OGH 3Ob179/12p

OGH3Ob179/12p17.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft H*****, vertreten durch den Hausverwalter Mag. M*****, vertreten durch Mag. Hubertus P. Weben, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. W*****, und 2. I*****, beide vertreten durch Dr. Karl Ulrich Janovsky, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (7.200 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Mai 2012, GZ 1 R 284/10m-38, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 2. Mai 2010, GZ 15 C 471/08y-27, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 614,86 EUR (darin 102,48 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrt unter Berufung auf ein vereinbartes bzw gutgläubig ersessenes Park- und Durchfahrtsrecht im Wesentlichen die Verpflichtung der Beklagten, es ab sofort zu unterlassen, die Durchfahrt über ihre Grundstücke und das Parken auf ihren Grundstücken zu verhindern. Bei Präzisierung ihres Begehrens ON 17/Seite 5 f) verwies die klagende Partei auf den einen Bestandteil des Urteilsbegehrens bildenden Vermessungsplan.

Zur Begründung ihrer aktiven Klagslegitimation berief sich die klagende Partei auf § 18 Abs 2 WEG 2002, wonach Unterlassungsansprüche abgetreten werden könnten, sowie auf das Abstimmungsergebnis hinsichtlich einer Klageführung.

Die Beklagten wandten ua die mangelnde Aktivlegitimation der klagenden Eigentümergemeinschaft ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Infolge Berufung der beklagten Parteien änderte das Berufungsgericht das Ersturteil auch im zweiten Rechtsgang im klageabweisenden Sinn ab.

Es stellte ergänzend fest, dass der Hausverwalter der klagenden Partei im Zeitraum zwischen 21. Februar 2008 und 4. März 2008 die Miteigentümer der Wohnanlage im Wege eines Umlaufbeschlusses über zwei Alternativen abstimmen ließ:

Variante A): „Rechtsstreit über ersessenes Recht, Rückbau der Parkplätze“;

Variante B): „Verzicht auf allfälliges ersessenes Recht auf dem Nachbargrund, Festhalten an jetziger Parkplatzsituation.“

Das Ergebnis dieses Umlaufbeschlusses wurde vom Hausverwalter dahingehend festgehalten, dass 73,43 % der gesamten Anteile der Wohnanlage (dem Rechtsstreit) zustimmend, 16,46 % dagegenstimmend und 10,11 % sich der Stimme enthaltend abgestimmt haben.

Es kann nicht festgestellt werden, welcher konkrete Rechtsstreit über ein ersessenes Recht bzw den Rückbau der Parkplätze in den Abstimmungszetteln des Umlaufbeschlusses gemeint war, mit welchem konkreten Klagebegehren ein solcher Rechtsstreit geführt werden sollte oder ob bei den Stimmzetteln ein Klageentwurf oder ein sonstiges Schreiben beigeschlossen war. Es kann auch nicht festgestellt werden, welcher konkrete Rechtsstreit über ein ersessenes Recht von jenen Wohnungseigentümern, welche bei dieser Abstimmung mit „pro“ stimmten, gewollt und beabsichtigt war.

Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Berufungsgericht zugrunde, dass es zur Begründung der Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft der Abtretung nach § 18 Abs 2 WEG bedürfe. Weil die Willensbildung zu wenig bestimmt erscheine (der Klagegrund des einzuleitenden Rechtsstreits sei unklar geblieben), sei es nicht zu einer - zumindest konkludenten - Abtretung des Unterlassungsanspruchs durch einen bzw alle zustimmenden Wohnungseigentümer gekommen; daher sei die Klägerin nicht zur Durchsetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs legitimiert.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision mit der Begründung zu, dass keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob eine in Form eines Umlaufbeschlusses erfolgte Willensbildung mit der Fragestellung „Rechtsstreit über ersessenes Recht“ als zumindest stillschweigende Abtretung eines Unterlassungsanspruchs durch einen Wohnungseigentümer an die Eigentümergemeinschaft anzusehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig:

1. In dem im ersten Rechtsgang ergangenen, die Berufungsentscheidung aufhebenden Beschluss des Senats (3 Ob 140/11a wobl 2012/70, 195 [Terlitza] = immolex 2012/26, 83 [Prader]) wurde dem Berufungsgericht aufgetragen, nach allfälliger Erörterung des Parteivorbringens ergänzende Feststellungen zu treffen, die beurteilen lassen, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zumindest stillschweigend abgetreten und die Abtretung von der klagenden Partei angenommen wurde.

2. Dieser Auftrag beruht auf der - mittlerweile vom 5. Senat (5 Ob 71/12w = ZVB 2012/103, 348 [Michl]) - geteilten Rechtsauffassung, dass die Geltendmachung von Ansprüchen eines Wohnungseigentümers durch die Eigentümergemeinschaft eine wirksame Abtretung erfordert; die interne Willensbildung ist hingegen keine Gültigkeitsvoraussetzung.

3. Nach den Feststellungen wurde ein ausdrückliches Abtretungsanbot eines Wohnungseigentümers oder mehrerer Wohnungseigentümer ebenso wenig abgegeben wie eine ausdrückliche Annahmeerklärung in Bezug auf die Abtretung. Der in diesem Zusammenhang in der Revision gerügte Mangel des Berufungsverfahrens, der darin gelegen sein soll, dass der bereits im Verfahren erster Instanz als Zeuge vernommene Hausverwalter nicht neuerlich zu den „Modalitäten der Abtretung“ vernommen wurde, ist schon deshalb nicht verwirklicht, weil die klagende Partei in der Berufungsverhandlung nicht die neuerliche Einvernahme des Zeugen zu dem vom Berufungsgericht bekannt gegebenen Thema der Beweisergänzung beantragt hat. Darüber hinaus legt die Revision nicht dar, worin die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels liegt, also welche Feststellungen zur „Modalität der Abtretung“ nach neuerlicher Einvernahme des Hausverwalters getroffen worden wären.

4. Die auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhende Beurteilung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall liege nicht einmal eine schlüssige Abtretungsvereinbarung vor, entspricht den Leitlinien der oberstgerichtlichen Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf:

4.1. Die Annahme einer schlüssigen Erklärung setzt gewisse Kenntnisse des Erklärenden über die im Zeitpunkt seines Verhaltens vorliegenden maßgeblichen Umstände voraus (1 Ob 36/00a mwN). Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0109021 [T1]).

4.2. Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft betreffen die interne Willensbildung (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 24 WEG Rz 3). Gegen die Wertung einer „pro Rechtsstreit“-Stimmabgabe eines einzelnen Wohnungseigentümers im Umlaufbeschlussverfahren als gleichzeitig gestelltes (konkludentes) Abtretungsanbot iSd § 18 Abs 2 WEG spricht schon, dass der Verwalter erkennbar den Willen der Mehrheit der Wohnungseigentümer erforschen wollte, weshalb der Qualifizierung einer einzelnen „Pro“-Stimme als konkludentes Abtretungsanbot des einzelnen Wohnungseigentümers entgegensteht, dass für den Verwalter als Vertreter der Eigentümergemeinschaft sehr wohl zweifelhaft sein musste, ob der einzelne Wohnungseigentümer bloß durch sein Abstimmungsverhalten einen individuellen Abtretungswillen äußern wollte.

4.3. Dazu kommt der bereits vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, dass die Information der Eigentümer anlässlich des Umlaufbeschlussverfahrens über die beiden zur Abstimmung gebrachten Varianten (A oder B) offen ließ, welcher konkrete Rechtsstreit überhaupt zu führen ist.

Der Revision ist in diesem Zusammenhang zwar darin beizupflichten, dass die „Negativfeststellung“ des Berufungsgerichts zumindest auch Elemente der rechtlichen Beurteilung enthält. Allerdings begegnet diese Beurteilung im Hinblick auf die Feststellung, dass in Ansehung der Variante A nur die Information „Rechtsstreit über ersessenes Recht, Rückbau der Parkplätze“ erteilt wurde, keinen Bedenken.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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