OGH 12Os4/12y

OGH12Os4/12y31.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen David R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Aleksandar J***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 26. September 2011, GZ 14 Hv 96/11t-42, sowie die Beschwerde des Genannten gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Aleksandar J***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche Mitangeklagter enthält, wurde Aleksandar J***** des Verbrechens (vgl US 13) des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 und 15 Abs 1 StGB (A./2./) sowie des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 15 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er - zusammengefasst und soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung -

am 11. Juni 2011 in Graz mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zur Ausführung der strafbaren Handlung des David R***** und des Abbas H*****, die Daniel M***** gewaltsam Teile eines Mobiltelefons wegnahmen, beigetragen, indem er mit diesen den Tatplan erstellte, das Opfer auswählte und sich am Tatort zur allfälligen Unterstützung (US 6) bereithielt (A./2./).

Gegen dieses Urteil wendet sich die auf Z 5, 5a und 9 (richtig) lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte, aber ausdrücklich nur in Bezug auf den Schuldspruch A./2./ ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Aleksandar J*****.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Rüge mit dem dennoch auf gänzliche Urteilsaufhebung gerichteten Rechtsmittelantrag auch den Schuldspruch C./ erfasst, unterlässt sie es, Nichtigkeit bewirkenden Umstände deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO). Auch im Übrigen ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt.

Der eine unzureichende Begründung reklamierenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist der vom Erstgericht gezogene Schluss vom gezeigten Verhalten auf das zugrundeliegende Wollen oder Wissen des Beschwerdeführers ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar, bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452; RIS-Justiz RS0098671).

Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit einer Person als kritisch-psychologischer Vorgang kann aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht releviert werden (vgl RIS-Justiz RS0106588 [T9]). Mit der Kritik an der Wertung der entlastenden Angaben (US 9 bis 12) als Schutzbehauptung wird vielmehr unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft. Im Übrigen legten die Tatrichter sehr wohl eingehend dar, weshalb sie zu dieser Einschätzung gelangten (US 9 ff).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Vorbringen, Aleksandar J***** sei der deutschen Sprache nicht mächtig und dem Vorwurf, bei der polizeilichen Vernehmung sei kein Dolmetscher beigezogen worden, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Das in Bezug auf die ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführte erste Vernehmung des Beschwerdeführers zum Raubvorwurf behauptete Verwertungsverbot erweist sich bereits wegen der aktenkundigen Zustimmung des Nichtigkeitswerbers zur Verlesung des gesamten Akteninhalts (ON 41 S 8) als geradezu unverständlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 68). Lediglich der Vollständigkeit halber sei auch auf die Verständigungsprobleme ausdrücklich in Abrede stellenden Angaben des Zeugen Franz M***** verwiesen (ON 41 S 6).

Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erfordert den Nachweis, dass das Gericht durch seinen Ausspruch über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe, das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet hat. Ein solcher Nachweis kann demnach nur unter striktem Festhalten an dem im Urteil festgestellten Sachverhalt (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) durch dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Strafgesetz (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) geführt werden (RIS-Justiz RS0099810, RS0099658). Diesen Anfechtungskriterien wird die Nichtigkeitbeschwerde nicht gerecht.

Der im Rahmen der Tatsachenrüge erhobene Vorwurf fehlender Feststellungen (der Sache nach Z 9 lit a) setzt sich nämlich über die zur Anwendung von Gewalt ausdrücklich getroffenen Konstatierungen (US 7) und die Rechtsrüge (Z 9 lit a) über die zur subjektiven Tatseite getroffenen Urteilsannahmen (US 6 und 7) hinweg, indem sie in eigenständiger Beweiswürdigung der Verfahrensergebnisse argumentiert.

Dass es weiterer Feststellungen bedurft hätte (der Sache nach Z 9 lit a), wird in Bezug auf mehrere Aspekte lediglich behauptet (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Der Vollständigkeit halber ist zum Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB festzuhalten, dass eine tatbestandliche Handlungseinheit vorliegt, demnach im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen gewesen wäre, dass einige der gleichartigen Handlungen nur versucht wurden (vgl dazu RIS-Justiz RS0120233; RS0122006; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 521; 11 Os 51/11a, 12 Os 121/11b, 13 Os 1/07g [verst Senat]).

Als prozessual verfehlt, dem Angeklagten Abbas H***** aber nicht zum Nachteil gereichend, erweist sich auch die mit der Ausfertigung des Urteils verbundene Beschlussausfertigung, soweit sie die Anordnung von Bewährungshilfe betrifft (vgl Schroll in WK2 § 50 Rz 16; Danek, WK-StPO § 270 Rz 50).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Aleksandar J***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte