OGH 8ObA55/12i

OGH8ObA55/12i13.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Robert Schneider und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.-Päd. Ing. J***** F*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Dr. Christine Ulm, Rechtsanwältin in Graz, wegen Feststellung des Fortbestands eines Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Juli 2012, GZ 7 Ra 26/12s-23, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Text

Begründung

1. Mit dem Hauptbegehren hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung (besonderer Kündigungsschutz nach § 32 VBG) geltend gemacht. Das Eventualbegehren diente der Anfechtung der Kündigung wegen Verletzung des Vorverfahrens nach dem PVG. In der außerordentlichen Revision bezieht sich der Kläger nur mehr auf die Aufgriffsobliegenheit zur Geltendmachung des Anspruchs auf Fortsetzung des Dienstverhältnisses und damit auf die Frage, ob er die Feststellungsklage rechtzeitig erhoben hat. Auf die Abweisung des Eventualbegehrens kommt er nicht mehr mit inhaltlichen Argumenten zurück.

Rechtliche Beurteilung

2. Nach ständiger Rechtsprechung kann der die Leistungsbereitschaft des Dienstnehmers voraussetzende Fortsetzungsanspruch (hier wegen behaupteter Unwirksamkeit der Kündigung) nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0028233; 9 ObA 116/11s). Vielmehr bedingt das Klarstellungsinteresse des Dienstgebers am Bestand oder Nichtbestand des Dienstverhältnisses eine Aufgriffsobliegenheit des Dienstnehmers, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ohne Aufschub gegenüber dem Dienstgeber geltend zu machen (9 ObA 160/99s; 8 ObA 48/06a). Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen. Das Ausmaß kann - unter Abwägung des Klarstellungsinteresses des Dienstgebers und der Schwierigkeiten für den Dienstnehmer, seinen Anspruch geltend zu machen - aber nur nach den Umständen des Einzelfalls bemessen werden (9 ObA 102/02v).

Diese Grundsätze gelten auch für Vertragsbedienstete (9 ObA 270/97i). Da eine Frist zur Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs im VBG nicht normiert wird, ist die zeitliche Grenze in jedem konkreten Fall unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB danach zu bestimmen, ob das Verhalten des Dienstnehmers als stillschweigender Verzicht auf die Geltendmachung der behaupteten Unzulässigkeit der Beendigung zu werten ist (8 ObA 41/97f; 9 ObA 322/99i). Insbesondere bei relativ kurzer Dauer der Untätigkeit des Dienstnehmers dokumentiert die bloße Nichtgeltendmachung für sich allein grundsätzlich noch keinen Verzicht. Anderes gilt, wenn besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall die spätere Geltendmachung als unzulässig erscheinen lassen (9 ObA 160/99s; 9 ObA 276/99z). Rücksichtswürdige Gründe für die Untätigkeit sind vom Kläger zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0034849; 9 ObA 342/00k).

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Nichtregelung einer bestimmten Frist zur Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs im VBG dem Plan des Gesetzgebers entspricht (9 ObA 270/97i). Der Ansicht des Klägers, dass die absolute (Anfechtungs-)Frist von sechs Monaten nach § 10 Abs 9 PVG (diese gilt bei Verletzung des Vorverfahrens) stets auch für die Klage auf Fortsetzung des Dienstverhältnisses zur Verfügung stehen müsse, kann daher nicht beigepflichtet werden. Umgekehrt hat der Oberste Gerichtshof die unter anderem von Binder (Glosse zu 9 ObA 160/99s in DRdA 2000/34; s auch die Zitate in 9 ObA 160/99s) vertretene maximale Frist von sechs Monaten für die Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs abgelehnt (8 ObA 190/01a).

Zu dem vom Kläger ins Treffen geführten § 10 Abs 9 PVG ist noch darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung grundsätzlich eine Frist von sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfechtungsgrund normiert. Bei der Frist von sechs Monaten handelt es sich um eine maximale bzw absolute Anfechtungsfrist, die auch bei Unkenntnis abläuft. Würde man diese Regelung auf die Geltendmachung des besonderen Kündigungsschutzes übertragen, so wäre für den Kläger nichts gewonnen, weil er vom Kündigungsgrund Kenntnis hatte.

4. Für die Beurteilung ist somit maßgebend, ob vom Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Bedachtnahme auf allfällige Aufschiebungsgründe sowie auf das Klarstellungsinteresse des Dienstgebers bei objektiver Betrachtung ein früheres Tätigwerden gegenüber dem Dienstgeber zu verlangen ist.

Im Anlassfall ist das Klarstellungsinteresse des Dienstgebers als besonders groß zu qualifizieren, zumal nach dem Ausfall einer Lehrperson zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebs rasch für einen geeigneten Ersatz gesorgt werden muss. Als besonderer Umstand ist zu beachten, dass der Kläger aufgrund der Fristerstreckung für die Ablegung der Fachprüfung spätestens seit Februar 2008 wusste, dass seine Weiterbeschäftigung von der Ablegung der Fachprüfung abhängt. Aus diesem Grund wäre von ihm zu verlangen gewesen, dass er unverzüglich nach Kenntniserlangung von der Kündigung das Vorliegen des ihm schon im November 2010 bekannt gegebenen Kündigungsgrundes gegenüber dem Dienstgeber bestreitet. Tatsächlich hat er in dieser Hinsicht keinen Kontakt zum Dienstgeber gesucht. Nach seinem Vorbringen war ihm von vornherein bekannt, dass die Kündigung nur auf gerichtlichem Weg bekämpft werden kann. Aus diesem Grund wäre zu erwarten gewesen, dass er auf die Kündigung unverzüglich mit Klage reagiert.

Zu den Gründen für seine Untätigkeit hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er sich über die Möglichkeit der Bekämpfung der Kündigung hätte informieren müssen. Nach den Feststellungen hat er entsprechende Erkundigungen bereits im Jänner/Februar 2011 eingeholt.

5. Insgesamt stellt die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass dem Kläger im Anlassfall eine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit anzulasten sei, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Stichworte