OGH 14Os119/12z

OGH14Os119/12z29.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert M***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 22. August 2012, GZ 631 Hv 8/12s-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert M***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I/1) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I/2), jeweils mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II), der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (III/1) und nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB (III/2) sowie jeweils eines Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (IV) und nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (V) schuldig erkannt.

Danach hat er in A***** und S*****

(I) von 2008 bis Sommer 2011 mit seiner am 30. August 2001 geborenen Tochter Coleen M***** wiederholt

1) dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er seinen Finger zumindest ansatzweise in ihre Scheide einführte;

2) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er ihren nackten äußeren Genitalbereich streichelte und sie überdies einmal dazu veranlasste, seinen erigierten Penis mit ihrer Hand zu berühren;

(II) durch die zu I beschriebenen sexuellen Handlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihr eine geschlechtliche Handlung an sich vornehmen lassen;

(III) pornographische Darstellungen einer minderjährigen Person, und zwar wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger und von geschlechtlichen Handlungen an einer unmündigen oder mündigen Minderjährigen, von einer unmündigen oder mündigen Minderjährigen an sich selbst oder an einer anderen Person, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachter dienen,

1) von Oktober 2009 bis Sommer 2011 hergestellt, indem er mehrmals die entblößte Schamgegend seiner am 30. August 2001 geborenen Tochter Coleen M*****, die auf einem Bett oder am Fußboden lag, fotografierte;

2) ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 29. März 2012 besessen, indem er auf verschiedenen Datenträgern, nämlich einer selbst gebrannten CD, zwei USB-Sticks und zwei Festplatten, zahlreiche Bilddateien gespeichert hatte, welche Oralverkehr, Vaginalverkehr und Befriedigungen mit der Hand von und durch unmündige und mündige Minderjährige beinhalten;

(IV) zwischen Frühjahr 2007 und Oktober 2008 eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor seiner, seiner Erziehung, Ausbildung und Aufsicht unterstehenden unmündigen Tochter Coleen M***** vorgenommen, indem er ihr zwei pornographische Filme vorführte, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen;

(V) bis zum 29. März 2012, wenn auch nur fahrlässig, eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich eine Faustfeuerwaffe der Marke Mauser HSc, Kaliber 7,65, unbefugt besessen.

Von der weiters wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 9. April 2009 in S***** pornographische Darstellungen einer minderjährigen Person, und zwar wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend einer Minderjährigen oder von geschlechtlichen Handlungen an einer unmündigen oder mündigen Minderjährigen, von einer unmündigen oder mündigen Minderjährigen an sich selbst oder an einer anderen Person, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen, wissentlich im Internet betrachtet, indem er mehrere Suchanfragen unter Verwendung der Suchbegriffe „child porn“ und „child girl rape“ startete und diese durch Aufrufen der Ergebnisse gezielt betrachtete, wurde Herbert M***** nach § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die aus dem Grunde der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gegen den Schuldspruch erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten als auch jene der Staatsanwaltschaft, die den Freispruch mit ihrer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Wesen und Ziel der Tatsachenrüge (Z 5a) ist es, anhand aktenkundiger Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen.

Einwendungen ausschließlich gegen Beweiswerterwägungen der Tatrichter, wie hier - der Sache nach - gegen deren Überzeugung von der Glaubwürdigkeit der Belastungszeuginnen Coleen M*****, Silvia M*****, Annemarie T***** und Andreas R***** sowie der Unglaubwürdigkeit der Zeugin Christine B***** und des Angeklagten (auch) aufgrund des von diesen (hinsichtlich Coleen M***** durch [teilweise] Vorführung der Bild- und Tonaufnahmen ihrer kontradiktorischen Befragung [ON 35 S 26]) gewonnenen persönlichen Eindrucks können erhebliche Bedenken nicht hervorrufen (RIS-Justiz RS0099649). Ebenso wenig Mutmaßungen zu einer Falschbezichtigung des Angeklagten durch die Erstgenannten, die das Erstgericht mit mängelfreier Begründung verneint hat (US 28).

Mit der Kritik am konstatierten Tatzeitraum spricht die Rüge überdies keine entscheidende Tatsache an, weil hier weder Verjährung noch das Schutzalter des Opfers fraglich sind (RIS-Justiz RS0098557) und die Schuldsprüche I bis III jeweils eine gleichartige Verbrechensmenge pauschal individualisierter Taten erfassen, womit die Annahme eines kürzeren Tatzeitraums, mit anderen Worten eine Reduktion der (vorliegend gar nicht konkret bestimmten) Anzahl der deliktischen Übergriffe, den Schuldspruch oder die Subsumtion nicht in Frage stellen würde (RIS-Justiz RS0116736; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33; zur Unbedenklichkeit aus Z 3 vgl im Übrigen Lendl, WK-StPO § 260 Rz 24; RIS-Justiz RS0119552, RS0098795; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 291). Dazu getroffene Aussagen kommen demnach als Gegenstand einer Tatsachenrüge nicht in Betracht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 und 406).

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) zeigt die weitere Tatsachenrüge zum Schuldspruch IV keine Nichtigkeit auf (RIS-Justiz RS0102162).

Soweit die ohne Einschränkung angemeldete Beschwerde auch den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (V) umfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungs-voraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247).

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung (Z 10) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).

Diesen Anforderungen wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht. Auf Basis ihrer Ansicht, das festgestellte Eingeben von (einschlägigen) Suchbegriffen in eine Internetsuchmaschine stelle jedenfalls eine Ausführungshandlung oder zumindest eine ausführungsnahe Handlung dar, womit nach dem Urteilssachverhalt das Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach §§ 15, 207a Abs 3a StGB in objektiver Hinsicht erfüllt sei, vermisst sie nämlich Konstatierungen zur subjektiven Tatseite und ignoriert dabei prozessordnungswidrig die Negativfeststellung der Tatrichter zur - für die angestrebte Subsumtion erforderlichen - Wissentlichkeit, die in der von der Beschwerde ohnehin vollständig wiedergegebenen Urteilspassage (US 12 f) enthalten ist.

Einen diesbezüglichen Begründungsmangel (Z 5) macht die Beschwerdeführerin nicht geltend.

Im Übrigen wäre die Rüge aber mangels Hinweises auf konkrete Verfahrensergebnisse, die das Vorliegen der subjektiven Tatseite indizieren würden, auch unter dem Aspekt eines Feststellungsmangels nicht an den dargestellten Anfechtungskriterien orientiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren demnach - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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