Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch des Angeklagten K***** enthaltenden Urteil wurden dieser des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15 Abs 1, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB (IV./) sowie der Angeklagte DI Wolfgang F***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2 und 15 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.
Danach haben
Willibald K*****
I./ (2./-8./, 10./ und 11./) in der Zeit von August 2009 bis Februar 2011 in den Justizanstalten S***** und St***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in zehn Angriffen auf die im Urteil im Einzelnen bezeichnete Weise dort näher genannte neun Strafgefangene durch Täuschung über Tatsachen, nämlich unter anderem durch die Vorgabe, er könne deren vorzeitige Entlassung bzw Begnadigung erwirken, zu Handlungen, nämlich zur Übergabe von Bargeld und sonstigen Gegenständen verleitet sowie zu verleiten versucht, die diese oder Dritte in einem insgesamt 50.000 Euro (in neun Fällen jeweils 3.000 Euro) übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten;
IV./ Ende 2010 in K***** Andreas Fr***** dazu zu bestimmen versucht, vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, indem er ihm 10.000 Euro dafür bot, dass er in seiner Zeugenvernehmung angibt, die Vorwürfe gegen Willibald K***** seien Teil einer gegen ihn angelegten Intrige und entsprächen nicht der Wahrheit;
III./ (1./-6./) DI Wolfgang F***** zur Ausführung der unter I./2./, 4./-8./ geschilderten Betrugstaten des Willibald K***** mit einem 3.000 Euro übersteigenden Schadensbetrag auf die im Urteil näher dargestellte Weise, unter anderem durch Bekräftigung dessen Angaben, beigetragen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die vom Angeklagten Willibald K***** aus Z 4 und Z 5 und vom Angeklagten DI Wolfgang F***** aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden. Sie verfehlen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Willibald K*****:
Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung am 13. Juni 2012 (ON 77 S 9 iVm ON 73)
1./ Vernehmung der Zeugen Giuliano R*****, Erwin Kr***** und Michael K***** zum Beweis dafür, dass „sich die den Erstangeklagten belastenden Mithäftlinge und Helfer im Rahmen einer geplanten Intrige verschworen haben, ihn wegen Betrugsvorwürfen falsch zu belasten, wobei deren Motiv einerseits Rache für dessen Tätigkeit als Wamser und Spitzel sowie andererseits war, von ihm Zahlungen zu erlangen“,
2./ Vernehmung des Zeugen W***** zum Beweis dafür, dass „der Erstangeklagte die Mithäftlinge H***** und I***** wegen Suchtgiftkonsums gemeldet hatte und diese ihn aus Rache falsch beschuldigen“,
3./ Vernehmung des Zeugen Z***** zum Beweis dafür, dass „der Erstangeklagte den Suchtgiftbunker des Zeugen B***** verraten hatte und dieser ihn aus diesem Grund unrichtig belastet“,
4./ Beischaffung, Auswertung und Vorspielung der Telefongespräche aus dem VOX-Log-System betreffend die Zeugen B***** und Ze***** für den Zeitraum 1. bis 27. April 2012 zum Beweis dafür, dass „sich die Zeugen über und mit dem Bruder des Ze***** über ihre falschen Aussagen verständigt haben und die belastenden Aussagen auf eine Intrige der Mithäftlinge zurückgehen und nicht der Wahrheit entsprechen“ und
5./ Vernehmung des Zeugen Erwin S***** zum Beweis dafür, dass sich die den „Erstangeklagten belastenden Zeugen im Haftraum der JA Korneuburg anlässlich ihrer Vorführung zur Hauptverhandlung abgesprochen hatten, den Erstangeklagten falsch zu belasten und insbesondere der Zeuge H***** den Zeugen Fr***** anstiftete, seine richtigen schriftlichen Angaben zu widerrufen und den Erstangeklagten falsch zu belasten“.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung dieser Beweisanträge Verteidigungsrechte nicht verletzt.
Die Beweisanträge 1./ und 4./ genügten schon mangels näherer Konkretisierung der Beweisthemen (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO) den formellen Erfordernissen für Beweisanträge nicht (RIS-Justiz RS0099301) und waren überdies mangels Angabe von Gründen, weshalb die beantragten Beweisaufnahmen das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten ließen, auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO; RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327, 330).
Schlussfolgerungen (Beweisanträge 2./ und 3./) sind ebenso wie Handlungsmotive eines anderen (Beweisantrag 1./) nicht Gegenstand einer Zeugenaussage (RIS-Justiz RS0097540).
Schließlich muss für eine taugliche Beweisantragstellung der unter Beweis zu stellende tatsächliche Umstand mit Blick auf die dem Schöffengericht bereits vorliegenden Beweisergebnisse in der Lage sein, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0116987, RS0107445; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341 mwN). Dies trifft auf die durch die beantragte Vernehmung des Zeugen Erwin S***** (5./) unter Beweis zu stellende Absprache von zur Hauptverhandlung am 27. April 2012 vorgeführten Zeugen sowie Beeinflussung des Zeugen Andreas Fr***** durch den Zeugen Carl H*****, den Nichtigkeitswerber falsch zu belasten (vgl Schreiben des Zeugen S***** ON 73 S 7 f = ON 69), nicht zu, weil der Zeuge S***** zu diesen Beweisthemen ohnedies bereits (in der Hauptverhandlung vom 27. April 2012) im Sinn dieses Beweisantrags ausgesagt hatte (ON 63 S 91, 93; siehe zur behaupteten Falschbelastung des Nichtigkeitswerbers auch S 96 f) und daher eine weitere Aufklärung durch eine abermalige Vernehmung nicht zu erwarten war.
Inhaltlich aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die Verlesung der Aussage des im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen Ilias Ka***** in der Hauptverhandlung am 13. Juni 2012 (ON 77 S 11 ff).
Gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO dürfen Protokolle über die Vernehmung von Zeugen (statt ihrer unmittelbaren Abhörung) verlesen werden, wenn unter anderem ihr Aufenthalt unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen aus anderen erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden konnte. Die Frage, wann die Suche nach einem Zeugen aufgegeben, sein Aufenthalt damit als unbekannt angesehen werden kann, ist nach der Lage des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Im Allgemeinen sind die Verlesungsvoraussetzungen um so restriktiver zu handhaben, je wichtiger der fragliche Zeugenbeweis für die Wahrheitsfindung ist und je schwerer der dem Angeklagten zur Last liegende Vorwurf wiegt (RIS-Justiz RS0108361).
Nach Erfolglosigkeit einer Ladung des als Asylwerber in einem Heim in Wien gemeldeten, dort auch von Polizeibeamten nicht angetroffenen Zeugen zur Hauptverhandlung am 27. April 2012 sowie einer ebenso erfolglos gebliebenen Hinterlegung eines Verständigungsschreibens an seiner Meldeadresse (vgl ON 63 S 37 sowie US 36) verlief auch die angeordnete polizeiliche Vorführung des Zeugen zur Hauptverhandlung am 13. Juni 2012 (nach dem in der Hauptverhandlung vor der in Rede stehenden Beschlussfassung verlesenen [ON 77 S 8] Bericht des Stadtpolizeikommandos Landstraße [ON 81]) ergebnislos, weil der Zeuge an seiner - der Beschwerde zuwider am Tag der Vorführung durch Anfrage an das Zentralmelderegister erhobenen [ON 81 S 11] einzigen - aktuellen Meldeadresse wiederum ohne Hinweis auf seinen tatsächlichen Aufenthalt nicht angetroffen werden konnte.
Nach solcherart erschöpfenden Versuchen einer Ausforschung des Zeugen war die Verlesung dessen Aussagen im Ermittlungsverfahren gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO zulässig, zumal dem erkennenden Gericht - insbesondere im Hinblick auf die Vernehmung seiner früheren Gattin Masra M***** (ON 59 S 74 ff) - hinreichende Kontrollbeweise zur Verfügung standen (vgl US 36).
Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) betreffend Punkt I./10./ des Schuldspruchs vorbringt, der Zeuge H***** hätte in der Hauptverhandlung angegeben, der Angeklagte hätte ihm zugesagt, „er finanziert ... das Ganze vor“ und H***** solle dafür nach Haftentlassung für ihn Geld aus Marokko schmuggeln (ON 63 S 75), was gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite spreche, gelingt es ihr nicht, Unvollständigkeit im Sinn des genannten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen. Die Tatrichter haben sich mit der Aussage des genannten Zeugen auseinandergesetzt (US 27 ff), waren jedoch - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten, im Urteil den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen die Feststellungen sprechen (RIS-Justiz RS0098377). Im Übrigen bezieht sich das diesbezügliche Vorbringen nicht auf entscheidende Tatsachen, weil damit die inkriminierte vorherige Forderung eines sofort zu zahlenden Geldbetrags von 20.000 Euro nicht in Frage steht (US 15).
Der Beschwerde zuwider sind in Betreff der Urteilsbegründung der festgestellten Absicht des Nichtigkeitswerbers, sich durch die wiederkehrende Begehung von (nach § 147 Abs 2 StGB) qualifizierten Betrugstaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 148 zweiter Fall StGB; US 17, 33), Einkünfte seiner Ehegattin nicht unerörtert geblieben. Vielmehr wurde ein Rückfluss von (durch Familienangehörige desselben unmittelbar vereinnahmten) betrügerisch erlangten Geldern an den Angeklagten unter Berücksichtigung von Sozialtransfereinkünften seiner Ehegattin ausdrücklich konstatiert (US 17). Namhafte Zahlungseingänge auf dem Eigengeldkonto des Nichtigkeitswerbers auch in der Zeit vor den inkriminierten Taten schließen eine Mittelherkunft aus betrügerisch erlangten Geldern im Deliktszeitraum nicht aus und bedurften daher keiner Erörterung.
Im Übrigen spricht die Beschwerde mit dem Vorbringen, bei Berücksichtigung der hier erörterten Verfahrensergebnisse wäre ein (gutgläubiger) Verbrauch der betrügerisch erlangten Gelder durch die Ehegattin und die Kinder des Nichtigkeitswerbers, nicht aber deren Rückfluss an denselben festzustellen gewesen, gar keine entscheidenden Tatsachen an, weil diesfalls mit Blick auf die konstatierten Unterhaltspflichten des Nichtigkeitswerbers gegenüber seiner Ehegattin und fünf minderjährigen Kindern (US 9) eine auch durch die Verringerung von Verbindlichkeiten verwirklichte Einnahme (§ 70 StGB) vorläge (RIS-Justiz RS0092381 [T2 und T5]).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des DI Wolfgang F*****:
Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) betreffend die Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, die als Zeugen vernommenen Opfer hätten bloß ausgesagt, F***** habe die Beteuerungen des K***** bekräftigt, jedoch hätte kein einziger Zeuge angegeben, dass F***** dabei gewesen wäre, als K***** „Geldforderungen für Versprechungen erhob oder konkretere Übergabedetails nannte“, übergeht sie die Aussage des Leopold Ho***** über die Mitunterfertigung eines „Schuldscheines“ durch den Nichtigkeitswerber über die an den Angeklagten K***** geleisteten Zahlungen (ON 63 S 19, ON 23 S 291; vgl US 11).
Soweit der Rechtsmittelwerber kritisiert, das Schöffengericht habe „offenbar aus dem Umstand, wenn jemand falsche prahlerische Versprechungen eines anderen mithört bzw diese bestätigt, mit Sicherheit ableiten zu können, dass man auch über die dahinterstehende betrügerische Forderung Bescheid wisse“, bekämpft er nach Art einer - im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen - Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Mit der Berufung auf den „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) wird keine Nichtigkeit aus Z 5 aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162). Weiters verkennt der Nichtigkeitswerber, dass eine logisch zwingende Begründung der Täterschaft nicht möglich und daher auch nicht gefordert ist (RIS-Justiz RS0111358).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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