OGH 5Ob9/12b

OGH5Ob9/12b12.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Lovrek als Vorsitzende, sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S***** KEG, *****, gegen den Antragsgegner Ing. F***** K*****, vertreten durch Hopmeier & Wagner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 MRG über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Juni 2011, GZ 40 R 248/10g-9, womit über den Rekurs des Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 29. September 2010, GZ 12 Msch 13/10f-5, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Antragsgegner ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit der Grundstücksadresse ***** in *****.

Das Haus wurde ca 1887 errichtet und weist vier Geschosse über Straßenniveau auf. Ein Aufzug ist im Haus ***** nicht errichtet.

Die Wohnung Top 30 befindet sich im dritten Stock des Hauses und ist 43,98 m² groß. Im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses durch die Antragstellerin war im Inneren des Objekts Top 30 kein WC vorhanden.

Am 17. 8. 2006 schlossen die F. F***** KEG als Mieterin sowie die damalige Eigentümerin der Liegenschaft, die Firma ***** L***** Gesellschaft mbH als Vermieterin einen auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag betreffend die Wohnung Top 30 im Haus ***** beginnend mit 1. 8. 2006.

In § 5 Abs 1 des Mietvertrags wurde vereinbart:

„Der Mieter ist berechtigt, den Mietgegenstand dem Vertrag gemäß ausschließlich für Wohnzwecke zu gebrauchen und zu benützen. Der Mieter hat die Benützung des Mietgegenstands darüber hinaus unter Einhaltung aller behördlichen und sonstigen einschlägigen gesetzlichen Vorschriften wahrzunehmen.“

§ 5 letzter Absatz dieser Vereinbarung lautet:

„Dem Mieter ist es - jedoch nur mit ausdrücklicher und vorheriger Zustimmung der Vermieterin - gestattet, den Mietgegenstand oder Teile desselben in Unterbestand zu geben bzw entgeltlich oder unentgeltlich Dritten zur Verfügung zu stellen oder zur Benützung zu überlassen. Demgegenüber wird zwischen den Vertragsparteien jegliches Weitergaberecht hinsichtlich dieses Mietgegenstands einvernehmlich ausgeschlossen.“

Die Antragstellerin trat mit Zustimmung der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners per 1. 2. 2008 in diesen Mietvertrag ein.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin die von ihr im Haus ***** gemieteten Wohnungen tage- oder wochenweise vermietet. Die Wohnungen werden zu Wohnzwecken untervermietet.

Mit ihrem verfahrenseinleitenden Antrag an die Schlichtungsstelle begehrte die Antragstellerin eine „Feststellung der mietrechtskonformen Kategoriemietzinshöhe“ und begründete diesen Antrag damit, dass der vom Antragsgegner verlangte Hauptmietzins für alle von ihr in Bestand genommenen Wohnungen im Haus überhöht sei. Die Objekte unterlägen keiner geschäftlichen Nutzung, sondern mache sie von einem vertraglich eingeräumten Untervermietungsrecht Gebrauch.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Antrags mit der Begründung, bei sämtlichen von der Antragstellerin gemieteten Objekten, so auch beim gegenständlichen, handle es sich um Geschäftsraummiete. Die Objekte würden von der Antragstellerin zu Geschäftszwecken benützt. Sie betreibe dort einen Beherbergungsbetrieb, teilweise würden die Benutzer der Wohnung wöchentlich bzw täglich wechseln. Es sei daher die Vereinbarung eines angemessenen Hauptmietzinses zulässig gewesen.

Das Erstgericht stellte fest, dass der gesetzlich zulässige Hauptmietzins für die Wohnung Top 30 im Haus ***** in ***** zum Stichtag 1. 5. 2008 45,85 EUR netto betrage.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, der Mietvertrag, mit dem der Antragstellerin die Untervermietung erlaubt worden sei, lasse es nach seiner Gestaltung zu, anzunehmen, dass eine Benützung der Antragstellerin zum Zweck der Befriedigung eigenen Wohnbedarfs nicht beabsichtigt gewesen sei. Es sei offensichtlich, dass die Antragstellerin das gegenständliche wie auch die anderen Objekte zum Zweck der Untervermietung an Dritte gemietet habe. Allerdings sei Vertragszweck ausschließlich die Benützung zu Wohnzwecken gewesen. Auf die Parteiabsicht bei Abschluss des Mietvertrags komme es entscheidend an. Ob der Mieter den Mietgegenstand dann zur Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses bzw des Wohnbedürfnisses anderer Personen verwende, sei für die Qualifikation des Mietgegenstands als Wohnung nicht maßgeblich.

Es seien daher die Mietzinsbeschränkungen des § 16 Abs 2 - 5 MRG anzuwenden.

Das Objekt Top 30 sei im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses in die Ausstattungskategorie D einzuordnen gewesen, weil sich im Inneren des Objekts kein WC befunden habe. Gemäß § 16 Abs 5 MRG sei bis 31. 8. 2006 für eine Wohnung der Kategorie D in brauchbarem Zustand ein Mietzins von 1,39 EUR netto pro m² und Monat zulässig. Das ergebe einen gesamtzulässigen Nettohauptmietzins von 61,13 EUR bezogen auf den Stichtag 1. 8. 2006. Weil der Mietvertrag auf fünf Jahre befristet abgeschlossen worden sei, reduziere sich der zulässige Hauptmietzins gemäß § 16 Abs 7 MRG um 25 % auf 45,85 EUR.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsgegner erhobenen Rekurs nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, wie die Anmietung von Wohnungen zur gewerblichen Untervermietung zu beurteilen sei (gemeint: in Hinblick auf die Qualifikation des Bestandgegenstands als Wohn- oder Geschäftsraummiete).

In Erledigung der Tatsachen- und Mängelrüge übernahm das Rekursgericht die oben wiedergegebene Negativfeststellung ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich.

In rechtlicher Hinsicht billigte es die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Maßgeblich sei ausschließlich der vertraglich bedungene Verwendungszweck der vermieteten Objekte. Überdies würde die Argumentation des Antragsgegners dazu führen, dass im Anwendungsbereich des MRG der zulässige Untermietzins des jeweiligen Bewohners 150 % des jeweils für die Geschäftsraummiete zulässigen Hauptmietzinses betragen würde. Das stelle eine klare Umgehung der Schutzbestimmungen für einen wohnraumsuchenden (Unter-)Mieter dar. Konkrete Argumente gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen Berechnung des zulässigen Hauptmietzinses enthielten die Rekursausführungen nicht.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Sachantrag der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen werde; in eventu wird die Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinn einer Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrags begehrt und hilfsweise ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Auch im Revisionsrekurs vertritt der Antragsgegner den Standpunkt, der Umstand, dass die Antragstellerin die Wohnungen zum Zweck der gewerblichen Untervermietung gemietet habe, habe zur Beurteilung zu führen, dass die jeweils von ihr geschlossenen Hauptmietverträge als Geschäftsraummietverträge zu qualifizieren seien. Es hätte deshalb - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - der Feststellung bedurft, die Antragstellerin überlasse die im Haus gemieteten Wohnungen jeweils wochen- bzw tageweise an Dritte. Daraus hätte sich nämlich ergeben, dass die von ihr geschlossenen (Unter-)Mietverträge gemäß § 1 Abs 2 Z 1 MRG nicht den Mietzinsbestimmungen des MRG unterlägen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1. Eine primäre Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens zeigt der Revisionsrekurs nicht auf. Der Vorwurf, das Rekursgericht habe die Tatsachenrüge des Antragsgegners zu der vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellung nicht erledigt, betrifft inhaltlich einen der Rechtsrüge zuzuordnenden behaupteten Feststellungsmangel.

2. Verfahrensgegenständlich ist, ob das Objekt Top 30 als Wohnung oder iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG als Geschäftsraum zu qualifizieren ist.

2.1 Dass es sich bei dem zwischen der Antragstellerin und der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners begründeten Mietverhältnis um ein Hauptmietverhältnis handelt, das dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt, ist unstrittig.

2.2 Es entspricht der ständigen, vom Schrifttum gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es für die Beurteilung, ob ein angemessener Mietzins iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG zulässig vereinbart werden kann, darauf ankommt, ob der Mietgegenstand nach der Parteienabsicht bei Abschluss des Hauptmietvertrags zu Wohn- oder Geschäftszwecken in Bestand gegeben bzw genommen worden ist (RIS-Justiz RS0070039; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 16 MRG Rz 13; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 16 MRG Rz 21; Schuster in Schwimann, ABGB2 IV § 16 MRG Rz 13; Reiber, Die Abgrenzung zwischen Wohnung und Geschäftsräumlichkeit im Mietrecht, immolex 2000, 170).

Entgegen dem Wortlaut ist also nicht entscheidend, wie der Bestandgegenstand nach Abschluss des Mietvertrags verwendet wird, sondern nur, zu welchem Zweck er nach der Parteienabsicht in Bestand genommen wurde (RIS-Justiz RS0066884).

2.3 Die Vereinbarung zwischen der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners und der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, in die die Antragstellerin mit Zustimmung des Antragsgegners per 1. 2. 2008 eingetreten ist, hat schon das Erstgericht zutreffend dahin gewertet, dass die Anmietung des Objekts nicht zum eigenen Wohnbedarf der Antragstellerin erfolgte sondern zum Zwecke der Untervermietung der Objekte an Dritte.

Daraus lässt sich allerdings für den Standpunkt des Antragsgegners nichts gewinnen: Dass die gewerbliche Weitervermietung eine geschäftliche Betätigung der Antragstellerin darstellt, trifft zu, ist aber für die Frage des vereinbarten Verwendungszwecks der Objekte ohne Bedeutung. Maßgeblich ist ausschließlich, zu welchem konkreten Verwendungszweck ein Objekt in Bestand gegeben wird. Nicht entscheidend ist, ob der Mietgegenstand zur Befriedigung eigener Wohnbedürfnisse oder der eintrittsberechtigter Personen oder anderer Personen in Bestand genommen wurde (5 Ob 19/84 EvBl 1985/28; 7 Ob 342/97p MietSlg 50.322; RIS-Justiz RS0069605).

2.5 Für die Qualifikation eines Mietgegenstands als Geschäftsräumlichkeit iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG oder als Wohnung kommt es somit gerade nicht darauf an, ob der Hauptmietvertrag von der Mieterin im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs geschlossen wurde, sondern ausschließlich darauf, wie das Mietobjekt nach der Parteienvereinbarung verwendet werden soll. So hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (5 Ob 154/00h), dass selbst dann, wenn eine GmbH ihren Firmensitz erlaubterweise in eine von ihr auch für Wohnzwecke gemietete Wohnung verlegt, das Objekt noch nicht als „gleichsam automatisch“ für überwiegende Geschäftszwecke iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG vermietet anzusehen ist.

Das hat umso eher für den vorliegenden Fall zu gelten. Hier nämlich war und ist immer noch die Vereinbarung der Verwendung der Wohnung Top 30 ausschließlich für Wohnzwecke, wenn auch naturgemäß nicht für eigene Wohnzwecke der Antragstellenden KEG selbst, aufrecht.

2.6 Auch der von dem Antragsgegner gerügte Feststellungsmangel liegt nicht vor: Selbst wenn die Antragstellerin die von ihr im Haus gemieteten Wohnungen tatsächlich nur „woche- bzw tageweise“ im Rahmen ihres Beherbergungsbetriebs vermieten sollte, lässt sich daraus für den Standpunkt des Antragsgegners nichts gewinnen: Für die Beurteilung, ob im Verhältnis zwischen den Parteien des Hauptmietvertrags eine Wohn- oder Geschäftsräumlichkeit vermietet wurde, kommt es nicht darauf an, wie das Rechtsverhältnis des Hauptmieters zu jener Person beschaffen ist, der er die Wohnung zur Benützung überlässt.

Das Rekursgericht hat daher zutreffend erkannt, dass es keiner Feststellungen über die Ausgestaltung der von der Antragstellerin eingegangenen Unterbestandverhältnisse bedarf. § 2 Abs 1 Satz 1 MRG ist nicht anwendbar, weil die Antragstellerin nicht Mieterin des gesamten Hauses ist.

3. Zutreffend sind die Vorinstanzen somit davon ausgegangen, dass sich der Antragsgegner für die Zulässigkeit der Hauptmietzinsvereinbarung nicht auf § 16 Abs 1 Z 1 MRG berufen kann.

3.1 In seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Sachbeschluss bekämpfte der Antragsgegner die Feststellungen des Erstgerichts über den Zustand der Wohnung zum Zeitpunkt der Anmietung nicht. Er verwies lediglich darauf, dass die „entsprechende Einstufung in Anbetracht der Ausführungen der MA 25 auch unter Berücksichtigung der Befristung jedenfalls zu Unrecht“ erfolgt sei.

3.2 In Anbetracht der unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellung, dass das WC der Wohnung am Gang situiert war, ist nicht erkennbar, welche anderen rechtlichen Schlussfolgerungen das Rekursgericht ziehen hätte sollen. Bei Einordnung einer Wohnung in die Ausstattungskategorie D kommen, anders als bei Richtwertmietzinsen, Zu- und Abschläge - mit Ausnahme des Befristungsabschlags nach § 16 Abs 7 MRG - nicht in Betracht. Das ergibt sich bereits aus der Systematik des § 16 MRG.

3.3 Zu Recht hat das Rekursgericht daher den erstgerichtlichen Sachbeschluss bestätigt, mit dem in Entsprechung des von der Antragstellerin erkennbar gestellten Sachantrags auf Feststellung, welcher zulässige Hauptmietzins für die Wohnung Top 30 zum Anmietungszeitpunkt vereinbart werden durfte (zur Zulässigkeit eines solchen Antrags: Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 37 MRG Rz 20), ein gesetzlich zulässiger Nettohauptmietzins der Ausstattungskategorie D für die Wohnung Top 30 unter Berücksichtigung eines vom Antragsgegner nicht bestrittenen Befristungsabschlags festgestellt wurde.

4. Dem unberechtigten Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

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