OGH 3Ob192/12z

OGH3Ob192/12z14.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung (§ 36 EO; Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. August 2012, GZ 47 R 242/12d-16, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. April 2012, GZ 53 C 12/11z-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Dem Exekutionsverfahren, in dessen Zuge die Impugnationsklage erhoben wurde, liegt als Titel ein am 6. Juli 2010 vor dem Handelsgericht Wien geschlossener Unterlassungsvergleich zugrunde, in dem sich die damalige Beklagte (nunmehr Impugnationsklägerin) gegenüber der Klägerin (nunmehr Impugnationsbeklagte) - sehr verkürzt - zur Unterlassung verpflichtete, bei der Werbung mit von der österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) veröffentlichten Auflagezahlen unterschiedliche Kategorien zu vermengen. Im Titel wird zum Teil auf ÖAK-Auflagenkategorien Bezug genommmen und in dem für das nunmehrige Verfahren relevanten Punkt 1.2 des Titels auf „ÖAK-Kategorien“.

Mit Beschluss vom 8. April 2011 hat das Erstgericht die Exekution nach § 355 EO bewilligt und eine Geldstrafe verhängt; aufgrund von entsprechenden Strafanträgen der betreibenden Partei wurden mit drei weiteren Beschlüssen Geldstrafen verhängt. Rekurse der verpflichteten Partei blieben erfolglos.

Das Erstgericht wies die auf Unzulässigerklärung des erstgerichtlichen Beschlusses vom 8. April 2011 und der drei weiteren Strafbeschlüsse gerichtete Impugnationsklage ab. Es traf ua die Feststellung, dass die betreibende Partei in ihrem seinerzeitigen Urteilsbegehren nicht nur Unterlassungen begehrt hatte, die sich - so wie in der Klageerzählung - auf ÖAK- Auflagenkategorien beziehen, sondern exakt jene Feststellung durch das Titelgericht beantragt hatte, die sich wortgleich im schließlich geschlossenen Vergleich unter Punkt 1.2 wieder findet, wo allgemein von „ÖAK-Kategorien“ gesprochen wird. Die betreibende Partei hat die Formulierung in Punkt 1.2 des Vergleichs (ident mit Punkt 6.1.1.2. des Urteilsbegehrens) bewusst weit gefasst, um sämtliche Kategorien, die sich aus den ÖAK-Auflagenlisten ableiten lassen und welche für eine irreführende und somit unlautere Verwendung zur Verfügung stehen, zu erfassen. Es war nicht der Wille der betreibenden Partei bzw ihrer Vertreter, einen Exekutionstitel zu erlangen, der bloß Vergleiche von Auflagen-Kategorien verpönt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Impugnationsklägerin den ihr obliegenden Beweis eines ausschließlich auf Auflagenkategorien-Vergleiche gerichteten Parteiwillens nicht erbracht habe.

Das Berufungsgericht sah (inhaltlich) die Beweisrüge als irrelevant an, weil ein dem Klagebegehren entsprechender Vergleich - ebenso wie ein Versäumungs- oder Anerkenntnisurteil - mangels abweichender ausdrücklicher Erklärungen nach seinem objektiven Erklärungswert auszulegen sei; aus diesem Grund sei auch die von der Impugnationsklägerin behauptete sekundäre Mangelhaftigkeit zu verneinen. Der Begriff „ÖAK-Kriterien“ umfasse neben den Auflagenkriterien auch die Meldekriterien, weshalb die Impugnationsklägerin nach dem Wortsinn jeweils gegen den Exekutionstitel verstoßen habe. Die Revision wurde wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zugelassen.

Das Vorbringen der Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision lässt sich dahin zusammenfassen, dass mit Impugnationsklage auch geltend gemacht werden könne, dass der Wortlaut eines Vergleichs von der wahren Parteiabsicht abweiche. Auf die Auslegung von Prozessvergleichen seien § 914 ABGB und die Vertrauenstheorie anzuwenden. Angesichts des Umstands, dass die betreibende Partei im Titelverfahren ausschließlich den Vergleich von Auflagenkategorien (Randnummern 84 und 86 der ÖAK-Richtlinien) inkriminiert habe, sei auch der Vergleich so zu verstehen, dass davon nur Auflagenkategorien erfasst gewesen seien. Ein wahrheitsgetreuer Vergleich von Auflagenzahlen unterschiedlicher Meldekategorien wäre nach den ÖAK-Richtlinien nicht per se verboten und auch nicht vom Vergleich umfasst. Die Vorentscheidungen würden an sekundären Feststellungsmängeln leiden.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) dargestellt.

1. Anders als ein Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung (RIS-Justiz RS0000205) kann eine Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO auch auf die Behauptung gestützt werden, dass die Formulierung des den Exekutionstitel bildenden gerichtlichen Vergleichs nicht die Leistungspflicht wiedergibt, wie sie nach der Absicht der Vergleichsparteien bestehen sollte (vgl RIS-Justiz RS0000656). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, dass der Vergleich seinem Text nach „Anerkenntnischarakter“ hat, weil Vergleiche generell nach den Kriterien der §§ 914 ff ABGB auszulegen sind (RIS-Justiz RS0017805 [T5] ua). Für die Beurteilung der „Absicht“ der Parteien iSd § 914 ABGB kommt es maßgebend auf den Zweck der getroffenen Regelung an, den beide Teile redlicherweise unterstellen mussten (3 Ob 125/05m = SZ 2005/190 = RIS-Justiz RS0017915 [T23]). Die Erklärungen von Parteien sind im Sinne der „Vertrauenstheorie“ nach ihrem Erklärungswert für den Empfänger zu verstehen (vgl RIS-Justiz RS0017915 [T27]).

2. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob der Punkt 1.2 des Vergleichs vom 6. Juli 2010 nach der seinerzeit erklärten Absicht der Vergleichsparteien nicht nur den Vergleich unterschiedlicher „ÖAK-Auflagenkategorien“, sondern auch unterschiedlicher ÖAK-(Melde-)Kategorien erfassen sollte.

3. Das Bestreben der Impugnationsklägerin geht dahin, die vom Wortlaut des Titels abweichende Parteienabsicht mit Urkundenbeweis nachzuweisen (siehe etwa Seite 5 der Berufung ON 11: „Die Beklagte misst dem Exekutionstitel nachträglich einen Inhalt bei, den sie selbst bei objektiver Auslegung ihrer Prozesserklärungen im Titelverfahren niemals geltend gemacht hat.“).

4. Die Rechtsprechung betont, dass die materielle („innere“) Beweiskraft einer Urkunde eine Frage der Beweiswürdigung ist (RIS-Justiz RS0017911 [T3]). So ist die Erforschung der wahren Absicht der Parteien eine Beweisfrage, wenn (auch) andere Beweismittel als die Urkunde herangezogen werden; insoweit werden Tatsachenfeststellungen getroffen (6 Ob 61/05x = RIS-Justiz RS0017911 [T10] = RS0043369 [T12]). Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass dann, wenn allein die (auszulegende) Urkunde als Beweismittel zur Verfügung steht, nur deren objektiver Erklärungswert maßgeblich sein kann.

5. Die Ansicht der Vorinstanzen, der Wortlaut des Punkts 1.2 des Titels spreche - auch im Zusammenhang mit den festgestellten Prozesserklärungen im Titelverfahren - für den Standpunkt der betreibenden Partei, ist durchaus vertretbar. Letztlich kann die Auslegung des Exekutionstitels nur einzelfallbezogen vorgenommen werden (RIS-Justiz RS0042769, RS0044358 [T18]; RS0113785), weshalb keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt.

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