OGH 9Ob37/12z

OGH9Ob37/12z26.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** T*****, vertreten durch Dr. Christine Wolf, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Dr. G***** S*****, Rechtsanwalt, *****, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 289.077,53 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandegerichts Wien vom 27. Juni 2012, GZ 16 R 48/12i, 16 R 49/12m-32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwalts, der eine Vertretung übernimmt, gehört die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten (RIS-Justiz RS0038682). Eine unzulängliche Rechtsbelehrung macht den Rechtsanwalt schadenersatzpflichtig (RIS-Justiz RS0023526). Der Anwalt ist insbesondere auch dazu verpflichtet, seinen Mandanten auf die drohende Verjährung von Ansprüchen hinzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0112205; RS0026680). Besteht auch nur die Möglichkeit, dass ein Anspruch verjähren könnte, hat der Rechtsanwalt, sofern damit keine Nachteile für seinen Mandanten verbunden sind, zur Vermeidung der Verjährung die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, selbst wenn bei nicht eindeutiger Rechtslage die Ansicht vertretbar wäre, die Verjährung würde ohnedies nicht eintreten (RIS-Justiz RS0038719). Es gehört also zu den allgemein zu erwartenden Sorgfaltspflichten des Anwalts, seinen Mandanten vor der erkennbaren Gefahr der Verjährung seines Anspruchs zu schützen (RIS-Justiz RS0038682 [T14] = RS00112203 [T6]).

2. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Anwalts allerdings nicht überspannt werden und von ihm nur der Fleiß und die Kenntnis verlangt werden, die seine Fachkollegen gewöhnlich haben (RIS-Justiz RS0026584). Ein Anwalt darf auch grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Information durch seinen Mandanten in tatsächlicher Hinsicht richtig ist. Den Anwalt trifft keine Verpflichtung, eigene Ermittlungen und Prüfungen darüber anzustellen, ob die Information des Mandanten der Wahrheit entspricht, solange er für ihre Unrichtigkeit nicht erhebliche Anhaltspunkte hat (RIS-Justiz RS0026628).

3. Ob ein Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (7 Ob 23/06t ua).

4. Der Kläger macht Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten als seinen ehemaligen Rechtsvertreter geltend, weil seine im Jahr 2006 eingebrachte Klage auf Versicherungsleistungen aus einem Verkehrsunfall im Jahr 1995 wegen Verjährung abgewiesen worden sei.

Fest steht, dass der Beklagte mit dem Kläger die Problematik der Verjährung bereits bei Übernahme des Mandats im Jahr 2003 thematisierte und ihn darauf hinwies, dass nur bei einem Anerkenntnis eine 30-jährige, sonst eine 10-jährige Verjährung gegeben sei. Der Kläger erklärte, dass die Versicherung ein Anerkenntnis abgegeben habe. Sein voriger Rechtsvertreter bestätigte schriftlich und mündlich, dass sie ein Anerkenntnis dem Grunde nach abgegeben habe. Die Versicherung teilte mit, welche Versicherungsleistungen sie bereits erbracht hatte. Trotz schwieriger Informationsbeschaffung lagen dem Beklagten letztlich weitere Unterlagen vor, aufgrund derer er das Vorliegen eines Anerkenntnisses bestätigt erachtete (Drittschuldnererklärung der Versicherung bezüglich eines Teilbetrags; Schreiben eines weiteren der früheren Rechtsanwälte des Klägers, in dem ein Teilanerkenntnis bestätigt wurde). Als weitere Unterlagen nicht mehr zu beschaffen waren, teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Klagseinbringung unter der Voraussetzung der Kostendeckung - Kostenvorschuss oder Bewilligung der Verfahrenshilfe - erfolgen werde. Der Kläger leistete keinen Kostenvorschuss und entschied sich erst im Mai 2006 für die Verfahrenshilfe.

Nach dieser Lage des Falles ist die Ansicht der Vorinstanzen, dass dem Beklagten kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen sei, vertretbar und bedarf keiner Korrektur.

Die Revision ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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