OGH 11Os136/11a

OGH11Os136/11a12.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian H***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. Juni 2011, GZ 83 Hv 142/08x-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian H***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (I./ und [gemeint] II./) und (rechtsirrig auch) des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und betreffend der Fakten I./ und II./ in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachstehende Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die Nachgenannte in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

I./ am 12. August 2004 in Wien Angestellte des Finanzamtes Wien 21/22 durch die Vorspiegelung, Abgabepflichtiger des Einzelunternehmens C***** Ha*****, zu sein, indem er eine gefälschte Umsatzsteuervoranmeldung für das Quartal April bis Juni 2004 einreichte, wobei er auf das Formular die Unterschrift von Dorothea H***** hineinkopierte oder einscannte, und anschließend die Auszahlung des Steuerguthabens für das genannte Unternehmen auf sein Konto mit der Nummer ***** bei der E***** Bank beantragte, wobei er auch auf diesem Antrag die Unterschrift von Dorothea H***** hineinkopierte oder einscannte, wodurch Dorothea H***** mit einem Betrag in der Höhe von 6.493,84 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

II./ am 3. August 2005 in Selzthal Berechtigte der E*****gesellschaft mbH Linz durch Täuschung über seine Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit zum Abschluss eines Mietvertrags und zur Überlassung einer Wohnung verleitet, die die Gesellschaft am Vermögen mit einem Betrag von 12.118,70 Euro schädigte;

III./ am 26. Juli 2008 in Groß Sankt Florian Friedrich R***** durch Täuschung über seine Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit zu im Urteil bezeichneten Leistungen verleitet, die den Genannten im Betrag von 196,60 Euro am Vermögen schädigten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden die das Faktum I./ betreffenden Anträge auf Beischaffung der Umsatzsteuervoranmeldungen des ersten und zweiten Quartals 2004 zur Steuerkontonummer ***** sowie auf Einholung eines „graphologischen“ (gemeint: schriftkundlichen) Sachverständigengutachtens jeweils zum Beweis dafür, dass die Unterschrift der Dorothea H***** auf der Umsatzsteuervoranmeldung für das zweite Quartal 2004 zur Steuerkontonummer ***** nicht gefälscht bzw eingescannt ist, zu Recht abgewiesen.

Ein Sachverständigengutachten ist nämlich nur dann einzuholen, wenn Umstände vorgebracht werden, deren richtige Bewertung von Fachkenntnissen abhängt, die nicht jedes Mitglied des Gerichts besitzt. Soweit die Richter ein Beweisergebnis - wie gegenständlich, ob die Unterschrift kopiert bzw eingescannt oder im Original angebracht wurde - nach ihrer allgemeinen und fachlichen Bildung beurteilen können, bedarf es eines Sachverständigenbeweises nicht (RIS-Justiz RS0097283).

Im Übrigen befand sich die Umsatzsteuervoranmeldung für das schuldspruchrelevante zweite Quartal im Original bei den Akten und wurde als ON 9 verlesen.

Der Umsatzsteuervoranmeldung für das erste Quartal kommt keine Entscheidungsrelevanz zu und konnte demnach schon deshalb nicht Ziel einer erfolgreichen Antragstellung sein (vgl RIS-Justiz RS0116987, RS0107445).

Entsprechendes gilt für den zum Faktum II./ gestellten Antrag auf Anfrage beim Sozialhilfeträger der Bezirkshauptmannschaft Liezen zum Beweis dafür, dass der E*****gesellschaft mbH Linz die bescheidenen finanziellen Verhältnisse des Angeklagten von Anfang an bekannt waren. Der Beweisantrag ließ darüber hinaus nicht erkennen, aus welchem Grund eine Anfrage beim Sozialhilfeträger einer Bezirkshauptmannschaft die behauptete Kenntnis der E*****gesellschaft mbH Linz von Liquiditätsproblemen zum Vertragsabschluss unter Beweis stellen sollte.

Letztlich fiel auch der zum selben Beweisthema gestellte Antrag auf Anfrage bei der Steiermärkischen Landesregierung zum Beweis dafür, dass der Angeklagte unmittelbar nach Abschluss des Mietvertrags den Antrag auf Gewährung einer Wohnbeihilfe gestellt und die E***** in das Verfahren einbezogen worden sei, zu Recht der Abweisung, weil nicht erkennbar war, inwieweit nach dem Täuschungszeitpunkt gelegene und nur einen Teilschadensbetrag umfassende Umstände für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollten.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, welche den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0118317). Der Mängelrüge zuwider wurde die konstatierte auf gewerbsmäßige Tatbegehung gerichtete Absicht durch Bezugnahme auf die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, dessen gleichbleibend schlechte finanzielle Einkommens- und Vermögenssituation sowie seinen auf lange Zeit angelegten Schädigungs- und Bereicherungswillen (US 18) und damit ohne Verstoß gegen Logik und Empirie begründet. Dass diese Begründung den Beschwerdeführer nicht überzeugt, vermag keine Nichtigkeit herzustellen (Fabrizy, StPO11 § 281 Rz 46a).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass der in einer Missachtung des § 29 StGB gelegene Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) - richtig wäre nur ein Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB anzulasten gewesen - gegenständlich keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO darstellt, weil darin keine Verurteilung mit einem qualitativ höheren Unrechtsgehalt zum Ausdruck kommt als bei rechtsrichtiger Subsumtion der Taten und daraus auch keine unrichtigen, für den Angeklagten nachteiligen Strafzumessungstatsachen (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) abgeleitet wurden (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23 ff; RIS-Justiz RS0090838, RS0090575). An die insoweit fehlerhafte Subsumtion ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte