OGH 10Ob18/12p

OGH10Ob18/12p5.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Niederösterreich, 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 1.) 10.956,92 EUR sA und 2.) Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), (Revisionsinteresse 10.956,92 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2012, GZ 1 R 254/11x-21, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 1. September 2011, GZ 35 Cg 285/09i-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

J***** A***** wurde am 18. 8. 2001 im Krankenhaus S*****, dessen Rechtsträger die beklagte Partei ist, geboren.

Am 29. 4. 2004 brachte sie, vertreten durch ihre Mutter, beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine Feststellungsklage ein. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 5. 4. 2006 wurde die Verpflichtung der beklagten Partei festgestellt, für alle aus der medizinischen Fehlbehandlung und der mangelnden Aufklärung im Laufe des Geburtsvorgangs und während der Geburt entstandenen und künftig auftretenden gesundheitlichen Schäden zu haften.

Das Land Niederösterreich zeigte der beklagten Partei mit Schreiben vom 21. 7. 2009 den Übergang der Ersatzansprüche gemäß § 13 Abs 1 NÖ Pflegegeldgesetz 1993 und mit Schreiben vom 17. 8. 2009 den Übergang der Ersatzansprüche nach § 42 Abs 1 und Abs 2 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 an.

Mit der vorliegenden, am 28. 12. 2009 erhobenen Klage begehrt das Land Niederösterreich den Rückersatz des für die Zeit vom 1. 1. 2007 bis 30. 11. 2008 ausbezahlten Pflegegeldes in Höhe von 8.321,40 EUR und der vom September 2007 bis Juni 2008 geleisteten Sozialhilfe in Höhe von 2.635,52 EUR (insgesamt somit 10.956,92 EUR) sowie die Feststellung, dass ihm die beklagte Partei sämtliche Leistungen zu ersetzen habe, die sie J***** A***** zukünftig aufgrund der fehlerhaften Behandlung anlässlich deren Geburt- insbesondere im Rahmen des Pflegegeldes und der Sozialhilfe - zu leisten habe.

Die beklagte Partei wendete ua Verjährung ein, weil die Klägerin spätestens Mitte November 2006 Kenntnis vom Feststellungsurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien erhalten habe und sie spätestens zu diesem Zeitpunkt mit Aussicht auf Erfolg klagen hätte können.

Das Erstgericht gab sowohl dem Zahlungs- als auch dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt. Rechtlich ging es davon aus, gemäß § 13 Abs 1 NÖ Pflegegeldgesetz 1993 (NÖ PGG) und § 42 Abs 1 und Abs 2 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 sei der Schadenersatzanspruch erst ab dem Zeitpunkt der schriftlichen Anzeige beim Ersatzpflichtigen - somit im Jahr 2009 - übergegangen („aufgeschobene“ Legalzession). Das von J***** A***** bereits zuvor im Jahr 2006 erwirkte Feststellungsurteil habe die Verjährung auch zu Gunsten der erst nachträglich leistungspflichtig gewordenen Klägerin unterbrochen. Die Klage vom 28. 12. 2009 sei demnach innerhalb der Verjährungsfrist erhoben worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang der Stattgebung des Leistungsbegehrens, gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung aber insofern Folge, als es das Feststellungsbegehren - insoweit rechtskräftig - abwies. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass das Leistungsbegehren nicht verjährt sei. Durch die Legalzession ändere sich nichts an der Rechtsnatur des Anspruchs, sodass sich auch die Verjährungsfrist und deren Lauf nicht ändere. Die Verjährungsfrist laufe gegenüber dem regressberechtigten Legalzessionar weiter, sofern sie im Zeitpunkt der Legalzession bereits zu laufen begonnen habe. Für den Beginn der Verjährungsfrist komme es deshalb nur auf die Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger an, wogegen der Zeitpunkt, zu dem den Vertretern der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten das Feststellungsurteil zur Kenntnis gelangt sei, keine rechtliche Relevanz zukomme. Das Feststellungsbegehren sei abzuweisen, weil es dem Legalzessionar an einem rechtlichen Interesse zur Erwirkung eines Feststellungsurteils über die Haftung des Ersatzpflichtigen für zukünftig dem Geschädigten zu erbringende Leistungen mangle, sofern ihm die Wirkung der Verjährungsunterbrechung durch ein vom Geschädigten selbst erwirktes Feststellungsurteil zukomme.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass die Revision im Hinblick auf die zur Frage des rechtlichen Interesses an der Erhebung der Feststellungsklage abweichende Entscheidung 8 Ob 63/00y zulässig sei.

Nur die beklagte Partei bekämpft das Berufungsurteil im Umfang der Stattgebung des Leistungsbegehrens, sodass die Abweisung des Feststellungsbegehrens in Rechtskraft erwachsen ist. Die vom Berufungsgericht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO erachtete Rechtsfrage des Vorliegens (oder Nichtvorliegens) eines rechtlichen Interesses ist somit nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Eine andere erhebliche Rechtsfrage zeigt die Revisionswerberin mit ihren Ausführungen nicht auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Übergang von Entschädigungsansprüchen durch Legalzession einen Wechsel der Rechtszuständigkeit zur Folge hat, aber grundsätzlich nichts an der Rechtsnatur der übertragenen Forderung ändert (RIS-Justiz RS0072888), so dass sich auch die Verjährungsfrist nicht ändert und insbesondere keine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt (7 Ob 233/99m). Der an den Legalzessionar übergegangene Anspruch verjährt daher ebenfalls - sofern er § 1489 Satz 1 ABGB unterliegt - in drei Jahren ab Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger. Da durch die Legalzession keine Änderung der Verjährungsfrist bewirkt wird, kommt es auf den Zeitpunkt, zu dem der Legalzessionar von der Person des Regresspflichtigen oder von den Umständen, die seine Regresspflicht begründen, Kenntnis erhält - außer im Fall des § 332 ASVG - nicht an (7 Ob 233/99m; 2 Ob 84/05z; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB3 § 1489, Rz 32). Demgegenüber beginnt für den Sozialversicherungsträger, der gemäß § 332 ASVG eine Schadenersatzforderung des Verletzten (Sozialversicherten) schon im Zeitpunkt des Entstehens der Schadenersatzforderung erwirbt, die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB erst dann zu laufen, wenn er selbst die Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt hat oder erlangen hätte können (RIS-Justiz RS0116986). Gegenstand des vorliegenden Falls ist aber nicht der Rückersatz von Leistungen nach dem ASVG, sondern das Land Niederösterreich macht in seiner Eigenschaft als Pflegegeld- bzw Sozialhilfeträger den Rückersatz der nach dem NÖ PGG 1993 (welches Gesetz mittlerweile durch Art I des LGBl 128/11 seit 1. 1. 2012 aufgehoben ist) bzw nach dem NÖ Sozialhilfegesetz 2000 erbrachten Leistungen geltend.

2. Wie die Revisionswerberin selbst ausführt, liegt die Besonderheit dieser landesgesetzlichen Legalzessionsnormen darin, dass es zum Rechtsübergang nicht bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalls kommt (wie etwa bei § 332 ASVG) und auch nicht selbsttätig mit der Erbringung der Leistungen durch den Rechtsträger (wie etwa nach § 1358 ABGB), sondern der Rechtsübergang aufgeschoben bleibt, bis der Rechtsträger dem Dritten die Leistungsgewährung schriftlich anzeigt (vgl RIS-Justiz RS0063113). Es entspricht ferner der ständigen Rechtsprechung, dass ein vom Geschädigten erwirktes Feststellungsurteil die Verjährung auch zu Gunsten eines auf Grund einer („aufgeschobenen“) Legalzession erst nachträglich leistungspflichtig gewordenen Sozialversicherungsträgers (hier Pflegegeld- bzw Sozialhilfeträgers) unterbricht (RIS-Justiz RS0034606 [T1, T2, T3]). Die weitere Argumentation der Revisionswerberin geht aber unrichtig davon aus, dass die Schadenersatzforderung des Kindes schon bei der Geburt ex lege auf das Land Niederösterreich übergegangen wäre, weshalb die Klage des Kindes die Verjährung nicht hätte unterbrechen können.

Da die Revisionswerberin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigt, war die Revision - ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts - als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Da die Abweisung des Feststellungsbegehrens schon in schon Rechtskraft erwachsen war, stehen Kosten für die Revisionsbeantwortung nur auf Basis des Leistungsbegehrens von 10.956,92 EUR zu.

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