OGH 6Ob183/12y

OGH6Ob183/12y16.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GesmbH, *****, vertreten durch Mag. Peter Hauswirth, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** M*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. R***** M*****, dieser vertreten durch Dr. Herbert Wabnegg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Juni 2012, GZ 38 R 49/12f-50, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin zweier Wohnungen im selben Stockwerk eines Hauses, nämlich von Top Nr. 11 und Nr. 12, der Beklagte ist deren Mieter.

Von der Errichtung des Untermietvertrags am 20. 3. 2010 bis jedenfalls zur Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung Mitte Mai 2010 wohnte die Familie eines Neffen des Beklagten in der Wohnung Top Nr. 12. Der Untermietvertrag wurde für die Dauer eines Jahres geschlossen, wobei ein monatliches Entgelt von 350 EUR vereinbart war. Nach dem Auszug des Neffen stand die Wohnung leer. Dem Beklagten wird für die Wohnung Top Nr. 12 monatlich ein Mietzins von 109,31 EUR (inkl BK und USt) vorgeschrieben.

„Im zeitlichen Umfeld zur Einbringung der Aufkündigung“ wurde die Wohnung Top Nr. 11 von niemandem regelmäßig zu Wohnzwecken genutzt. Ein Sohn des Beklagten nützte die Wohnung zum gelegentlichen Aufenthalt als „Absteige“, wobei er im Übrigen mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn (anderswo) in Wien wohnt. Der Beklagte und seine beiden Söhne kommen manchmal auf Besuch in die Wohnung Top Nr. 11 und halten sich dort tagsüber auf, wobei sie ihre persönlichen Sachen anderweitig aufbewahren.

Die gerichtlichen Aufkündigungen betreffend die Top Nr. 11 und Nr. 12 wurden jeweils am 10. 5. 2010 erlassen. Da für den Beklagten während des Verfahrens dessen Sohn zum Sachwalter bestellt wurde und dieser die bisherigen Verfahrenshandlungen nicht genehmigte, wurden die gerichtlichen Aufkündigungen am 15. 12. 2010 an den Beklagtenvertreter, der vom vormaligen Sachwalter des Beklagten bevollmächtigt worden war, neuerlich zugestellt.

Die Klägerin stützt ihr Kündigungsbegehren betreffend beide Wohnungen jeweils auf erheblich nachteiligen Gebrauch, unleidliches Verhalten, strafbare Handlungen („alle Fälle des § 30 (1) Z 3“), mangelnden dringenden Wohnbedarf „§ 30 (1) Z 6“ und auf gänzliche Untervermietung bzw Untervermietung zu einem überhöhten Mietzins („alle Fälle des § 30 (1) Z 4“).

Das Erstgericht erklärte die gerichtlichen Aufkündigungen vom 10. 5. 2010 hinsichtlich beider Wohnungen für rechtswirksam und gab den Räumungsbegehren statt. Bei der Wohnung Top Nr. 12 liege der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 1 Z 4 MRG vor, weil diese Wohnung zur Gänze weitergegeben worden sei und der Untermietzins weit überhöht sei. Bei der Wohnung Top Nr. 11 liege eine Nichtbenützung iSd § 30 Abs 1 Z 6 MRG vor. In beiden Fällen bestehe kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und führte rechtlich aus, der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG sei bei beiden Wohnungen verwirklicht. Die Kündigungstatbestände seien entgegen der Ansicht des Beklagten hinreichend individualisiert worden, indem die Klägerin nicht nur die Gesetzesbestimmung angeführt, sondern auch formuliert habe, dass der Kündigungsgrund der gänzlichen Untervermietung bzw der Untervermietung gegen überhöhten Mietzins (alle Fälle des § 30 Abs 1 Z 4 MRG [richtig: Abs 2]) geltend gemacht werde. Es schade nicht, dass in den Aufkündigungen statt „Abs 2“ unrichtig „Abs 1“ zitiert worden sei, weil daneben eine verbale Kurzbeschreibung der Kündigungstatbestände erfolgt sei. Auch wenn die Aufkündigungen der Wohnungen zum Kündigungstermin 30. 6. 2010 erst am 15. 12. 2010 zugestellt worden seien und nicht rückwirkend wirksam werden könnten, sehe § 33 Abs 1 MRG iVm § 563 Abs 2 ZPO vor, dass eine verspätet zugestellte gerichtliche Aufkündigung für den ersten späteren Kündigungstermin wirksam werde, für den die Frist zum Zeitpunkt ihrer Zustellung noch offen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, die unzulässig ist.

1. Zur Auswirkung der Nichtigerklärung der ersten Zustellung der Aufkündigungen auf die Rechtswirksamkeit der Aufkündigungen:

Laut rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 20. 10. 2010 sind die erstmaligen Zustellungen der Aufkündigungen nichtig. Die Zustellungen der Aufkündigungen am 15. 12. 2010 waren aber wirksam. Die Aufkündigungen wurden infolge der Einwendungen durch den Beklagten für den ersten späteren Kündigungstermin wirksam, für den die Frist zum Zeitpunkt ihrer Zustellung noch offen war (§ 563 Abs 2 letzter Satz ZPO in der hier maßgeblichen Fassung der ZVN 2009, BGBl I 2009/30; vgl Art XIV Abs 1 leg cit). Nach dem Klagsvorbringen und den vom Beklagten selbst vorgelegten schriftlichen Mietverträgen beträgt die Kündigungsfrist jeweils einen Monat, sodass die Aufkündigungen zum Kündigungstermin 31. 1. 2011 wirksam wurden.

2. Zur fehlerhaften Bezeichnung der Gesetzesstellen der Kündigungsgründe:

Die gerichtliche Aufkündigung ist eine formstrenge Prozesshandlung (RIS-Justiz RS0000067). Sie muss den Voraussetzungen eines Exekutionstitels entsprechen (RIS-Justiz RS0000067 [T4]). Die Kündigungsgründe müssen zwar schon in der Kündigung individualisiert werden; dabei genügt aber eine schlagwortartige Angabe. Das Gericht darf bei der Wertung des Vorbringens nicht kleinlich vorgehen (RIS-Justiz RS0000067 [T5, T6]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Zitierung von „Abs 2“ statt richtig „Abs 1“ schade nicht, weil daneben eine verbale Kurzbeschreibung der Kündigungstatbestände erfolgt sei, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

3. Gegen das Vorliegen des vom Berufungsgericht angenommenen Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 6 MRG betreffend beide Wohnungen wendet sich der Revisionswerber nicht. Ob - wie der Revisionswerber meint - die Kündigungsgründe nach § 30 Abs 2 Z 3 und 4 MRG ausreichend individualisiert wurden, ist daher irrelevant.

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