OGH 7Ob231/12i

OGH7Ob231/12i18.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Kaufmann & Thurnher Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 16. Oktober 2012, GZ 1 R 257/12w‑16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Montafon vom 27. August 2012, GZ 1 C 11/12v‑12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob die Ausdehnung der für ein konkretes Objekt eingeräumten Wegeservitut auf ein weiteres Objekt ‑ wie hier die Berechtigung der Zufahrt zu einer zweiten Talstation ‑ dann, wenn damit für den Servitutsbelasteten keine (nennenswerte) Mehrbelastung verbunden sei, eine unzulässige Erweiterung sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im Servitutsvertrag wurde der Rechtsvorgängerin der Beklagten das Recht eingeräumt, „eine Zufahrtsstraße zur Talstation der 'V*****bahn' ... zu errichten, zu erhalten und ... zu befahren“.

Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse richtet sich nach dem Inhalt des Titels (RIS‑Justiz RS0011720). Der Servitutsbestellungsvertrag ist nach seinem Wortlaut auszulegen, wenn nicht feststeht, dass nach dem Willen der Parteien ein anderes Verständnis zugrunde zu legen ist (RIS‑Justiz RS0107851). Sind Art und Ausmaß der Servitut durch den Titel unzweifelhaft konkret bestimmt, dann spricht man von einer „gemessenen“, sonst aber von einer „ungemessenen“ Servitut (RIS‑Justiz RS0116523). Eine „gemessene“ Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn der Inhalt durch den Titel unzweifelhaft umschrieben ist (RIS‑Justiz RS0011752). Bei „gemessenen“ Servituten ist eine Erweiterung unzulässig (RIS‑Justiz RS0105550). Bei „ungemessenen“ Dienstbarkeiten sind im Rahmen der ursprünglichen oder der vorhersehbaren Art der Ausübung die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten maßgebend (RIS‑Justiz RS0097856). Wie ein Vertrag auszulegen ist, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0042776).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die vorliegende Dienstbarkeit insofern eine „gemessene“ ist, weil sie ausdrücklich (nur) die Errichtung einer Zufahrtsstraße zur „V*****bahn“ einräumte, mag auch das Verkehrsaufkommen zu dieser Talstation ungemessen sein, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Es steht fest, dass die Vertragsparteien nur von der Zufahrtsstraße zu dieser Talstation gesprochen haben und dass es kein Thema war, dass davon auch allenfalls später zu errichtende Talstationen mitumfasst sein sollten. Die Rechtsansicht, dass die Beklagte unzulässigerweise ihre Servitut ausdehnt, wenn sie nun die Zufahrtsstraße auch dazu verwenden will, ihren Kunden die Zufahrt zu einer weiteren Talstation zu ermöglichen, hält sich im Rahmen der Judikatur und ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Darauf, ob sich das Verkehrsaufkommen im vorigen Jahr erhöht hat oder nicht, kommt es bei der insoweit „gemessenen“ Servitut nicht an. Der Zweck der Servitut, der sich eben nicht darauf bezieht, die bestmögliche Erschließung des Gebiets zu ermöglichen, würde durch die Zufahrt zu einer zweiten (oder mehreren) Talstationen überschritten.

Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe den öffentlichen Gemeingebrauch auf ihren Grundstücken nunmehr seit länger als 20 Jahren geduldet, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Klägerin verlangte von den beiden Unternehmern, die die Straße ebenfalls benutzten, Entgelt, was gegen eine stillschweigende Widmung zum Gemeingebrauch spricht. Abgesehen davon, dass über die Frage, ob und in welchem Umfang eine Straße zum Gemeingebrauch gewidmet ist, nach § 2 Abs 3 Vorarlberger Gesetz über den Bau und die Erhaltung öffentlicher Straßen sowie über die Wegefreiheit im Verwaltungsweg zu entscheiden ist, kann eine stillschweigende Widmung zum Gemeingebrauch weder dem Vorbringen noch den Feststellungen entnommen werden.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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