2010 idF der Novelle 2011 zu zahlen.
Ein Verfahren zur Überprüfung der SNT-VO 2010 einschließlich der Novelle 2011 wurde nach Änderung/Ausdehnung des Klagebegehrens nicht eingeleitet.
Mit Erkenntnis vom 21. 6. 2011, G 3/11 ua, stellte der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der zu den Zahlen V 59/09, V 113/09 und V 19/10 anhängigen Anträge von Gerichten auf Aufhebung von Bestimmungen der SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 fest, dass § 25 Abs 1 Z 1 und 3, § 25 Abs 4 und § 25 Abs 12 ElWOG 1998 verfassungswidrig gewesen seien. Mit seinem Erkenntnis vom 27. 9. 2011, V 59/09 ua, hob er die SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 und die SNT-VO 2010 samt deren Novelle 2011 als gesetzwidrig auf. In der Begründung führte er aus, dass sich die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 25 Abs 1 Z 1 und 3, § 25 Abs 4 und § 25 Abs 12 ElWOG nicht nur für die zu V 59/09, V 113/09 und V 19/10 protokollierten Verordnungsprüfungssachen auswirke, anlässlich derer das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden sei, sondern auch für die „eingangs genannten, im vorliegenden Verfahren verbundenen“ Verordnungsprüfungssachen. Nach der Aufhebung des § 25 Abs 4 ElWOG durch das Erkenntnis vom 21. 6. 2011 entbehrten die aufgehobenen Verordnungen insgesamt der gesetzlichen Grundlage. In Punkt IV. sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die aufgehobenen Verordnungen auch in im Einzelnen durch die Angabe der Geschäftszahlen bezeichneten Gerichtsverfahren nicht mehr anzuwenden seien.
Das hier zu beurteilende Verfahren 57 Cg 80/09t des Erstgerichts ist im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs V 59/09 ua als eines jener Verfahren aufgezählt, in denen Gerichte Anträge auf Aufhebung der SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 stellten. Es ist aber nicht in Punkt IV. des zitierten Erkenntnisses angeführt und daher nicht vom ausdrücklichen Ausspruch der Erstreckung der Wirkung der Aufhebung auf andere Gerichtsverfahren nach § 139 Abs 6 zweiter Satz letzter Halbsatz B-VG erfasst. Primärer Streitpunkt ist demnach, ob für dieses Verfahren die Anlassfallwirkung auch eintritt, soweit es die vom Erstgericht nicht angefochtene SNT-VO betrifft.
Das Erstgericht verneinte dies und gab dem Feststellungsbegehren nur insoweit statt, als es das für das Jahr 2009 gemäß § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG iVm §§ 8, 21 lit a SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 verrechnete SDLE betraf. Nur diese Verordnung sei Gegenstand des gestellten Antrags auf Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens gewesen. Wäre dieses nicht zufälligerweise mit anderen verbunden worden, so hätte das dazu ergehende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs lediglich auf Aufhebung der SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 wegen Wegfalls der gesetzlichen Grundlage gelautet. Aus formaler Sicht könne das Verfahren nicht hinsichtlich der SNT-VO 2010 einschließlich der Novelle 2011 als eingeleitet angesehen werden. Auch materiell-rechtlich könne die Anlassfallwirkung nur bei Beurteilung jenes Sachverhalts zum Tragen kommen, der vom Verfassungsgerichtshof im Anlassverfahren zu beurteilen gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Stellung des Prüfungsantrags habe aber das Feststellungsbegehren der klagenden Partei lediglich die für 2009 aufgrund der SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 vorgeschriebenen SDLE erfasst. Die aufgehobenen SNT-VO 2010 und 2011 seien daher weiter anzuwenden.
Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es dem gesamten Feststellungsbegehren stattgab, und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Der Verfassungsgerichtshof habe klargestellt, dass auch der vom Erstgericht gestellte Verordnungsprüfungsantrag Anlass für das Gesetzesprüfungsverfahren gewesen sei, weshalb die Aufhebung (unter anderem) des § 25 Abs 4 ElWOG 1998 auch auf das gegenständliche Verfahren als Anlassfall wirke. Durch Aufhebung der in der zitierten Bestimmung des ElWOG 1998 enthaltenen Verordnungsermächtigung sei die gesetzliche Grundlage sämtlicher (aufgehobenen) SNT-VO weggefallen. Die Rechtsansicht des Erstgerichts würde im Ergebnis eine verfassungswidrige Rechtslage bewirken, weil die SNT-VO 2010 einschließlich der Novelle 2011 ohne gesetzliche Grundlage weiterhin angewendet werde. Bei verfassungskonformer Interpretation des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs könnten dessen Ausführungen über die Anlassfallwirkung nur in dem Sinn verstanden werden, dass sich diese auf das gesamte hier gestellte Begehren erstrecke.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig. Sie ist auch teilweise berechtigt.
1. Beide Vorinstanzen gingen inhaltlich übereinstimmend davon aus, dass das Klagebegehren durch die im Streitschlichtungsverfahren vor der Energie-Control Kommission (ECK) gestellten Anträge ausreichend gedeckt und damit die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht berechtigt sei. Die von den Vorinstanzen übereinstimmend unanfechtbar (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) bejahte Zulässigkeit des Rechtswegs ist einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (4 Ob 126/12a; 4 Ob 186/12z; 1 Ob 149/12m je mwN).
2. Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 40 Abs 4 B-VG ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an dessen Spruch gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht (Art 140 Abs 7 erster und zweiter Satz B-VG).
2.1. In seinem Erkenntnis vom 27. 9. 2011, V 59/09 ua führte der Verfassungsgerichtshof (IV.2. Der Entscheidungsgründe) aus:
„Der Verfassungsgerichtshof sieht in ständiger Rechtsprechung die Anlassfallregelung des Art 140 Abs 7 B-VG auch dann als maßgebend an, wenn Verordnungsprüfungssachen den Anlass zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung geboten haben. Dementsprechend nimmt der Gerichtshof an, dass die Aufhebung einer als verfassungswidrig befundenen Gesetzesvorschrift (auch) auf die Verordnungsprüfungssache als Anlassfall zurückwirkt, und nimmt daher bei der Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung auf die ihr zugrunde gelegte Gesetzesbestimmung - als sei sie rückwirkend aus dem Rechtsbestand ausgeschieden - nicht mehr Bedacht. Des weiteren hält der Gerichtshof in ständiger Judikatur auch in Ansehung von Verordnungsprüfungssachen dem von Art 140 Abs 7 B-VG erfassten Anlassfall im engeren Sinn (anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) alle jene Fälle gleich, die bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren, bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung bis zum Beginn der nichtöffentlichen Beratung, bereits anhängig geworden sind (VfSlg. 11.057/1986, 13.269/1992, 14.041/1995). Im - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. IV.B.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg. 17.687/2005). Die Anlassfallregelung des Art 140 Abs 7 B-VG gilt nicht nur für den Fall der Aufhebung eines Gesetzes, sondern auch im Fall der Feststellung, dass ein Gesetz verfassungswidrig war (vgl. z.B. VfSlg. 10.834/1986, 17.020/2003).
Somit wirkt sich die mit Erkenntnis vom 21. Juni 2011, G 3-5/11, ausgesprochene Feststellung, dass § 25 Abs 1 Z 1 und 3, § 25 Abs 4 und § 25 Abs 12 ElWOG verfassungswidrig waren, nicht nur für die zu V 59/09, V 113/09 und V 19/10 protokollierten Verordnungsprüfungs-sachen aus, anlässlich derer das Gesetzesprüfungsverfahren G 3-5/11 tatsächlich eingeleitet wurde, sondern auch für die eingangs genannten, im vorliegenden Verfahren verbundenen Verordnungsprüfungssachen, weil diese im Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im genannten Gesetzesprüfungsverfahren (21. Juni 2011) bereits anhängig waren.
Mit § 25 Abs 4 ElWOG ('Die Elektrizitäts-Control Kommission hat jedenfalls Systemnutzungstarife für Entnehmer und Einspeiser von elektrischer Energie durch Verordnung oder Bescheid zu bestimmen. Netzbetreiber gelten dabei als Entnehmer.') ist nun aber für die hier gegenständlichen Systemnutzungstarifverordnungen eine Bestimmung entfallen, die nicht nur für die angefochtenen, sondern für sämtliche Bestimmungen der angefochtenen Verordnungen eine wesentliche gesetzliche Grundlage gebildet hat. ... Ohne die 'Generalklausel' des Abs 4 bleibt die gesetzliche Regelung der Adressaten einer Systemnutzungstarifverordnung völlig lückenhaft und damit jede dieser Verordnungen ohne gesetzliche Grundlage. Da bei Außerachtlassung des § 25 Abs 4 ElWOG wegen der Anlassfallwirkung die hier gegenständlichen Verordnungen somit insgesamt der gesetzlichen Grundlage entbehren, sind sie vom Verfassungsgerichtshof zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben (Art 139 Abs 3 lit a B-VG), ohne dass auf einzelne der von den antragstellenden Gerichten vorgebrachten Bedenken einzugehen ist.“
2.2. Der Verfassungsgerichtshof stellte damit klar, dass die Anlassfallwirkung des Art 140 Abs 7 zweiter Satz erster Halbsatz B-VG in sämtlichen Verordnungsprüfungssachen, die vor dem Spruchpunkt I. seines Erkenntnisses angeführt waren, galt. Das hier vorliegende Verfahren findet sich in dieser Aufzählung. Der Wegfall der gesetzlichen Grundlage für die Erlassung von Systemnutzungstarifverordnungen (SNT-VO) wirkt sich somit auch in diesem Verfahren aus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt dies allerdings nicht zu dem Ergebnis, dass auch jene SNT-VO, die nicht angefochten wurden, nicht mehr anzuwenden sind.
3. Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs 4 ausgesprochen, dass eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofs gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht (Art 139 Abs 6 erster und zweiter Satz B-VG).
3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Sammelerkenntnis vom 27. 9. 2011 über Antrag (auch) des Erstgerichts die SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben. Das hier vorliegende Verfahren war ohne Zweifel insoweit Anlassfall im engeren Sinn. Der Versuch der beklagten Partei, die Anlassfallwirkung des Art 139 Abs 6 zweiter Satz B-VG auf den Zeitraum Jänner bis September 2009 zu beschränken, scheitert schon an der Formulierung des Feststellungsbegehrens zum Zeitpunkt der Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens durch den Antrag des Erstgerichts. Zum damaligen Zeitpunkt begehrte die klagende Partei nicht nur die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, Systemdienstleistungsentgelte (SDLE) von Jänner bis September 2009 zu zahlen (Punkt 1). Der zweite Punkt ihres Feststellungsbegehrens bezog sich vielmehr auch auf ihre künftige Verpflichtung zur Zahlung von SDLE nach Bestimmungen der SNT-VO 2009.
3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Sammelerkenntnis V 59/09 ua bei der Aufzählung der antragstellenden Gerichte danach unterschieden, welche SNT-VO jeweils angefochten wurde. Der konkrete Antrag des jeweiligen Gerichts in den Verordnungsprüfungsverfahren beschränkt die Anlassfallwirkung des Art 139 Abs 6 zweiter Satz B-VG auf die jeweils angefochtene SNT-VO (T. Rabl, Rückforderung von Netzverlustentgelten nach Aufhebung der SNT-VO 2009 bis 2011, ecolex 2012, 597 [598]; K. Oberndorfer, Zum Entfall der elektrizitätsrechtlichen Netzverlustentgeltpflicht für Erzeuger, ZTR 2012, 46 [51 f]; in diesem Sinn auch 4 Ob 186/12z). Krömer (Rückforderung von Netzverlustentgelten trotz Aufhebung der Systemnutzungstarife-Verordnungen unmöglich?, ZTR 2012, 147 [152]) interpretiert zwar das zitierte Erkenntnis so, dass der Verfassungsgerichtshof bestrebt gewesen sei, alle klagenden Einspeiser gleich zu behandeln, und deshalb sogar ausdrücklich (in Punk IV. des Erkenntnisses) die Anlassfallwirkung auf beim Obersten Gerichtshof und bei anderen erstinstanzlichen Gerichten anhängige Verfahren erstreckt habe, obwohl diese Gerichte jeweils nicht alle SNT-VO bekämpft hätten. Im Anschluss gesteht er aber zu, dass der Stand des Verfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung „nicht gänzlich unberücksichtigt“ bleiben dürfe und eine Ausdehnung des Klagebegehrens auf Zeiträume, in denen bereits eine SNT-VO in einer neuen Fassung gegolten habe, der Anlassfalleigenschaft im Umfang der Klagserweiterung entgegenstehe. Damit kommt er für den hier vorliegenden Fall zum selben Ergebnis wie die beiden bereits zitierten Autoren: Wurde nach Ausdehnung des Klagebegehrens auf Zeiträume, die nicht von der bereits angefochtenen SNT-VO erfasst waren, kein weiteres Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet, sind die nicht angefochtenen SNT-VO im fortgesetzten Verfahren weiterhin anzuwenden. Die dem Anlassverfahren zugute kommende Rückwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs, die im Schrifttum als „Ergreiferprämie“ bezeichnet wird (siehe nur Aichlreiter in Rill/Schäffer, Kommentar Bundesverfassungsrecht, Art 139 B-VG Rz 32; Rohregger in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 140 B-VG Rz 317 mwN), soll letztlich sogenannten „Trittbrettfahrern“, die nichts zur Bereinigung der Rechtslage beigetragen haben, nicht zugutekommen (vgl Schäffer in Rill/Schäffer aaO Rz 93 mwN; vgl T. Rabl aaO 598).
4. Die beklagte Partei sieht in dieser Beschränkung der Anlassfallwirkung auf die jeweils angefochtene SNT-VO einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Sie habe den durch Unionsrecht vorgegebenen und in nationale Vorschriften umgesetzten Weg eines Rechtsschutzes gegen die unrichtigen Tarife beschritten, indem sie zunächst ein Streitbeilegungsverfahren vor der Regulierungsbehörde eingeleitet und in der Folge Klage bei Gericht eingebracht habe.
4.1. Zu diesen unionsrechtlichen Überlegungen hat der Oberste Gerichtshof aber erst jüngst in seiner ausführlich begründeten Entscheidung 8 Ob 7/13g ausgeführt, dass Art 47 Grundrechtecharta (GRC) akzessorisch zur Geltendmachung der Verletzung eines materiellen Rechts sei, das sich aus dem Unionsrecht ableiten ließe. Der Betroffene müsse eine schlüssige Behauptung aufstellen, dass die durch Unionsrecht garantierten Rechte bzw Freiheiten verletzt worden seien. Mit der Behauptung, das in den Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinien zugrunde gelegte Beschwerderecht sei aufgrund der Einschränkung der Anlassfallwirkung nach Art 139 Abs 6 B-VG nicht effektiv ausgestaltet, werde aber keine derartige materielle Rüge erhoben. Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen an.
5. Das Feststellungsbegehren der klagenden Partei bezieht sich ausschließlich auf ihre gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von SDLE nach dem vom Ergebnis des Gesetzesprüfungsverfahrens unberührt gebliebenen § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG 1998 in Verbindung mit konkret genannten Bestimmungen der im Verordnungsprüfungsverfahren zur Gänze aufgehobenen SNT-VO 2009 bis 2011. Diese enge Fassung der Feststellungsbegehren schließt eine Überprüfung aus, ob Bestimmungen des ElWOG 1998, die nicht als verfassungswidrig festgestellt wurden, per se eine gesetzliche Grundlage für die bestrittene Zahlungsverpflichtung sein könnten.
6. Der Verfassungsgerichtshof sprach nach Art 139 Abs 5 letzter Satz B-VG aus, dass die aufgehobenen SNT-VO mit Ablauf des 31. 3. 2012 außer Kraft treten. Der zweite Punkt des hier erhobenen Feststellungsbegehrens war darauf gerichtet, dass die klagende Partei auch künftig nicht verpflichtet sei, SDLE nach der SNT-VO Novelle 2011 zu zahlen. Feststellungsansprüche, die sich auf den Zeitraum ab 1. 4. 2012 beziehen, wären also von der Aufhebung betroffen. Für diesen Zeitraum käme es daher nicht auf die Anlassfallwirkung an. Da aber klar ist, dass die SNT-VO 2010 in der Fassung der Novelle 2011 ab diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr anzuwenden ist, fehlt das Feststellungsinteresse, dessen Vorliegen Voraussetzung für die Berechtigung eines Feststellungsbegehrens ist (RIS-Justiz RS0039177).
7. Ergebnis: In diesem Verfahren kommt der klagenden Partei die Anlassfallwirkung nur zugute, soweit es um die angefochtene SNT-VO 2009 geht. Das Urteil des Erstgerichts ist demnach wiederherzustellen.
8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO (erstinstanzliches Verfahren), § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO (Berufungsverfahren) und § 43 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO (Revisionsverfahren).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)