OGH 8Ob8/13d

OGH8Ob8/13d4.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin R***** F*****, vertreten durch Dr. Andreas Arnold, Rechtsanwalt in Salzburg, über den Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. Dezember 2012, GZ 53 R 320/12h-95, mit dem ihr Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 3. Oktober 2012, GZ 8 S 40/04m-89, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 8. 9. 2004 wurde das Abschöpfungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eingeleitet. In den sieben Jahren des Abschöpfungszeitraums erreichte sie eine Quote von nur 0,4 % der angemeldeten und anerkannten Forderungen.

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 3. 10. 2012 Anträge der Schuldnerin auf Restschuldbefreiung nach Billigkeit (§ 213 Abs 2 IO) und Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens (§ 213 Abs 4 IO) ab, zugleich erklärte es das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass die Restschuldbefreiung nicht erteilt werde. Dieser Beschluss wurde am 5. 10. 2012 in der Insolvenzdatei veröffentlicht und am 9. 10. 2012 dem Rechtsvertreter der Schuldnerin zugestellt.

Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung wies das Rekursgericht den am 23. 10. 2012 eingebrachten Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss vom 3. 10. 2012 als verspätet zurück. Gemäß § 213 Abs 6 KO sei der Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und das Ausmaß der Restschuldbefreiung öffentlich bekanntzumachen, in diesem Fall beginne die 14-tägige Rekursfrist für alle Beteiligten bereits mit der Veröffentlichung zu laufen, unabhängig davon, ob und wann auch eine individuelle Zustellung erfolge. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob § 213 Abs 6 KO auch dann anzuwenden sei, wenn gleichzeitig Anträge des Schuldners nach § 213 Abs 2 und Abs 4 IO abgewiesen werden und keine Restschuldbefreiung erfolgt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Schuldnerin ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 257 Abs 2 IO wird die Rechtsmittelfrist gegen Beschlüsse, für die eine öffentliche Bekanntmachung vorgesehen ist, bereits mit der Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt, und zwar unabhängig davon, ob auch noch eine besondere Zustellung an die Beteiligten erfolgt ist (RIS-Justiz RS0065237; RS0110969).

2. Nach § 213 Abs 6 IO ist der Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und über das Ausmaß der Restschuldbefreiung öffentlich bekanntzumachen. Der erkennende Senat hatte sich in seiner vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 8 Ob 64/11m bereits einmal mit der Frage zu befassen, welches Ereignis für den Beginn der Rekursfrist maßgeblich ist, wenn das Erstgericht einen nach § 213 Abs 6 IO in die Insolvenzdatei aufzunehmende Beschluss mit der Entscheidung über einen Antrag des Schuldners nach § 213 Abs 4 IO verbunden hat. Am Ergebnis dieser Entscheidung, wonach ein solcher Beschluss schon wegen seines in § 213 Abs 6 IO genannten Inhalts der Veröffentlichungspflicht unterliegt und die Rechtsmittelfrist dagegen bereits mit der Veröffentlichung in der Ediktsdatei beginnt, ist festzuhalten.

Der Inhalt des vorliegenden Beschlusses weicht von dem zu 8 Ob 64/11m maßgeblichen Sachverhalt nur insofern ab, als das Erstgericht hier zusätzlich auch noch einen Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach Billigkeit gemäß § 213 Abs 2 IO abgewiesen hat. Dem Revisionsrekurs ist beizupflichten, dass das Gesetz für eine solche Entscheidung - so wie auch für jene über den Antrag nach § 213 Abs 4 IO - keine Veröffentlichung anordnet. Hätte das Insolvenzgericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, zunächst nur über diese beiden Anträge zu entscheiden und sich die Entscheidung über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens noch vorzubehalten, wäre sein Beschluss daher nicht in die Ediktsdatei aufzunehmen gewesen.

3. Für den Standpunkt des Revisionsrekurses ist daraus aber nichts zu gewinnen. Aufgrund der Verbindung mit dem Ausspruch über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens unter Versagung der Restschuldbefreiung weist der im vorliegenden Verfahren angefochtene Beschluss einen zwingend der Veröffentlichungspflicht unterliegenden Inhalt auf.

Die Ausfertigung von öffentlich bekanntzumachenden Beschlüssen mit anderen auf demselben Schriftstück muss noch nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Rekursfrist für alle verbundenen Beschlüsse bereits ab dem Veröffentlichungsdatum zu laufen beginnt (vgl Mohr IO11 § 257 E9). In der vorliegenden Konstellation wäre eine getrennte Anfechtung der Abweisung von Anträgen nach § 213 Abs 2 bis Abs 4 IO aber nicht möglich, weil der Ausspruch über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens ohne Restschuldbefreiung eine Abweisung entgegenstehender Schuldneranträge zwangsläufig miteinschließt.

Da gegen den ersteren Beschlussteil die vierzehntägige Rekursfrist nach der gesetzlichen Anordnung bereits ab der Veröffentlichung zu laufen beginnt, wäre eine um den Zeitraum einer individuellen Zustellungsdauer verlängerte Rekursfrist gegen die Abweisung der Anträge der Schuldnerin objektiv sinnlos. Ein erst nach eingetretener Rechtskraft der Beendigung des Abschöpfungsverfahrens ohne Restschuldbefreiung erhobener Rekurs gegen Beschlüsse nach § 213 Abs 2 bis 4 IO müsste wegen entschiedener Rechtssache, jedenfalls aber mangels Beschwer zurückgewiesen werden.

4. Dem Ergebnis des Rekursgerichts steht auch der allgemeine zivilverfahrensrechtliche Grundsatz nicht entgegen, wonach in Fällen, in denen ein Beschluss mehrere Entscheidungen enthält, für die bei selbständiger Anfechtung verschiedene Rechtsmittelfristen gelten würden, für die Anfechtung dieses Beschlusses eine einheitliche, nämlich die längere, Frist gilt (RIS-Justiz RS0041696; RS0040202). Wenn die Insolvenzordnung für einzelne Beschlüsse eine individuelle Zustellung und eine durch öffentliche Bekanntmachung nebeneinander normiert, dann treten die Folgen der Zustellung dennoch bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung ein. Diese Rechtslage entspricht der besonderen Natur des Insolvenzverfahrens als Vielparteienverfahren und verfolgt die maßgebliche Intention, die Beschlusswirkungen einheitlich zu einem für jeden Beteiligten erkennbaren Zeitpunkt eintreten zu lassen (Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, InsG § 174 KO Rz 2).

Der Gesetzgeber nimmt für diese Intention sogar bewusst in Kauf, dass einem Rekurswerber im Ergebnis eine kürzere als die vierzehntägige Frist zur Ausfertigung seines Rechtsmittels zur Verfügung steht, weil er sich erst von der näheren Begründung des veröffentlichten Beschlusses Kenntnis verschaffen muss.

5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein Beschluss des Insolvenzgerichts, in dem einerseits Anträge des Schuldners nach § 213 Abs 2 bis Abs 4 IO abgewiesen werden und gleichzeitig das Abschöpfungsverfahren ohne Restschuldbefreiung für beendet erklärt wird, nach § 213 Abs 6 IO zu veröffentlichen ist. Die Rechtsmittelfrist gegen einen solchen Beschluss beginnt gemäß § 257 Abs 2 IO insgesamt bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung zu laufen.

Das Rekursgericht hat das Rechtsmittel der Schuldnerin daher zutreffend als verspätet beurteilt.

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