OGH 10ObS72/12d

OGH10ObS72/12d5.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. März 2012, GZ 12 Rs 198/11s-46, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob eine Verweisungstätigkeit eine „zumutbare Änderung“ der im Sinne des Tätigkeitsschutzes nach § 255 Abs 4 ASVG maßgebenden „einen“ Tätigkeit darstellt, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und bildet als Frage des Einzelfalls regelmäßig keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (10 ObS 39/11z mwN).

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine Tätigkeit des Klägers als Übersteller von Neuwagen und in der Personenbeförderung (Transport von Schülern, Kindern und behinderten Personen) stelle eine zumutbare Änderung der vom Kläger bisher überwiegend im Gütertransport ausgeübten Tätigkeit als LKW-Fahrer dar, liegt im Rahmen der bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen.

3. So hat der Oberste Gerichtshof in der einen Lieferwagenfahrer, dem kein Berufsschutz zukam, betreffenden Entscheidung 10 ObS 21/04t (SSV-NF 18/21) ausgesprochen, dass Tätigkeiten im Personentransport (Direktionschauffeur oder Lenker im Behindertenfahrtendienst) eine zumutbare Änderung iSd § 255 Abs 4 ASVG seiner bisherigen Tätigkeit im Gütertransport darstellen. In gleicher Weise gelangte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 113/08b (SSV-NF 23/3) zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit eines Apothekenzustellers im innerstädtischen Bereich eine „zumutbare Änderung“ der Tätigkeit des (damaligen) Klägers als Buschauffeur sei. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass als arbeitskulturelles Umfeld der weite Bereich von Verkehr und Transport auf öffentlichen Straßen in Betracht komme, der keine wesentliche Änderung erfahre. Der Erwerb neuer Kenntnisse sei nicht erforderlich. Der Kernbereich der Tätigkeit (Lenken von Kraftfahrzeugen) erfahre keine Änderung. Kontakte mit Kunden seien - wenn auch in unterschiedlicher Form - bei beiden Tätigkeiten gegeben.

4. Mit dieser Rechtsprechungslinie stehen die vom Revisionswerber in seinem Rechtsmittel angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs nicht in Widerspruch. In der Entscheidung 10 ObS 186/03f wurde ausgesprochen, dass die Tätigkeit als LKW-Fernfahrer und die Tätigkeit als Zustellfahrer sehr ähnliche Tätigkeiten seien, welche das Lenken von Kraftfahrzeugen sowie den Transport und die Zustellung von Gütern zum wesentlichen Inhalt hätten. Die Frage, ob es sich auch bei Tätigkeiten im Personentransport um eine „zumutbare Änderung“ einer im Gütertransport durchgeführten Tätigkeit iSd § 255 Abs 4 ASVG handeln würde, musste daher in dieser Entscheidung nicht beurteilt werden. Die Beurteilung dieser Frage war auch nicht Gegenstand der Entscheidung 10 ObS 12/04v (SSV-NF 18/19). In dieser Entscheidung wurde ausgesprochen, dass ein Versicherter, der als Muldenkippenfahrer in einem Steinbruch tätig war, im Rahmen des § 255 Abs 4 ASVG nicht auf die Tätigkeit als Zusteller auf öffentlichen Straßen mit leichten Zustellfahrzeugen verwiesen werden dürfe, weil es sich bei diesen beiden Tätigkeiten um bereits in ihrem Kernbereich unterschiedliche Tätigkeiten handle. In der vom Revisionswerber ebenfalls zitierten Entscheidung 10 ObS 19/09f (SSV-NF 23/25) wurde ausgesprochen, dass eine Verweisung des (damaligen) Klägers, der Berufsschutz als gelernter Berufskraftfahrer nach § 255 Abs 1 ASVG hatte, auf die von den Vorinstanzen genannten - unqualifizierten - Tätigkeiten im Personentransport nicht in Betracht komme, weil der (damalige) Kläger dadurch seinen Berufsschutz verlieren würde. Diese Erwägung trifft auf den Kläger im gegenständlichen Verfahren nicht zu, weil dieser unbestritten keinen Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG genießt.

Da die Entscheidung des Berufungsgerichts somit im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht und der Revisionswerber keine für die Entscheidung des Verfahrens relevante Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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