OGH 4Ob61/12t

OGH4Ob61/12t11.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 14. Februar 2012, GZ 4 R 27/12m-24, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 30. Dezember 2012, GZ 32 Cg 60/11s-19, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig, die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin vertreibt ihre „Schwedenbomben“ in durchsichtigen Sechser-Blisterverpackungen, für die sie über zwei seit 1969 registrierte Formmarken verfügt. Davon verkauft sie in Österreich jährlich fast 5 Mio Stück, was einen Marktanteil von etwa 80 % bedeutet. Die Beklagte vertreibt ihre „Schaumbomben“ seit 2011 in Zwölfer-Blisterverpackungen, die abgesehen von der Größe mit jenen der Klägerin übereinstimmen.

Mit dem angefochtenen Beschluss untersagte das Rekursgericht der Beklagten, Schaumbomben in Verpackungen anzubieten und/oder zu vertreiben, die den „in den österreichischen Markennummern [gemeint offenkundig: Marken] Nr 64662 und 64663 der gefährdeten Partei dargestellten Verpackungen verwechselbar ähnlich sind“, dies insbesondere in den von der Beklagten derzeit verwendeten Verpackungen. Es nahm Verkehrsgeltung der Verpackung an und begründete seine Entscheidung mit § 9 Abs 3 UWG. Inhaltlich stützte es sich unter anderem darauf, dass die Beklagte ihre Schaumbomben in den Verpackungen gleich anordne wie die Klägerin. Den Revisionsrekurs ließ es mit der Begründung zu, dass die von der Beklagten „mit Vehemenz und unter Heranziehung unzähliger Argumente vertretene Rechtsansicht, bei einem Vergleich der - durchsichtigen - Blisterverpackungen hätten das darin angebotene Produkt und die konkrete Anordnung dieses Produkts gänzlich außer Betracht zu bleiben, einer Klärung durch das Höchstgericht“ bedürfe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist ungeachtet dieses Ausspruchs nicht zulässig.

1. Das Begehren der Klägerin ist ausschließlich gegen die Nutzung von Verpackungen gerichtet, die den für die Klägerin registrierten Formmarken verwechselbar ähnlich sind. Diese Marken lassen keine bestimmte Anordnung des Inhalts erkennen. Daher ist nicht erkennbar, weshalb die konkrete Anordnung der Schaumbomben für den Ähnlichkeitsvergleich relevant sein könnte. Dass die Warenausstattung der Klägerin auch in ihrer durch die Anordnung geprägten Form schutzfähig sein könnte, mag zutreffen, ist aber - trotz des auch insofern erstatteten Vorbringens - vom Begehren nicht gedeckt.

2. Damit ist für die Beklagte aber nichts gewonnen. Ob Verwechslungsgefahr besteht, ist nach einem unionsweit einheitlichen Maßstab unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Maßgebende Faktoren sind dabei die Identität oder der Ähnlichkeitsgrad der miteinander in Konflikt stehenden Zeichen, die Identität oder der Ähnlichkeitsgrad der jeweils erfassten Waren oder Dienstleistungen und die Bekanntheit der Marke, in die angeblich eingegriffen wird (EuGH C-39/97, Canon, Slg 1998 I-05507; 4 Ob 124/06y = ÖBl 2007, 210 [Gamerith] - Hotel Harmonie mwN; RIS-Justiz RS0121482; zuletzt etwa 17 Ob 20/08b = ÖBl 2009, 180 [Schnider/Kresbach] - BOTOX, und 17 Ob 21/10b = ÖBl 2012, 31 - Slims Eva). Im konkreten Fall mögen die Marken zwar ursprünglich (originär) schwach gewesen sein, sie haben aber durch die langjährige Verwendung und den hohen Marktanteil zweifellos eine beträchtliche Bekanntheit erlangt. Daran, dass der Verkehr die in den Marken dargestellten Verpackungen als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus dem Unternehmen der Klägerin versteht, besteht aufgrund dieser Bekanntheit kein Zweifel. Angesichts der Warenidentität liegt die Verwechslung - dh die Annahme, die Zwölferverpackung sei eine bloße Abwandlung der sonst üblichen Sechserform - überaus nahe.

3. Soweit sich die Beklagte auf § 4 Abs 1 Z 6 MSchG (Art 3 Abs 1 lit e MarkenRL, Art 7 Abs 1 lit e GMV) beruft, ist die Rechtslage durch Rechtsprechung des EuGH geklärt.

3.1. Nach § 4 Abs 1 Z 6 MSchG sind, soweit hier relevant, Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die ausschließlich aus der Form der Ware bestehen, die zur Herstellung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Der EuGH hat dazu ausgesprochen, dass die Verpackung nur dann als Form der Ware angesehen werden kann, wenn die Ware selbst keine ihr „innewohnende Form“ hat, sodass ihr erst die Verpackung die Form gibt; das trifft etwa bei Waren in körniger, pudriger oder flüssiger Konsistenz zu (EuGH C-218/01, Henkel, Slg 2004, I-1725). Bei Verpackungen für Schaumbomben, die zweifellos eine eigene - ihrerseits freilich nicht schutzfähige (4 Ob 314/76 = ÖBl 1976, 154 - Schwedenbomben) - Form haben, ist dieses Erfordernis nicht erfüllt.

3.2. An der Unanwendbarkeit von § 4 Abs 1 Z 6 MSchG änderte sich nichts, wenn diese Bestimmung entgegen der zitierten Entscheidung des EuGH unter bestimmten Umständen auch auf Verpackungen von (wie hier) nicht amorphen Waren anzuwenden wäre (so offenbar die Praxis des HABM, vgl Eisenführ/Schennen, Gemeinschaftsmarkenverordnung3 [2010] Art 7 Rz 209 ff). Denn der Tatbestand des Eintragungshindernisses ist nur dann erfüllt, wenn die wesentlichen Merkmale der Form eine technische Funktion erfüllen (Rs C-299/99, Philips). Das trifft hier schon deswegen nicht zu, weil die Marken die Verpackung als durchsichtig darstellen und daher von vornherein nicht ausschließlich aus der Form als solcher bestehen. Jedenfalls ist aber die Durchsichtigkeit, die das Wahrnehmen der Waren und ihrer Anordnung ermöglicht, ein wesentliches Merkmal der Verpackung, das keine technische Funktion hat. Damit ist der Tatbestand des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG keinesfalls erfüllt.

4. Die Schutzfähigkeit könnte daher nur am Fehlen der Unterscheidungskraft scheitern, was bei Verpackungen durchaus zutreffen kann (EuGH C-218/01 , Henkel, Slg 2004, I-1725; C-25/05 P , August Storck KG, Slg 2006 I-5719). Dem diesbezüglichen Einwand steht jedoch die nach der unbedenklichen Auffassung der Vorinstanzen jedenfalls vor Aufnahme der Benutzung durch die Beklagte erworbene Verkehrsgeltung der in den Marken dargestellten Verpackungen entgegen. Zwar wirkt sie nicht auf die Eintragung zurück. Das Rekursgericht hat aber richtig erkannt, dass sich die Klägerin in diesem Fall jedenfalls auf § 9 Abs 3 UWG stützen kann. Die auf die Marken Bezug nehmende Formulierung des Begehrens steht dem nicht entgegen, weil sie nicht zwingend auf eine markenrechtliche Begründung schließen lässt, sondern auch als bloßer Hinweis auf die in den Marken dargestellte, tatsächlich aber nach § 9 Abs 3 UWG geschützte Verpackung verstanden werden kann.

5. Soweit der Revisionsrekurs weiterhin die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin behauptet, ist er aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen nicht gesetzmäßig ausgeführt; die Rechtsnachfolge der Klägerin gegenüber der (früheren) Markeninhaberin ist durch einen Firmenbuchauszug nachgewiesen. Dass die Ware der Beklagten ausschließlich auf besonders gekennzeichneten Ständern angeboten wird, hat das Erstgericht gerade nicht als bescheinigt angenommen; es kann daher offen bleiben, ob dieser Umstand für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevant wäre. Ob eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher - abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung - keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0113134 [T1]).

5. Auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete - und von diesem tatsächlich falsch gelöste - Rechtsfrage kommt es daher im konkreten Fall nicht an; andere Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO zeigt die Beklagte nicht auf. Ihr Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO.

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