OGH 15Os31/12s

OGH15Os31/12s27.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Marvan als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian W***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 14. Juni 2011, GZ 39 Hv 165/10x-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian W***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen Februar und März 2010 in S***** mit der am 13. August 1996 geborenen, mithin unmündigen Sarah E***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, nämlich das Einführen von Fingern in die Scheide „sowie Betasten an den Schamlippen und Massieren der Brüste“ unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; diese verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit zu Recht ab (ON 12 S 2). Der Grundsatz der (Volks-)Öffentlichkeit ist im Strafprozess von zentraler Bedeutung. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass er verfassungsrechtlich garantiert (Art 6 Abs 1 MRK, Art 90 Abs 1 B-VG) und seine Verletzung überdies mit Nichtigkeit bedroht ist (§ 228 Abs 1 StPO). Demgemäß muss bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Ausschlusses der Öffentlichkeit (§ 229 Abs 1 StPO) ein äußerst strenger Maßstab angelegt werden. Ein darauf gerichteter Antrag hat somit jedenfalls ein Vorbringen zu enthalten, nach dem einer der Ausnahmetatbestände des § 229 Abs 1 StPO konkret indiziert ist (RIS-Justiz RS0053667). Diesem Erfordernis wird der vorliegende Antrag der Verteidigung nicht gerecht, indem er sich inhaltlich auf den Hinweis beschränkt, dass „letztes Mal“ (gemeint wohl: nach der letzten Hauptverhandlung) sehr intensiv von der Presse über seinen Mandanten berichtet worden sei. Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente zur Fundierung der Antragstellung sind prozessual verspätet und somit unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Im Übrigen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung (nach wie vor) im Wesentlichen leugnend verantwortet, sodass nicht erkennbar ist, an welchem für ihn günstigeren Aussageverhalten er durch den unterlassenen Ausschluss der Öffentlichkeit gehindert wurde. Damit ist jedenfalls ein nachteiliger Einfluss auf die Entscheidung iSd § 281 Abs 3 StPO auszuschließen (RIS-Justiz RS0087062).

Dem Vorwurf der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zuwider ist den Urteilsfeststellungen unzweifelhaft zu entnehmen, dass der Angeklagte die Schamlippen der Sarah E***** betastete und mit zumindest zwei Fingern dergestalt in deren Scheide eindrang, dass sie innerlich seine Nägel verspürte, was mit Schmerzen für sie verbunden war, in der Folge ihre nackten Brüste kreisförmig massierte und erst dann von ihr abließ, als Geräusche zu vernehmen waren (US 3, 5).

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird keine Nichtigkeit aus Z 5 aufgezeigt (RIS-Justiz RS0117445, RS0102162).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem der Beschwerdeführer auf Divergenzen zwischen den Aussagen der Sarah E***** vor der Polizei und im Rahmen ihrer kontradiktorischen Vernehmung in Ansehung des chronologischen Ablaufs des Tatgeschehens, insbesondere, wann es zu einem Kuss gekommen ist, sowie auf „Internetauftritte“ des Tatopfers auf dessen Facebook-Seite, die es mit männlichen Personen „posierend“ zeigt, hinweist, gelingt es ihm nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.

Soweit der Beschwerdeführer vermeint, das Erstgericht habe von ihm aufgezeigte Widersprüche zwischen den Aussagen der Zeugin E***** ungewürdigt gelassen (dSn Z 5 zweiter Fall), verkennt er, dass die von ihm dargestellten Divergenzen in ihrer Schilderung des genauen Tatablaufs weder eine entscheidende noch eine erhebliche Tatsache (zu den Begriffen vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399 ff, 409 ff) berühren, sodass die Tatrichter zu einer gesonderten Erörterung nicht verhalten waren. Außerdem sind sie ohnedies davon ausgegangen, dass Sarah E***** das Tatgeschehen in ihren Aussagen vor Polizei und Gericht „im Wesentlichen“ gleich geschildert hat (US 5).

Die erfolgversprechende Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).

Diesem Erfordernis wird die Subsumtionsrüge (Z 10), die eine Unterstellung des Tatgeschehens unter den Tatbestand des § 207 Abs 1 StGB anstrebt, schon deshalb nicht gerecht, weil sie die wesentlichen Feststellungen zum Tathergang zwar eingangs ihrer Ausführungen wiedergibt, in der Folge jedoch ausblendet und - gestützt auf eine eigenständige Interpretation der Aussage des Tatopfers - ihre weitere Argumentation darauf gründet, es habe sich um ein bloß kurzfristiges unvollständiges Eindringen einer unbestimmten Zahl von Fingern gehandelt, ohne die weiteren Konstatierungen zu berücksichtigen, dass die Penetration von einer Intensität war, dass die Nägel zumindest zweier Finger des Angeklagten der 13-jährigen Sarah E***** Schmerzen an der Innenseite ihrer Scheide verursachten, und er, nachdem er in der Folge ihre Brüste massiert hatte, erst dann von ihr abließ, als er infolge von Geräuschen seine Entdeckung befürchtete (US 3, 5).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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