OGH 1Ob18/74

OGH1Ob18/7427.2.1974

SZ 47/18

Normen

ABGB §577
ABGB §578
ABGB §579
ABGB §601
ABGB §577
ABGB §578
ABGB §579
ABGB §601

 

Spruch:

Dem Grundsatz, daß dem wahren erblasserischen Wissen zu entsprechen sei, findet dort seine Grenze, wo es sich um Formvorschriften für letztwillige Erklärungen im engeren Sinn handelt

Nachträglich eigenhändige Korrekturen des Testators in einem allographen Testament sind nur dann gültig, wenn sie für sich allein einen Sinn ergeben und damit den Bestimmungen eines holographen Testamentes entsprechen

OGH 27. Feber 1974, 1 Ob 18/74 (OLG Innsbruck 1 R 144/73; LG Innsbruck 26 Cg 139/73)

Text

Am 1. Jänner 1970 ist Adolf H verstorben. Dessen Witwe - die Klägerin - hat die bedingte Erbserklärung auf Grund des Testamentes und die Kinder des Erblassers - die Beklagten - haben eine solche auf Grund des Gesetzes abgegeben. Beide Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen und - da sie widersprüchlich waren - der Witwe nach dem Verstorbenen die Klägerrolle zugewiesen. Sie begehrt nun die Feststellung, daß sie Alleinerbin nach dem verstorbenen Adolf H sei.

Während die Zweit-, der Dritt- und der Viertbeklagte das Klagebegehren anerkannt und erklärt haben, nicht weiter verhandeln zu wollen, haben der Erst-, die Fünft- und der Sechstbeklagte das Klagebegehren bestritten und dessen Abweisung beantragt.

Das Erstgericht hat im Sinne der Klagsabweisung entschieden. Er hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Adolf H traf am 21. Dezember 1955 eine letztwillige Verfügung, die mit "Mein letzter Wille" überschrieben, mit Maschine geschrieben und eigenhändig unterschrieben wurde. Handschriftlich wurde hinzugefügt, daß dieser Aufsatz von Adolf H in Gegenwart von drei ersuchten Testamentszeugen als sein letzter Wille bestätigt und unterfertigt wurde. Diese drei Personen haben das Testament als ersuchte Testamentszeugen unterfertigt. Im Punkt 1 dieses Testamentes setzte der Erblasser seine Ehegattin Anna H, geborene P, als Erbin ein. Im Punkt 2 bestimmte er, daß die ehelichen Kinder aus seiner ersten Ehe mit Ruth H, geborene L, nämlich Eva H, die nunmehrige Zweitbeklagte, und Inge H auf den ihnen zustehenden Pflichtteil gesetzt werden. Soweit diese Ansprüche nicht schon zu Lebzeiten des Erblassers abgegolten worden seien, sollte die Erbin diesen Anspruch aus der ihr bzw. der Verlassenschaft zufallenden Versicherungssumme aus den vom Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherungen befriedigen. Hierauf folgen im Testament die Namen der fünf Versicherungsanstalten, bei denen die Lebensversicherungen abgeschlossen wurden, samt Polizzennummern und der jeweiligen Versicherungssumme. Im Punkt 2 folgt weiter eine Verfügung für den Fall, als eine Befriedigung der Pflichtteilsansprüche aus den Lebensversicherungen nicht möglich sein sollte. Schließlich folgt eine Erklärung hinsichtlich des aus der ersten Ehe des Erblassers stammenden Sohnes Werner, nämlich die Erinnerung an den von diesem abgegebenen Erbverzicht. Im Punkt 3 setzte der Erblasser seine Kinder aus der zweiten Ehe mit Anna H, geborene P, auf den ihnen gesetzlich zustehenden Pflichtteil. Es handelt sich dabei um Erich H, den Drittbeklagten, Erwin H, den Viertbeklagten, Renate H, verehelichte X, die Fünftbeklagte, Annemarie H, verehelichte B, die Erstbeklagte und Gerhard H, den Sechstbeklagten. Am 10. Feber 1966 hat der Erblasser Adolf H mit grünem und rotem Kugelschreiber handschriftliche Änderungen an diesem Testament vorgenommen. So hat er im Punkt 1 den Namen "Anna H, geborene P", gestrichen und unterhalb der Streichung die Worte:"Frieda H, geborene M - 13. 9. 1909" eingesetzt. Im Punkt 2 strich er drei der dort aufscheinenden Lebensversicherungsverträge, setzte vor die übrigen ein Fragezeichen und fügte an ihrer Stelle zwei weitere Verträge an. Im Punkt 3 folgten Streichungen und Änderungen bzw. Ausbesserungen. Schließlich schrieb er neben seiner Unterschrift aus dem Jahre 1955 die Worte:"Berichtigt am 10. 2. 1966 H Adolf." Mehrere mit Bleistift geschriebene Worte, Striche und Fragezeichen in den Punkten 2 und 3 stammen nicht von der Hand des Erblassers.

Diesen Sachverhalt beurteilte der Erstrichter rechtlich dahin, daß es sich bei der letztwilligen Verfügung vom 21. Dezember 1955 in seiner ursprünglichen Fassung um ein formgültiges Testament im Sinne des § 579 ABGB handelte. In der nun vorliegenden Form, nämlich nach den vom Erblasser nachträglich durchgeführten Streichungen, Änderungen und Beifügungen, stelle das Schriftstück jedoch kein gültiges Testament mehr dar. Die vom Erblasser vorgenommene Berichtigung sei weder im Hinblick auf eine allfällige Erbeinsetzung noch hinsichtlich der vorgeschriebenen äußeren Form als gültige letztwillige Verfügung anzusehen. Es möge zwar richtig sein, daß es der Wille des Erblassers gewesen sei, am 10. Feber 1966 die Klägerin als Erbin einzusetzen. Dieser Wille sei jedoch nicht in gültiger Form bekundet. Die Worte: "Frieda H, geborene M - 13. 9. 1909" die eigenhändig geschrieben worden seien, stellten für sich allein keine letztwillige Verfügung dar, vor allem nicht die Einsetzung eines Erben. Sie seien losgetrennt vom eigentlichen Text des Testamentes vom 21. Dezember 1955 zu betrachten und auch zusammen mit der Unterschrift des Erblassers nicht als eigenhändiges Testament anzusehen. Damit die Abänderung weiterhin den Formvorschriften für ein allographes Testament genügen würde, hätte der Erblasser die Berichtigung erneut neben seiner eigenen Unterschrift auch von drei Zeugen unterfertigen lassen müssen. Es sei unrichtig, daß das Schriftstück in seinem fremdschriftlichen Teil den Vorschriften eines allographen Testamentes, hingegen in seinem handschriftlichen Teil jenen einer holographen letztwilligen Verfügung entspreche. Beide Formvorschriften können nicht willkürlich miteinander verquickt werden. Die Behauptung der Klägerin, der Erblasser habe bereits zu Lebzeiten wiederholt erklärt, er werde sie zur Erbin einsetzen, wäre nur dann von Bedeutung, wenn tatsächlich ein formgültiges Testament vorläge. Da sich die Klägerin auf eine solche letztwillige Verfügung nicht stützen könne, sei das Klagebegehren abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist davon auszugehen, daß die letztwillige Verfügung vom 21. Dezember 1955 in ihrer ursprünglichen Fassung den gesetzlichen Erfordernissen eines allographen Testamentes im Sinne des § 579 ABGB entsprochen hat. Zu untersuchen ist, ob die vom Erblasser am 10. Feber 1966 eigenhändig vorgenommenen Streichungen, Abänderungen und Hinzufügungen diesem Schriftstück den Charakter einer letztwilligen Verfügung genommen haben. Diese Frage ist in Übereinstimmung mit der Ansicht der Vorinstanzen zu bejahen. Wenn es auch richtig ist, daß ein Testament zum Teil als fremdhändiges, zum Teil als eigenhändiges gelten kann (siehe hiezu Ehrenzweig[2] II/2, 427, Weiß in Klang[2] III, 302), so haben die Vorinstanzen doch zutreffend erkannt, daß in einem solchen Fall die vom Erblasser eigenhändig geschriebenen Bestimmungen nur dann gelten, sofern sie für sich allein einen Sinn ergeben (Ehrenzweig, 427). Diesen Standpunkt haben schon Pfaff - Hofmann (Kommentar zum ABGB, II/1, 152) vertreten, wenn sie ausführen, es seien Korrekturen in einem allographen Testament, welche erwiesenermaßen nach der Unterfertigung der Zeugen vorgenommen wurden, ungültig; es sei dies auch nicht anders, wenn die Korrekturen vom Testator selbst gemacht sind. Aber auch diese Autoren vertreten die Auffassung, daß es gestattet sei, ein allographes Testament durch ein holographes Testament oder Kodizill teilweise zu ändern; ja es sei unbedenklich, das Kodizill auf dasselbe Blatt unter die Unterschriften zu schreiben Sie fahren aber fort, daß gerade deshalb nicht das geringste Bedürfnis nach einer Korrektur durch Änderungen am Kontexte selbst bestehe deren Gestattung zu großen Unzukömmlichkeiten führen würde. Es wird also auch hier die Auffassung vertreten, daß nachträgliche eigenhändige Korrekturen des Testators in einem allographen Testament nur dann Gültigkeit besitzen, wenn sie für sich allein einen Sinn ergeben, d.

h. den Bestimmungen eines holographen Testamentes entsprechen. Dem steht auch die Auffassung von Weiß in Klang[2] III, 309 f. nicht entgegen, der die Meinung vertritt, daß der Erblasser, wenn er willens und in der Lage ist, nachträglich eigenhändige Änderungen vorzunehmen, diesen durch eigenhändige Unterschrift die Kraft einer eigenschriftlichen letztwilligen Erklärung zu geben vermag.

Legt man diese Lehrmeinungen, denen sich der Oberste Gerichtshof anschließt, dem gegenständlichen Fall zugrunde und geht man darüber hinaus von der einhelligen Auffassung aus, daß der Testator in einem allographen Testament sehr wohl einfache Streichungen wirksam vornehmen kann, dann stellt das Schriftstück vorn 21. Dezember 1955 kein Testament mehr dar, weil einerseits die vom Erblasser vorgenommene Streichung der Anna H als Universalerbin wirksam vorgenommen wurde, andererseits die Einfügung "Frieda H, geborene M - 13. September 1909" auch im Zusammenhang mit den übrigen Korrekturen für sich allein weder eine Erbeinsetzung noch sonst einen Sinn ergibt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß Adolf H die eigenhändig vorgenommenen Korrekturen am Ende des Schriftstückes mit seiner Unterschrift und dem Hinweis "Berichtigt am: 10. Feber 1966" deckte. Die Untergerichte haben vielmehr zutreffend erkannt, daß die vorgenommenen Korrekturen nur dann Gültigkeit hätten, wenn hinsichtlich derselben ebenfalls die Formerfordernisse eines fremdhändigen Testamentes eingehalten worden wären. Daran ändert auch der Grundsatz nichts, daß dem wahren erblasserischen Willen zu entsprechen sei, denn eine Grenze für diesen Auslegungsgrundsatz ergibt sich dort, wo es sich um Formvorschriften für letztwillige Erklärungen im engeren Sinne (§§ 577 ff. ABGB) handelt. An der kategorischen Bestimmung des § 601 ABGB findet jede Auslegung eine unübersteigliche Schranke (siehe auch hiezu Weiß, 221).

Wenn die Revisionswerberin schließlich meint, das Schriftstück vom 21. Dezember 1955 stelle in der abgeänderten Fassung ein Testament mit der Einsetzung ihrer Person als Universalerbin auch dann dar, wenn man die nachträglich vorgenommene Einfügung ihres Namens als ungültig ansehen wollte, weil es nach Streichung des Namens Anna H noch immer heiße "Als Universalerbin ... setze ich meine Ehegattin ..." ein, so übersieht sie, daß mit den Worten "meine Ehegattin" vom Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes eindeutig seine damalige Frau Anna H und nicht die Klägerin gemeint war.

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