Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sinan E***** mehrerer Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A/1, 2 und 3), zu A/2 auch nach § 15 Abs 1 StGB und zu A/3 (richtig) eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 (zweiter Fall) StGB sowie mehrerer Vergehen der Nötigung nach §§ 105 Abs 1 StGB (B und C), zu C auch nach § 15 Abs 1 StGB und je eines Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (D) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (E) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien Saadet E*****
A./
1./ von 1. April 2011 bis zum 19. Mai 2011 in vier Angriffen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie auszog, auf den Boden warf, auf den Bauch legte, mit einer Hand ihre linke Hand und mit der anderen Hand ihren Kopf festhielt, mit den Füßen ihr Bein fixierte, sie bei ihren Versuchen, sich aus seinem Festhaltegriff zu befreien, schlug und von hinten vaginal in sie eindrang;
2./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen Anfang April 2012 und 4. Mai 2012 dadurch, dass er sie von hinten umfasste, sie fixierte und dann mit seinem Glied in ihren Anus einzudringen versuchte, mit Gewalt zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht;
3./ von Anfang April 2012 bis zum 4. Mai 2012 in mehreren Angriffen dadurch, dass er sie an den Händen festhielt, mit einem Bein ihre Beine auseinander schob und dann mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang, mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr genötigt, „wobei eine der Taten eine Schwangerschaft der vergewaltigten Person zur Folge hatte“;
B./
von Anfang April 2012 bis 4. Mai 2012 durch die (wiederholte) Äußerung, er werde sie schlagen, umbringen, ihr alle Knochen brechen, wenn sie ihm nicht zuhöre und nicht pünktlich nach Hause käme, durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zur Erfüllung seiner Befehle genötigt;
C./
am 19. Mai 2011 versucht, durch Gewalt an der Flucht nach der unter D./ genannten Tat zu hindern, indem er sie vom Stiegengeländer, an dem sie sich festhielt, an den Armen derart massiv wegzuzerren trachtete, dass sie Hämatome an den Oberarmen erlitt;
D./
am 19. Mai 2011 widerrechtlich gefangen gehalten, indem er sie eine knappe Stunde in seiner Wohnung einsperrte, nachdem er ihr die Schlüssel abgenommen und die Wohnung verlassen hatte;
E./
im April 2011 gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er erklärte, er werde sie umbringen, wobei er ihr ein Messer anhielt, „sie sohin mit dem Tod bedrohte“.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieb die Aussage der Zeugin Solmaz S***** nicht unberücksichtigt, sondern wurde vom Erstgericht - auch unter Berücksichtigung ihrer Schilderungen zur Diskrepanz zwischen dem (guten) persönlichen Eindruck, den der Angeklagte (anlässlich seiner Besuche an der Arbeitsstelle seiner Ehefrau) bei ihr hinterließ und dem ihr von Saadet E***** berichteten Verhalten des Angeklagten - in die Erwägungen einbezogen (US 15 f). Dass sie die Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen auf die Angaben der Saadet E***** gründeten, denen sie aufgrund des von ihr in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks höhere Glaubwürdigkeit zuerkannten als der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers, haben die Tatrichter ebenso dargelegt (US 10 ff). Dabei waren sie aufgrund des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, sich mit sämtlichen Details der Aussage des Angeklagten (etwa seiner Behauptung, der Asylstatus des neuen Lebensgefährten seiner geschiedenen Ehefrau sei der angebliche Grund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe; vgl ON 25 S 31, oder zu angeblichen freiwilligen sexuellen Kontakten seit 2. März 2012; vgl ON 51 S 5) explizit auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0098377).
Die Feststellung, wonach die Schwangerschaft des Tatopfers Folge einer Vergewaltigung durch den Beschwerdeführer etwa Anfang April 2012 war, hat das Erstgericht - in der Rüge weitgehend unbeachtet (vgl RIS-Justiz RS0119370) - mängelfrei ebenso auf die Angaben der Saadet E***** und aktenkundige Unterlagen (Beilage A./ zu ON 51) gestützt (US 12 f). Diese Konstatierung ist entgegen dem Beschwerdestandpunkt (der Sache nach Z 5 dritter Fall) schon deshalb nicht nach Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung unvereinbar (RIS-Justiz RS0117402) mit den weiteren Urteilsannahmen eines Schwangerschaftsabbruchs am 16. Mai 2012 (in der [richtig:] elften Schwangerschaftswoche), weil die Schwangerschaftswochen - von den Tatrichtern zutreffend erkannt (US 13) - ab Beginn jenes Monatszyklus gerechnet werden, in dem die Befruchtung stattgefunden hat, und nicht ab dem tatsächlichen Zeitpunkt der Befruchtung (vgl Kröger, LK11 Vor § 218 ff [dStGB] Rz 45).
Die in der Rüge zitierten - angeblich zu Unrecht unberücksichtigt gebliebenen (Z 5 zweiter Fall) - Passagen aus den Angaben der genannnten Zeugin stehen der bekämpften Konstatierung nicht erörterungsbedürftig entgegen.
Der - im Übrigen - trotz des Hinweises auf Aktenkundigkeit ohne konkreten Aktenbezug (vgl RIS-Justiz RS0124172) erhobene Einwand, Saadet E***** wäre (offenbar gemeint am 19. Mai 2011 in der Früh; vgl ON 51 S 11) nicht von der Arbeit nach Hause gekommen, bezieht sich nicht auf erhebliche Tatsachen (RIS-Justiz RS0106268, RS0118316).
Weiters bleibt unklar, inwieweit jeweils isoliert herausgehobene Details in den Aussagen einer Kriminalbeamtin, die Saadet E***** im Ermittlungsverfahren vernommen hat, oder einer Beamtin, die wegen hier nicht relevanter Vorfälle mit Saadet E***** eine Krisensitzung abgehalten hat, oder der Betreuerinnen Gudrun T***** und Katrin S***** zum Zeitpunkt ihrer Kenntnis von der Schwangerschaft (ON 59 S 7 ff) für die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer entscheidenden Tatsache von erheblicher Bedeutung und deswegen erörterungsbedürftig gewesen sein sollen.
Soweit die Rüge (abermals ohne Bezugnahme auf den Akteninhalt) unter Zugrundelegung eigener Beweiswerterwägungen das von den Tatrichtern konstatierte Verhalten der Saadet E***** als „äußerst lebensfremd“ bezeichnet, bekämpft er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die dem erkennenden Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung.
Im Übrigen ist das Gericht auch nicht verpflichtet, sich bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 38).
Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines Feststellungsmangels erfordert die auf Basis des Urteilssachverhalts (das heißt, ohne einen konstatierten Umstand zu übergehen oder zu bestreiten) vorzunehmende Argumentation, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweise indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergebe, weil das Gericht ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580 [insbes T14 und T15]).
Diesen Voraussetzungen wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht, indem sie neuerlich - überdies wiederum ohne Angabe von Fundstellen im Akt - unzulässige Spekulationen über den Beginn der Schwangerschaft sowie über einen (angeblichen) psychischen Ausnahmezustand der Saadet E***** am 19. Mai 2011 anstellt.
Mit der Behauptung, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite bei der Vergewaltigung wären mangelhaft, lässt die Rüge die dazu getroffenen Konstatierungen (US 9) außer Acht. Die in diesem Zusammenhang kritisierten Feststellungen („offenbar durchaus wohlwollend mit einkalkuliert“; US 18) beziehen sich nicht auf den Grundtatbestand des § 201 Abs 1 StGB, sondern - eindeutig - auf die Erfolgsqualifikation des § 201 Abs 2 zweiter Fall StGB, für die nach § 7 Abs 2 StGB fahrlässige Herbeiführung ausreicht (Burgstaller in WK2 § 7 Rz 8 ff; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 30; Hinterhofer, SbgK § 201 Rz 58 ff).
Der Strafzumessungsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider wurde der Umstand, dass sich der Angeklagte „völlig uneinsichtig“ zeigte, nicht als Erschwerungsgrund herangezogen (vgl US 17 f), sondern im Rahmen der gemäß § 32 Abs 2 StGB gleichfalls zu beurteilenden Einstellung des Täters gegenüber rechtlich geschützten Werten mit Blick darauf berücksichtigt, dass er seine Verhaltensweisen „als normal und situationsbedingt angemessen“ darzustellen und diese insoweit zu rechtfertigen versuchte (US 18).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht - ungeachtet der Formulierung des Schuldspruchs - in den Entscheidungsgründen klar zum Ausdruck gebracht hat, dass es die Qualifikation nach § 201 Abs 2 (zweiter Fall) StGB nur einmal angelastet hat (US 16 vierter Absatz), weshalb es mit der (einleitend vorgenommenen) Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 622 ff) sein Bewenden haben kann.
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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