OGH 15Os113/11y

OGH15Os113/11y29.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Februar 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter J***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Mai 2011, GZ 42 Hv 26/11s-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter J***** (zu I./) der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, (zu II./) der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und (zu III./) der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien von September 2009 bis 6. April 2010

I./ mit einer unmündigen Person, nämlich der am 2. Juli 2001 geborenen Giulia C***** in mehrfachen Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung unternommen, indem er einen Finger in ihre Scheide einführte;

II./ außer dem Fall des § 206 StGB an einer unmündigen Person, nämlich der am 2. Juli 2001 geborenen Giulia C***** geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er mehrfach ihre Unterbekleidung ein Stück hinunterzog und sie an der nackten Scheide betastete sowie in einem Fall daran leckte;

III./ durch die zu Punkt I./ und II./ beschriebenen Tathandlungen mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen, „um sich geschlechtlich zu erregen bzw zu befriedigen“.

Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge ist vorweg zu entgegnen, dass die Behauptung einer offenbar unzureichenden oder fehlenden Begründung (Z 5 vierter Fall) stets sämtliche beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter in Ansehung der bekämpften Feststellung berücksichtigen muss (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 455), widrigenfalls sie ihren gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504).

Indem die Beschwerde einzelne Erwägungen des Erstgerichts zu den Aussagen der Zeuginnen Mag. Natascha K***** und Ilona L***** (US 7 f) sowie dazu, dass sich der Angeklagte sofort und widerspruchslos aus der Familie zurückzog und nicht versuchte, die Geschehnisse ins rechte Licht zu rücken (US 8), jeweils isoliert und zum Teil verkürzt und solcherart sinnentstellt wiedergegeben herausgreift und ihnen ihm Wege eigenständiger Beweiswerterwägungen die Begründungstauglichkeit abspricht, demgegenüber aber insbesondere ausklammert, dass die Tatrichter den Schuldspruch im Wesentlichen auf die als glaubwürdig erachtete Aussage des Tatopfers stützten (US 8), wird sie mangels gebotener Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394) diesen Kriterien nicht gerecht.

Der Vorwurf unzureichender Befragung der Zeugin Mag. K***** zu ihrer beruflichen Qualifikation und Erfahrung, also der Unterlassung amtswegiger Beweisaufnahme ist nicht Gegenstand der Mängelrüge (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 457).

Die Tatsachen- als Aufklärungsrüge (Z 5a) gesteht zu, von einer Antragstellung auf ergänzende Befragung des kontradiktorisch vernommenen Tatopfers, das von seinem Entschlagungsrecht gemäß § 156 Abs 1 Z 2 StPO Gebrauch gemacht hatte (ON 15 S 5), angesichts prognostizierter Aussichtslosigkeit bewusst abgesehen zu haben, und vermag daher nicht nachvollziehbar darzulegen, wieso das Schöffengericht trotzdem seine Verpflichtung zu amtswegiger Wahrheitsforschung verletzt habe (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Auch der Einwand, der Angeklagte sei zum Zeitpunkt der kontradiktorischen Vernehmung noch nicht anwaltlich vertreten gewesen, sodass ihm mangels entsprechender Belehrung durch das Gericht nicht bewusst gewesen sei, sich durch sein Nichterscheinen der einzigen Möglichkeit, sein Fragerecht auszuüben, zu begeben, versagt bereits mangels entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung, den Ersatz der unmittelbaren Beweisaufnahme durch Vorführung der bei der kontradiktorischen Vernehmung im Ermittlungsverfahren getätigten Angaben hintanzuhalten oder die Zeugin zu bestimmten Umständen ergänzend zu befragen (vgl RIS-Justiz RS0125706; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 233), zumal die Beschwerde nicht deutlich macht, weshalb der nunmehr anwaltlich vertretene Angeklagte an einer solchen gehindert gewesen sein sollte (vgl neuerlich Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die prozessordnungskonforme Darstellung der Tatsachenrüge (Z 5a) verlangt, aus dem vorliegenden Beweismaterial, das in der Hauptverhandlung vorgekommen ist (§ 258 Abs 1 StPO) oder vorkommen hätte können und dürfen (RIS-Justiz RS0119310), unter konkreter Bezugnahme auf solches anhand einer Gesamtbetrachtung der tatrichterlichen Beweiswürdigung darzulegen, warum erhebliche Bedenken gegen die Urteilsfeststellungen zu entscheidenden Tatsachen bestehen sollten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481, 487). Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie sich darauf beschränkt, den Überlegungen des Erstgerichts - gestützt auf selektiv aus dem Kontext gelöste Passagen der Aussage der Zeugin Giulia C***** im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung (ON 15) und den Vorwurf einer die notwendige Objektivität vermissen lassenden Vernehmungstechnik - eigene Beweiswerterwägungen entgegenzusetzen, um solcherart eine digitale Penetration (zu Schuldspruchpunkt I./) in Abrede zu stellen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte