OGH 5Ob185/12k

OGH5Ob185/12k20.11.2012

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** E*****, vertreten durch Dr. Peter Weidisch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei P***** T*****, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl, Dr. Robert Hubner, Dr. Robert Krivanec und Dr. Günther Ramsauer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 15.000 EUR) sowie Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitwert 10.000 EUR) und des Eigentumsrechts (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Juli 2012, GZ 3 R 92/12p‑55, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. März 2012, GZ 8 Cg 122/09y‑50, in der Fassung dessen Berichtigungsbeschlusses vom 13. April 2012, GZ 8 Cg 122/09y‑51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil einschließlich der unangefochten gebliebenen Zurückweisung eines Klageteilbegehrens insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„1) Die Klagebegehren,

a) auf Feststellung, dass das von H***** T***** am 14. November 2008 unterfertigte Testament und Vermächtnis rechtsgültig sei,

b) der Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung

aa) der Dienstbarkeit des lebenslänglichen Wohnungsrechts gemäß Punkt 2a) der letztwilligen Anordnung vom 14. November 2008 hinsichtlich der 576/2160 Anteile an der EZ 135 GB ***** verbunden mit Wohnungseigentum am Haus C und

bb) des Eigentumsrechts an den 75100/231429 Anteilen an der EZ 297 GB ***** verbunden mit Wohnungseigentum an W22,

jeweils zugunsten des Klägers einzuwilligen, werden abgewiesen .

2) Das Klagebegehren, das Testament und Vermächtnis vom 14. November 2008 sei dem Verlassenschaftsverfahren nach der am 21. November 2008 verstorbenen H***** T***** zugrunde zu legen, wird zurückgewiesen .

3) Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit 19.262,62 EUR (darin 2.762 EUR an Umsatzsteuer und 2.696,80 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

Der Kläger ist weiters schuldig, dem Beklagten jeweils binnen 14 Tagen die mit 2.724,06 EUR (darin 454,01 EUR an Umsatzsteuer und 1,80 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 3.187,44 EUR (darin 315,24 EUR an Umsatzsteuer und 1.296 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

H***** T***** (fortan: Erblasserin) starb am 21. 11. 2008 im Landeskrankenhaus *****. Der Kläger war seit 2004 der Lebensgefährte der Erblasserin; der Beklagte ist deren Sohn.

Die Erblasserin war Eigentümerin von 576/2160 Anteilen der EZ 135 GB ***** verbunden mit Wohnungseigentum an Haus C sowie 75100/2314249 Anteilen der EZ 297 GB ***** verbunden mit Wohnungseigentum an W22.

Der Nachlass der Erblasserin wurde aufgrund ihres Testaments vom 19. 1. 1979 dem Beklagten eingeantwortet.

Die Erblasserin unterschrieb am 14. 11. 2008 eine (fremdhändige) letztwillige Verfügung, mit welcher sie (in Punkt I) den Beklagten zum Erben einsetzte sowie dem Kläger [in Punkt IIa) und f)] ein lebenslanges „Wohnrecht“ an ihrem Haus C einräumte und diesem ihre Eigentumswohnung in S*****-H***** „vermachte“.

Der Kläger begehrte mit seiner Vermächtnisklage ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich ‑, (1) Testament und Vermächtnis vom 14. 11. 2008 als rechtsgültig (und rechtswirksam) festzustellen sowie den Beklagten zu verpflichten, in die Einverleibung (2) der Dienstbarkeit des „lebenslänglichen“ Wohnungsrechts am Haus und (3) des Eigentumsrechts an der Eigentumswohnung jeweils zu Gunsten des Klägers einzuwilligen. Die Erblasserin habe am 14. 11. 2008 in Anwesenheit dreier ersuchter Testamentszeuginnen ein formgerechtes fremdhändiges Testament errichtet, in welchem sie dem Kläger die angesprochenen Vermächtnisse bestellt habe.

Der Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren. Die Erblasserin sei im November 2008 infolge fortgeschrittener Erkrankung und medikamentöser Behandlung nicht mehr testierfähig gewesen.

Das Erstgericht gab dem Begehren auf Feststellung und Einwilligung in die Einverleibung statt; ein weiteres Teilbegehren wurde‑rechtskräftig‑zurückgewiesen. Das Erstgericht traf folgende ‑ zusammengefasste ‑ Feststellungen:

Nachdem der Ehegatte der Erblasserin im April 2003 verstorben war, lebte diese ab 2004 mit dem Kläger in einer harmonischen Beziehung. Zwei Kinder des vorverstorbenen Ehemannes konfrontierten die Erblasserin in der Folge mit Pflichtteilsansprüchen, die Gegenstand eines gerichtlichen Vergleichs vom April 2007 waren. Als die Erblasserin sodann von ihrer Krebserkrankung erfuhr, entschloss sie sich, ihre Angelegenheiten neu zu regeln. Sie hatte bereits im Jänner 1979 ein Testament zugunsten des Beklagten errichtet, verfasst dann aber im Jahr 2008 mehrere Testamentsentwürfe, die allesamt ungültig waren, worauf sie der nunmehrige Klagevertreter hinwies.

Ab Oktober 2008 bis zu ihrem Tod befand sich die Erblasserin durchgehend in stationärer Krankenhausbehandlung. Nach einer letzten Chemotherapie am 13. 11. 2008 wurde die Erblasserin nur mehr palliativmedizinisch betreut. Bis dahin war die Erblasserin zwar körperlich erschöpft und häufig schläfrig, jedoch geistig vollkommen klar und ansprechbar.

Am Vormittag des 14. 11. 2008 informierten die Ärzte die Erblasserin und den Kläger, dass es keine erfolgversprechenden Behandlungsmöglichkeiten mehr gebe. Nach dieser Besprechung fuhr der Kläger mit Einverständnis der Erblasserin zu ihrem Rechtsanwalt, um einen bereits vorbereiteten Testamentsentwurf zu holen. Gegen Mittag kam der Kläger mit dem Testamentsentwurf zurück, wies die Erblasserin auf die Abänderung bei der Erbeinsetzung hin und überreichte ihr das Schriftstück zum Lesen. Die Erblasserin setzte sich im Bett auf und las den Entwurf durch. Eine behandelnde Ärztin erklärte sich bereit, als Testamentszeugin zu fungieren und rief noch zwei diensthabende Krankenschwestern dazu.

In Anwesenheit dieser fünf Personen wurde offen darüber gesprochen, dass es sich beim Schriftstück um das Testament der Erblasserin handelt; eine der Krankenschwestern fragte diesbezüglich noch ausdrücklich nach. Die Erblasserin selbst hat den Testamentszeuginnen gegenüber nicht wörtlich gesagt, dass es sich um ihr Testament handelt. Sie hat sich nach den vorerwähnten Gesprächen vor den Testamentszeuginnen (weiter) aufgesetzt bzw aufsetzen lassen, einen Kugelschreiber verlangt und das Testament unterschrieben. Anschließend unterschrieben Dr. V***** F*****, M***** S***** und C***** R***** als Zeuginnen. Die Erblasserin hat ihnen dabei zugesehen und sich nachher bei ihnen bedankt. Für alle Beteiligten, insbesondere auch für die Zeuginnen, war vollkommen klar, dass es darum geht, ein Testament der Erblasserin zu unterschreiben; die Zeuginnen hätten nicht unterschrieben, wenn sie sich nicht sicher gewesen wären, ob dieser Vorgang dem Willen ihrer Patientin entspricht.

Die Erblasserin war anlässlich des Durchlesens und der Unterschriftsleistung vollkommen klar und kognitiv in der Lage, die Situation zu erfassen. Nach der Testamentsunterfertigung wirkte die Erblasserin gelöst. Der Inhalt des unterschriebenen Testaments entspricht dem Willen der Erblasserin.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass sich die Erblasserin hinreichend deutlich zu ihrem Testament bekannt habe. Ihr nonverbales Verhalten, ihr ausgesprochener Dank und ihre danach wahrnehmbare Gelöstheit seien unter den gegebenen Umständen ausreichend deutliche Ausdrucksweisen, um der Formvorschrift des § 579 ABGB zu genügen. Die Erblasserin sei auch testierfähig gewesen. Der Legatsklage sei somit stattzugeben gewesen.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Die Erblasserin habe zunächst nach einem Kugelschreiber verlangt und dann den auf der ersten Seite als Testament bezeichneten, die Worte „letzten Willen“ fett hervorhebenden Text nach offenem Gespräch über den Gegenstand dieses Schriftstücks vor den Testamentszeuginnen unterfertigt. Dies sei nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts unter den gegebenen Umständen als eine vor den Zeuginnen abgegebene „ausdrückliche Erklärung“ der Erblasserin zu werten, dass der von ihr unterschriebene Aufsatz ihren letzten Willen enthalte. Das Ersturteil sei daher zu bestätigen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Es sei durch höchstgerichtliche Judikatur noch nicht eindeutig geklärt, ob dann, wenn ‑ wie hier ‑ vor der Erblasserin von den Anwesenden bzw den Zeuginnen offen über das zu unterschreibende Testament gesprochen werde, die vor den Testamentszeugen erfolgte Unterfertigung durch die Erblasserin als Bekräftigung genüge.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsabweisung. Hilfsweise stellt der Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu dieser keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil die Vorinstanzen die allein noch strittige Rechtsfrage, ob die letztwillige Verfügung vom 14. 11. 2008 im Lichte des § 579 ABGB rechtsgültig zustandegekommen ist, unrichtig gelöst haben.

1.  Rechtsprechung und gesetzliche Grundlage:

1.1.  Die Errichtung letztwilliger Verfügungen ist an strenge, zwingende Formvorschriften gebunden. Diese sollen einerseits dem Testator die Bedeutung seiner Erklärung bewusst machen, sodass er sie mit Überlegung trifft, anderseits Streitigkeiten nach seinem Tod verhindern. Den Formvorschriften kommt demnach sowohl Warn- als auch Beweisfunktion zu. Wurde die Form nicht gewahrt, so ist die Anordnung des Erblassers selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen ungültig (RIS-Justiz RS0012514; 1 Ob 18/74 SZ 47/18; 1 Ob 652/92). Dem in einer letztwilligen Anordnung Bedachten obliegt der Beweis der äußeren Formrichtigkeit (1 Ob 38/68 SZ 41/23 = JBl 1969, 149).

1.2.  Gemäß § 579 ABGB muss der Erblasser ein fremdhändiges Testament eigenhändig unterfertigen und ferner vor drei fähigen Zeugen, wovon wenigstens zwei zugleich gegenwärtig sein müssen, ausdrücklich erklären, dass der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte (Nuncupatio). Die bestehende Rechtslage beruht auf § 55 der 3. Teilnovelle zum ABGB und sollte Zweifel darüber beseitigen, ob die Nuncupatio auch stillschweigend oder durch Zeichen geschehen könne. Der Herrenhausbericht hielt dabei eher eine Verstärkung der Solennitätsvorschriften für angebracht (dazu näher 1 Ob 527/83).

1.3.  Da im Gesetz nicht vorgeschrieben ist, mit welchen Worten der Testator die Erklärung nach § 579 ABGB abzugeben hat, kann jedenfalls nur verlangt werden, dass ihnen entnommen werden kann, der Testator erblicke in dem ihm vorliegenden Schriftstück seinen letzten Willen (RIS‑Justiz RS0015438). Zu RIS‑Justiz RS0012469 wird als Grundsatz formuliert, dass die „ausdrückliche“ Erklärung iSd § 579 ABGB auch mit allgemein angenommenen Zeichen abgegeben werden kann; dies entspricht wohl zumindest überwiegender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs:

1.4.  Zu 3 Ob 369/55 (RZ 1955, 185) erkannte der Oberste Gerichtshof in der Nuncupatio eine Solennitätsvorschrift, die das Unterschieben erschlichener Testamente gegen den Willen des Testators möglichst verhindern solle. § 579 ABGB sei durch die 3. Teilnovelle dahin formuliert, dass die Erklärung ausdrücklich zu erfolgen habe. Eine stillschweigende Erklärung durch schlüssige Handlungen iSd § 863 ABGB soll nach dieser Entscheidung nicht genügen. Dort war allerdings ein Sachverhalt zu beurteilen, nach dem sich der Erblasser auf Nachfrage mit einem wichtigen Teil des Testaments ausdrücklich für einverstanden erklärt hatte. Es lag somit eine rechtswirksame Nuncupatio vor.

1.5.  In 1 Ob 578/57 (SZ 30/66) führte der Oberste Gerichtshof aus, nach dem Gesetz sei die Erklärung des Erblassers vor den Zeugen erforderlich, dass der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte. Diese Erklärung sei Formerfordernis und daher für die Gültigkeit des Testaments wesentlich (GlUNF 4787). Zweck dieser Formvorschrift sei die Feststellung, dass es sich um den letzten Willen des Erblassers handle, und seiner Richtigkeit. Es solle der Unterschiebung erschlichener Testamente gegen den Willen des Erblassers vorgebeugt werden. Dieser Zweck sei erfüllt, wenn der Erblasser das Schriftstück vor den Zeugen ausdrücklich als seinen letzten Willen bestätige. Allerdings müsse diese Erklärung von den anderen Personen wahrgenommen worden sein, weil sie sonst nicht feststellbar sei. Im Anlassfall hatte ein Testamentszeuge den Erblasser darauf aufmerksam gemacht, dass dieser mit dem betreffenden Schriftstück ein Testament errichtet habe, und fragte ihn, ob er mit dessen Inhalt einverstanden sei, was der Erblasser mit „Ja“ beantwortete. Es lag wiederum eine rechtswirksame Nuncupatio vor.

1.6.  In 6 Ob 16/66 (SZ 39/20) berief sich der Oberste Gerichtshof auf die Vorentscheidung 1 Ob 11/31 SZ 13/9 und vertrat die Rechtsansicht, dass die ausdrückliche Erklärung iSd § 579 ABGB auch mit allgemein angenommenen Zeichen abgegeben werden könne. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass der Erblasser bei der vom Testamentsverfasser vorgenommenen Verlesung des Testaments aufmerksam zugehört, durch sein Mienenspiel zu erkennen gegeben hatte, dass er sich über den Inhalt des Testaments freue, dass er zum Zeichen seines Einverständnisses genickt und schließlich nach Unterfertigung des Testaments durch die Zeugen auch selbst unterschrieben hat. Dazu führte der Oberste Gerichtshof aus, dass das festgestellte Verhalten des Erblassers nicht hinsichtlich jeder einzelnen Phase für sich allein, sondern in seiner Gesamtheit der Prüfung zugrunde zu legen und dann als ein Zeichen zu werten sei, das allgemein als ausdrückliche Erklärung, der Aufsatz enthalte den letzten Willen, aufzufassen sei.

1.7.  In 7 Ob 86/73 (EvBl 1973/314, 658) wiederholte der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht, dass die ausdrückliche Erklärung iSd § 579 ABGB auch mit allgemein angenommenen Zeichen abgegeben werden könne. Im beurteilten Fall hatte der Erblasser das fremdhändige Testament in Anwesenheit eines Zeugen gutgeheißen und dann die zwei anderen Zeugen selbst aufgefordert bzw auffordern lassen, das in seiner Anwesenheit nochmals erläuterte Testament zu unterschreiben. Darin sah der Oberste Gerichtshof die Formerfordernisse des § 579 ABGB erfüllt.

1.8. In 1 Ob 527/83 kam der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass im Anlassfall dem § 579 ABGB nicht entsprochen worden war. Der Erblasser hatte die Unterfertigung des Testaments durch die Zeugen mitverfolgt, aber selbst weder ein Wort gesprochen noch ein Zeichen gegeben.

2.  Lehre:

2.1.  Ehrenzweig verstand (in System² II/2 433) die hier fragliche Regelung dahin, dass zwar eine ausdrückliche Erklärung gefordert werde, diese aber iSd § 863 ABGB nicht nur durch Worte, sondern auch durch „allgemein angenommene Zeichen“ erfolgen könne. Die Grenze zwischen ausdrücklichen und stillschweigenden Willenserklärungen sei freilich unsicher, weil es auf den Grad der Deutlichkeit ankomme. Es könne unter Umständen auch das bloße Kopfnicken genügen. Es sei auch hinreichend, wenn der Erblasser den letzten Willen vor den Zeugen unterschreibe.

2.2.  Ehrenzweig/Kralik lassen zwar (in System³, Erbrecht 134) eine stillschweigende Erklärung iSd § 863 ABGB nicht genügen, wohl aber allgemein angenommene Zeichen wie Schrift oder Taubstummensprache.

2.3.  Gschnitzer bezeichnet es (in Erbrecht 34) als zweifelhaft, ob für die ausdrückliche Erklärung des Erblassers allgemein angenommene Zeichen genügen.

2.4.  Weiss (in Klang ² III 311 f) hält § 863 ABGB auf letztwillige Erklärungen überhaupt für unanwendbar; „ausdrücklich“ heiße, wie es den geschichtlichen Grundlagen entspreche, eine wörtliche Erklärung. Eine stillschweigende Erklärung, etwa bloßes Unterfertigen des Aufsatzes, genüge nicht.

2.5. Welser führt (in Rummel ³ § 579 ABGB Rz 6) aus, die Ausdrücklichkeit der Bestätigung heiße wie auch sonst meist im Erbrecht „mit hinreichender Deutlichkeit“, die Zweifel ausschließe, während Ausdrücklichkeit iSd § 863 ABGB nicht gefordert werden dürfe, zumal eine strenge Abgrenzung zwischen ausdrücklicher und stillschweigender Erklärung gar nicht möglich sei und der Erblasser eine ausdrückliche Erklärung bei den von ihm zum Testamentsakt gebetenen Zeugen in der Regel als überflüssig ansehe. Sehe der Erblasser, am Rand des Bettes sitzend, der Unterfertigung des am Beitischchen liegenden Aufsatzes zu, so könne freilich auch unter Zugrundelegung der Auffassung Welsers die nötige Deutlichkeit fehlen. Erforderlich sei, dass die Zeugen aufgrund des Verhaltens des Erblassers den Aufsatz für seinen letzten Willen halten dürften. Verbale Bestätigung sei nicht zu fordern. Allgemein angenommene Zeichen iSd § 863 ABGB genügten. Der Testator müsse sich bloß zu dem Schriftstück als Ausdruck seines letzten Willens „bekennen“.

2.6.  Nach Eccher (in Schwimann ³ § 579 ABGB Rz 3) müsse die ausdrückliche Erklärung (Bekräftigung) des Erblassers, dass der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte, nicht unbedingt verbal, sondern könne auch durch allgemein angenommene Zeichen erfolgen. Eine schlüssige Willenserklärung reiche aber nicht aus. Die Erklärung des Erblassers müsse von anderen Personen, aber nicht unbedingt den Zeugen wahrgenommen worden sein.

2.7.  Apathy verlangt (in KBB³ § 579 ABGB Rz 2), dass der Erblasser vor drei fähigen Zeugen ausdrücklich durch Worte oder allgemein angenommene Zeichen erklärt, der Aufsatz ‑ und zwar die vorliegende Originalurkunde ‑ sei sein letzter Wille.

2.8.  Weiß/Likar-Peer führen (in Ferrari/Likar-Peer , Erbrecht 158) aus, was mit dem Begriff der ausdrücklichen Erklärung gemeint sei, sei im Einzelnen umstritten. Die wohl überwiegende Ansicht verstehe ihn iSd § 863 ABGB und schließe schlüssige Erklärungen daher aus. Allerdings verlange auch die herrschende Meinung nicht, dass die ausdrückliche Erklärung durch eine bestimmte Formel (Wortfolge) erfolge, ja nicht einmal, dass sie überhaupt verbal (durch Worte) geschehe. Als ausreichend würden auch allgemein angenommene Zeichen erachtet.

2.9.  Welser (Die Reform des österreichischen Erbrechts, NZ 2012/1) schlägt (de lege ferenda) vor, die Nuncupatio entfallen zu lassen. Dieses Erfordernis sei den Beteiligten in der Regel unbekannt und werde auch meist nicht eingehalten. Die Entdeckung des Mangels sei vom Zufall oder von besonderen Rechtskenntnissen eines Beteiligten abhängig. Sei es doch geradezu unnatürlich, dass man vom Erblasser gegenüber den Zeugen eine solche Aussage verlange, wo er doch die Zeugen zum Testierakt eigens hergebeten habe und aus den Umständen alle Anwesenden wüssten, worum es gehe. Die Bekräftigung könne also allzu leicht vergessen werden, was zur Ungültigkeit des letzten Willens führe.

2.10.  Rabl (Gefahren des fremdhändigen Testamentes ‑ die Nuncupatio in der Kritik, EF-Z 2012/95) bezieht sich auf einen Fall, bei dem die Nuncupatio gegenüber einer Testamentszeugin ausdrücklich erfolgt war, die Erblasserin aber zu den beiden anderen Testamentszeuginnen, die ihr als solche vorgestellt und die erklärtermaßen zur Unterfertigung des Testaments erschienen waren, kein Wort sagte, diesen allerdings mit einem Lächeln die Hand gab und sich nach dem Unterschriftsvorgang von ihnen verabschiedete; diesfalls war das Vorliegen einer rechtswirksamen Nuncupatio verneint worden (vgl LGZ Graz 5 R 20/11i). Rabl verteidigt in diesem Zusammenhang die Nuncupatio gegen die Kritik von Welser und betont, die Nuncupatio erfülle beim privaten allographen Testament einen besonderen Zweck: Neben der Unterfertigung des Testaments bilde sie die einzige nach außen tretende Verbindung zwischen der von fremder Hand verfassten Urkunde und dem Erblasser. Mit ihr bestätige der Erblasser gegenüber den Zeugen, dass die Urkunde tatsächlich der „Träger seines letzten Willens“ sei.

3.  Schlussfolgerungen:

3.1.  Der Testator hat schon nach dem klaren Wortlaut des § 579 ABGB die Nuncupatio nicht schlechthin gegenüber irgendeiner dritten Person, sondern vor den Testamentszeugen zu erklären. Was sich hier am betreffenden Tag vor dem eigentlichen Unterfertigungsvorgang zwischen der Erblasserin und dem ‑ durch die letztwillige Verfügung begünstigten ‑ Kläger ereignet haben mag, ist daher im Lichte des § 579 ABGB unbeachtlich.

3.2.  Auf das mehr oder weniger auffällige äußerliche Erscheinungsbild des Schriftstücks (als Testament und Vermächtnis) kommt es ‑ offenbar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ‑ ebenfalls nicht entscheidend an. Es reicht nämlich nicht der den Zeugen vermittelte Eindruck, es sei für den Testator augenfällig, dass er ein Testament unterfertigt; vielmehr besteht die Nuncupatio, die ja das Unterschieben eines nicht gewollten Testaments verhindern soll, (darüber hinaus) in der Bestätigung des Erblassers, dass der betreffende „Aufsatz“ gerade seinen letzten Willen beinhalte.

3.3.  Die Unterfertigung der Urkunde durch die Erblasserin ist selbstständige Voraussetzung für die Gültigkeit des (fremdhändigen) Testaments. Mit dieser Unterfertigung die Rechtswirksamkeit der Nuncupatio zu begründen, hieße auf dieses (zusätzliche) Solennitätserfordernis zu verzichten.

3.4.  Welchen Eindruck die Testamentszeuginnen subjektiv im Zuge der Unterfertigung des Testaments gewonnen haben mögen, ist soweit unerheblich, als diese Einschätzung nicht auf ein bestimmtes Verhalten der Erblasserin zurückgeht.

4.  Aspekte der Einzelfallbeurteilung:

4.1.  Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde „in Anwesenheit dieser fünf Personen (Erblasserin, drei Testamentszeuginnen und Kläger) … offen darüber gesprochen, dass es sich beim Schriftstück um das Testament (der ... Erblasserin) handelt; eine der Krankenschwestern fragte diesbezüglich noch ausdrücklich nach“. Ob überhaupt und gegebenenfalls auf welche Weise sich auch die Erblasserin an diesem Gespräch beteiligte, kann den erstgerichtlichen Feststellungen allerdings in keiner Weise entnommen werden.

4.2.  Die Erblasserin hat die Unterschriftsleistung durch die Testamentszeuginnen zwar beobachtet; es steht allerdings nicht fest, dass sie während dieses gesamten Vorgangs auch nur irgendein Wort gesprochen hat, welches sich auf den Inhalt des Schriftstücks und dessen Übereinstimmung mit ihrem letzten Willen bezogen hätte.

4.3.  Der von der Erblasserin nachträglich gegenüber den Testamentszeuginnen bekundete Dank, dessen genauerer verbaler Inhalt ebenfalls nicht feststeht, ist eine ambivalente Verhaltensweise. Die Erblasserin befand sich in ihrer allerletzten Lebensphase; die Testamentszeuginnen waren für sie zuletzt wohl wichtige Ansprech-, Bezugs- und Betreuungspersonen. Der ihnen ausgesprochene Dank kann daher unterschiedlichste Gründe gehabt haben, wie etwa auch die allgemeine retrospektive Anerkennung für entgegengebrachte Zuwendung, Aufmerksamkeit und Pflege. Dass sich diese Danksagung (inhaltlich) konkret auf die Unterfertigung der letztwilligen Verfügung durch die Testamentszeuginnen bezogen hat, ist zwar durchaus möglich, aber nur eine denkbare Betrachtungsweise und auf der Grundlage der vorliegenden Feststellung keineswegs zweifelsfrei ableitbar.

5.  Zusammengefasst folgt daher:

5.1.  Die in § 579 ABGB geforderte Nuncupatio ist ein selbstständiges Solennitätserfordernis, welches nicht schon durch die Unterfertigung der allographen letztwilligen Verfügung erfüllt wird. Der bloße subjektive Eindruck der Testamentszeugen, ob das Schriftstück den letzten Willen des Testators enthält, ist für sich unerheblich, solange dieser Eindruck nicht durch ein bestimmtes Verhalten des Testators vermittelt wird. Die Anforderungen an die Ausdrücklichkeit der Nuncupatio sind (auch) im Hinblick auf ihren Zweck, das Unterschieben einer vom Testator nicht gewollten letztwilligen Verfügung zu verhindern, streng zu prüfen.

5.2.  Es steht nicht fest, dass sich die Erblasserin in irgendeiner Weise am Gespräch darüber beteiligt hätte, wonach die Unterfertigung ihres Testaments bevorstehe. Es steht auch nicht fest, dass die Erblasserin während des gesamten Vorgangs der Unterfertigung der allographen letztwilligen Verfügung auch nur irgendein Wort geäußert hat, welches sich auf den Inhalt dieser Verfügung und dessen Übereinstimmung mit ihrem letzten Willen bezogen hätte. Der den Testamentszeuginnen von der Erblasserin nach der Unterfertigung ausgesprochene Dank ist dann auch unter der gebotenen Berücksichtigung der Umstände des Gesamtvorgangs keine Verhaltensweise, die „als allgemein angenommene Zeichen“ (iSd § 863 ABGB) für eine wirksame Nuncupatio ausreichen könnte.

In Stattgebung der Revision waren daher die auf Feststellung und Einwilligung gerichteten Klagebegehren abzuweisen.

6.  Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im zweiten Rechtsgang war keine neuerliche Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren zu entrichten (Anmerkung 4 zu TP 2 GGG).

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