Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen, soweit sie auf den Freispruch bezogen ist.
Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I, II/2‑4, III und IV sowie in der zu II gebildeten Subsumtionseinheit, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Einziehungs‑ und im Adhäsionserkenntnis und demzufolge auch der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung sowie auf Absehen vom Widerruf einer weiteren bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeit aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Mit dem auf den Schuldspruch bezogenen Teil ihrer Nichtigkeitsbeschwerde, ihrer Berufung und ihrer Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stipo O***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I) sowie des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und Z 2 und 15 StGB (II) sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III) und des Betrugs nach § 146 StGB (IV) schuldig erkannt.
Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat er in Wels
(I) am 19. April 2011 Manuel S***** dadurch, dass er einen Elektroschocker gegen ihn richtete, Geld forderte und ihm einen Schlag gegen sein linkes Ohr versetzte, 50 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen,
(II) fremde bewegliche Sachen anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbruch weggenommen und dies versucht, nämlich
1) am 7. Mai 2011 Gewahrsamsträgern des Unternehmens A***** Bargeld durch Einschlagen einer Fensterscheibe, wobei es beim Versuch geblieben ist,
2) vom 24. März 2011 bis zum 25. März 2011 Ramazan G*****
a) durch Aufbrechen des Vorhängeschlosses eines Kühlschranks Getränke im Wert von rund 130 Euro und
b) durch Aufbrechen des Vorhängeschlosses eines Imbissstands Bargeld (US 5), wobei es beim Versuch geblieben ist,
3) am 3. Mai 2011 Betty P***** durch Einschlagen einer Fensterscheibe Bargeld, wobei es beim Versuch geblieben ist, sowie
4) am 7. Mai 2011 Gewahrsamsträgern des Unternehmens F***** einen Markierungsspray im Wert von 5 Euro,
(III) fremde Sachen durch Besprühen mit einem Farbspray vorsätzlich beschädigt, nämlich
1) am 14. April 2011 in drei Angriffen Mauern von Unternehmensgebäuden und
2) am 7. Mai 2011 eine Zauneinfriedung sowie zwei Fassaden, weiters
(IV) am 29. April 2011 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Michael H***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, er werde ihm Somnubene‑Tabletten beschaffen, zur Übergabe von 100 Euro verleitet und dadurch den Genannten in diesem Betrag am Vermögen geschädigt.
Vom Vorwurf, er habe überdies am 29. April 2011 Michael H***** durch die Äußerung, er werde ihn in die Traun werfen, wenn er nicht „abreißen“ würde, zur Abstandnahme von seiner weiteren Verfolgung zu nötigen versucht, wurde Stipo O***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verfehlt ihr Ziel.
Gründet das Gericht einen Freispruch auf die Verneinung der inkriminierten Willensausrichtung des Angeklagten (US 7 viertletzter Absatz), ohne eine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen zu treffen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel (Z 5) bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme (der Negativfeststellung zur inneren Tatseite) aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen; fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4. Wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel geltend zu machen (13 Os 147/11h).
Im gegebenen Fall enthält das Urteil keine Feststellung über einen § 74 Abs 1 Z 5 StGB subsumierbaren Bedeutungsgehalt der genannten Äußerung: Es findet sich keine Konstatierung, wonach der Angeklagte mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen drohte (vgl US 6 f; RIS-Justiz RS0092588). Einen diesbezüglichen Feststellungsmangel hat die Staatsanwaltschaft nicht geltend gemacht.
Daher geht das Beschwerdevorbringen gegen den Freispruch, das - soweit angesichts der die Einwände aus den verschiedenen Nichtigkeitsgründen vermengenden Argumentation erkennbar - aus Z 5 allein auf die innere Tatseite Bezug nimmt und sich aus Z 9 lit a mit der Besorgniseignung (vgl § 74 Abs 1 Z 5 StGB; Jerabek in WK² § 74 Rz 33) einer gar nicht festgestellten Drohung mit einer Verletzung befasst, fehl.
Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, soweit sie gegen den Freispruch gerichtet ist, zu verwerfen.
Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich aus Anlass der Beschwerde, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich fast aller Schuldsprüche zum Nachteil des Angeklagten an (insoweit nicht geltend gemachter) Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO leidet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil sie keine hinreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite enthält. Zu den Schuldsprüchen I, II/2, 3 und 4 sowie III fehlen diesbezügliche Konstatierungen zur Gänze, hinsichtlich des Schuldspruchs IV stellt das Erstgericht zwar einen „Bereicherungsvorsatz“ fest (US 6), gibt aber nicht zu erkennen, ob der Angeklagte mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern.
Demnach waren diese Schuldsprüche zu kassieren, was die Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung), des Einziehungs‑ und des Adhäsionserkenntnisses sowie des Beschlusses nach § 494a Abs 1 StPO zur Folge hatte.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Staatsanwaltschaft mit dem auf den Schuldspruch II bezogenen Teil ihrer Nichtigkeitsbeschwerde (mit dem sie ‑ ebenso wie mit Berufung und Beschwerde ‑ auf die Kassation zu verweisen war) im Recht ist, indem sie zutreffend aufzeigt, dass die Begründung für die Ablehnung der Annahme gewerbsmäßiger Begehung (§ 130 vierter Fall StGB) aktenwidrig ist (Z 5 fünfter Fall). Das Erstgericht stützt sich insoweit nämlich auf die ‑ nicht durch die Aktenlage gedeckte ‑ Prämisse, der Angeklagte habe angegeben, dass es sich bei den vom Schuldspruch II umfassten Zugriffen um „Gelegenheitsdiebstähle“ gehandelt habe.
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