OGH 14Os101/12b

OGH14Os101/12b29.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Thomas M***** und Andreas B***** sowie über die Berufung des Angeklagten Joachim B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 29. Februar 2012, GZ 62 Hv 25/11d-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Thomas M*****, teils aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Thomas M***** betreffenden Schuldspruch B/I und D/I, im Joachim B***** betreffenden Schuldspruch B/I und D/II sowie im Andreas B***** betreffenden Schuldspruch B/II und D/III, demzufolge auch im sämtliche Angeklagte betreffenden Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung und im Einziehungserkenntnis, soweit es die elektronische Feinwaage der Marke DigiWeigh Modell DW 100AX (Standblatt Nummer 762/10 PZ 2) betrifft, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Andreas B***** wird mit seiner den Schuldspruch B/II betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde auf die Aufhebung dieses Schuldspruchs verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden des Thomas M***** und des Andreas B***** werden im Übrigen zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Thomas M*****, Joachim B***** und Andreas B***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A) sowie der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG, die beiden Erstgenannten auch nach Abs 2 dieser Bestimmung (B), Thomas M***** zudem des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 fünfter Fall SMG (C) sowie sämtliche Angeklagte mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs 2 SMG (D) und Andreas B***** zudem eines solchen Vergehens nach § 27 Abs 1 (richtig:) Z 1 dritter Fall und Abs 2 SMG (E) schuldig erkannt.

Gemäß „§ 20 StGB idF vor dem 1. Jänner 2011“ wurden hinsichtlich Joachim B***** 1.400 Euro abgeschöpft und - verfehlt in Beschlussform (§ 443 Abs 1 StPO) - gemäß § 26 StGB iVm § 34 SMG „die in Verwahrung genommenen bzw sichergestellten Gegenstände und Suchtgifte zu Stbl Nr 708/10 (ON 29) und 762/10 (ON 30) eingezogen und vernichtet“.

Nach dem Schuldspruch haben in Salzburg und Mondsee (A/II) vorschriftswidrig Suchtgift

(A) erzeugt, und zwar

I) Thomas M*****, Joachim B***** und Andreas B***** gemeinsam am 30. August 2010 9.846 Gramm Cannabisprodukte mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 6,9 % (Reinsubstanz von 684 Gramm Delta-9-THC), sohin eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) fünfundzwangzigfach übersteigende Menge, indem sie eine von ihnen gemeinsam betriebene Indoorplantage mit 160 Cannabispflanzen abernteten und anschließend trockneten;

II) Thomas M***** von September 2009 bis Mai 2010 zumindest 870 Gramm Cannabisprodukte mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 5 % (Reinsubstanz von 40 Gramm Delta-9-THC), indem er drei Mal eine Indoorplantage mit jeweils 70 Cannabispflanzen aberntete und anschließend trocknete;

(B) angebaut, und zwar

I) Thomas M***** und Joachim B***** gemeinsam im Herbst 2009 durch das Betreiben einer Indoorplantage mit 160 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge;

II) Andreas B***** von Juni bis 1. September 2010 durch das Betreiben einer Indoorplantage mit 16 Stück Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (und zwar 645 Gramm Marihuanaprodukte mit einem Reinheitsgehalt von ca 6 %; US 11);

(C) anderen überlassen, und zwar Thomas M***** von März bis April 2010 mehrmals insgesamt 500 Gramm Cannabisprodukte mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 5 % (Reinsubstanz von 25 Gramm Delta-9-THC), sohin eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge, zum Grammpreis von 7 Euro durch den Verkauf an bislang unbekannte Abnehmer;

(D) Cannabisprodukte für den persönlichen Gebrauch erworben und bis zum Eigenkonsum oder bis zur polizeilichen Sicherstellung besessen, und zwar

I) Thomas M***** von Anfang 2005 bis 1. September 2010;

II) Joachim B***** von Mitte 2008 bis 1. September 2010, wobei er auch Kokain erwarb und konsumierte;

III) Andreas B***** von Anfang 2005 bis 1. September 2010;

(E) für den persönlichen Gebrauch erzeugt, und zwar Andreas B***** im April 2010 zumindest 250 Gramm Cannabisprodukte, indem er eine Indoorplantage mit 16 Cannabispflanzen aberntete und anschließend trocknete.

Dagegen richten sich die jeweils aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Thomas M***** und Andreas B*****, Thomas M***** gründet seine Nichtigkeitsbeschwerde darüber hinaus auf die Z 9 lit a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Zur der gegen den Schuldspruch A/II und B/I gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Thomas M*****:

Zutreffend zeigt die Rüge (nominell aus Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) zum Schuldspruch B/I auf, dass das Urteil keine Konstatierungen zum Reinsubstanzgehalt des Suchtgifts, die zur Beurteilung des Vorliegens einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge jedoch unerlässlich sind, enthält. Zwar ist der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen zu entnehmen, dass die Tatrichter bezüglich des Suchtgifts „Marihuana“ von dem darin enthaltenen Wirkstoff Delta-9-THC ausgegangen sind (so US 8 ff). Der bloße Hinweis, dass Thomas M***** und Joachim B***** damit rechneten, mit den 160 Cannabispflanzen einen Ertrag von mehr als 5.000 Gramm guter Qualität, also ein die Grenzmenge fünfzehnfach übersteigendes Quantum Marihuana zu gewinnen und zu ernten (US 7 f), genügt aber dem Erfordernis, Wirkstoffart und -menge der tatverfangenen Substanz festzustellen, nicht (vgl RIS-Justiz RS0114428, RS0111350).

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen macht eine Aufhebung des Schuldspruchs B/I unumgänglich. Die materiellrechtliche Nichtigkeit war aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden auch hinsichtlich des Angeklagten Joachim B*****, der ein entsprechendes Vorbringen nicht erstattet hat, von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Ein Eingehen auf das weitere, den Schuldspruch B/I betreffende Vorbringen erübrigt sich.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) begehrt die Unterstellung des zu Schuldspruch A/II festgestellten Sachverhalts nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG, fordert damit über den zu A ergangenen Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG hinaus einen weiteren wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG, womit sie Nichtigkeit nicht zugunsten des Angeklagten geltend macht.

Zu der gegen den Schuldspruch A/I und B/II gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Andreas B*****:

Entgegen dem die Feststellung der gemeinsamen Ernte der Cannabispflanzen durch sämtliche Angeklagte laut Schuldspruch A/I (vgl US 10) kritisierenden Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) waren die Tatrichter dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, den vollständigen Inhalt der Aussagen des Thomas M***** und des Joachim B***** im Einzelnen explizit zu erörtern.

Dem Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) zuwider sind die Tatrichter gerade nicht davon ausgegangen, dass Thomas M***** und Joachim B***** den Beschwerdeführer in sämtlichen Aussagen vor der Hauptverhandlung hinsichtlich des Betreuens und Aberntens der Cannabisplantage belastet hätten, sondern davon, dass sie anlässlich ihrer - als nicht überzeugend beurteilten (US 13) - Aussagen in der Hauptverhandlung von den Andreas B***** (dessen geständige Verantwortung im Ermittlungsverfahren die Tatrichter im Übrigen ebenso in ihre Überzeugung einbezogen haben; vgl US 13, ON 5 S 5) bis dahin belastenden Angaben abgegangen sind (US 12). Aktenwidrigkeit ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem Umstand, dass die Tatrichter die Aussagen des Thomas M***** und des Joachim B***** pauschal wiedergegeben haben (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 468).

Die Kritik an der Feststellung zum Motiv, weshalb Thomas M***** und Joachim B***** den Andreas B***** in ihren Tatplan eingeweiht haben (vgl US 9), wendet sich nicht gegen eine Feststellung zu einer entscheidenden Tatsache.

Das weitere Vorbringen kritisiert bloß unter Zugrundelegung eigener Erwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Andreas B***** betreffenden Schuldspruch B/II nicht geltend gemachte, sich zu seinem Nachteil auswirkende und demnach von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) materielle Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet:

Das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG verwirklicht, wer die Cannabispflanze zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift mit dem Vorsatz anbaut, dass es in Verkehr gesetzt werde (RIS-Justiz RS0127351). Konstatierungen zu einer solchen Intention des Andreas B***** sind dem Urteil nicht zu entnehmen.

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen führt zur Aufhebung des Schuldspruchs B/II, womit sich ein Eingehen auf das diesen Schuldspruch betreffende Vorbringen des Andreas B***** erübrigt.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zudem, dass dem sämtliche Angeklagte betreffenden Schuldspruch D nicht geltend gemachte, zum Nachteil gereichende und demnach von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet:

Dem Schuldspruch D zuordenbar ist den Entscheidungsgründen lediglich zu entnehmen, dass in der Wohnung des Thomas M***** 93 Gramm Marihuanaprodukte, in jener des Joachim B***** 3 Gramm Kokain und bei Andreas B***** 45 Gramm Marihuanaprodukte (wobei den Feststellungen nicht zu entnehmen ist, ob diese aus dessen eigener Produktion stammen und solcherart schon mangels Gewahrsamsübergangs von einem Vorbesitzer dem § 27 Abs 1 erster Fall SMG gar nicht zu unterstellen sind; RIS-Justiz RS0119509) sichergestellt wurden (US 10 f). Es fehlen jedoch Konstatierungen zum vorschriftswidrigen Erwerb und Besitz von Suchtgift sowie zum darauf gerichteten Vorsatz der Angeklagten.

Des weiteren überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Einziehungserkenntnis, soweit es die laut Standblatt Nr 762/10 (ON 30) Joachim B***** zugeordnete elektronische Feinwaage der Marke DigiWeigh Modell DW 100AX betrifft, und dem diesen Angeklagten betreffenden Erkenntnis auf Abschöpfung der Bereicherung nicht geltend gemachte, zum Nachteil gereichende und demnach von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO anhaftet:

Die Tatrichter haben weder festgestellt, dass die betreffende Feinwaage zur Tatbegehung verwendet wurde oder verwendet werden sollte, noch, dass die Einziehung wegen ihrer besonderen Beschaffenheit geboten erscheint, um weiteren Straftaten entgegenzuwirken (vgl § 26 Abs 1 StGB), weshalb das Einziehungserkenntnis in diesem Umfang nicht bestehen bleiben konnte.

Durch die Abschöpfung von Vermögensvorteilen nach § 20 Abs 1 Z 2 StGB idF BGBl I 2002/134 soll der Lohn erfasst werden, den der Täter von dritter Seite für seine Tat erhält (Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 57).

Nach den Feststellungen erhielt Joachim B***** „für das Equipment 5.000 Euro von einem Bekannten“. Inwiefern dieser Betrag eine unrechtmäßige Bereicherung bewirkt haben oder als Lohn für eine Straftat an Joachim B***** zugeflossen sein soll, ist den tatrichterlichen Konstatierungen nicht zu entnehmen, sodass auch das Erkenntnis über die Abschöpfung der Bereicherung aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen war.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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