OGH 9ObA111/11f

OGH9ObA111/11f25.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** L*****, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in Baden, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Sauerzopf & Partner Rechtanwälte OG in Eisenstadt, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 5 Cga 112/08d des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juli 2011, GZ 9 Ra 67/11f-9, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Mit ihrer zu 5 Cga 112/08d des Landesgerichts Wiener Neustadt eingebrachten Klage brachte die Klägerin vor, zwischen ihr und der Beklagten habe im Zeitraum vom 18. 7. 2007 bis 30. 11. 2007 ungeachtet der Vereinbarung eines Beratungshonorars von 28 EUR pro Stunde zuzüglich 20 % USt ein Dienstverhältnis bestanden, aufgrund dessen sie die Zahlung von 11.479 EUR sA (jeweils 4.569,60 EUR an 13. und 14. Gehalt, 2.339,80 EUR Urlaubsersatzleistung) begehre. In der Folge schränkte sie das Begehren mit dem Vorbringen eines durchschnittlichen Monatsverdienstes von 5.059,16 EUR netto auf 6.348,26 EUR ein.

Mit Urteil vom 19. 5. 2009 wies das Erstgericht das Klagebegehren ab, weil auch ausgehend vom behaupteten Angestelltenverhältnis auf Basis eines monatlichen Grundgehalts von 2.600 EUR brutto für 32 Wochenstunden, dem nachfolgenden Arbeitsvertrag und den sich aus den Honorarnoten ergebenden von der Klägerin verrichteten Arbeitsleistungen (die teilweise als Kilometergeld abgerechnet wurden) ihre Ansprüche 18.648,16 EUR brutto betragen hätten, darauf jedoch bereits ein Betrag von 22.766,24 EUR netto geleistet worden sei. Dieses Urteil ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Gestützt auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO begehrte die Klägerin am 22. 3. 2011 die Wiederaufnahme des Verfahrens und brachte vor, aus den im Abgabenverfahren gegen die Beklagte ergangenen Bescheiden der Burgenländischen Gebietskrankenkasse vom 2. 10. 2008 und des Amtes der Burgenländischen Landesregierung vom 20. 10. 2009 über die nachträgliche Einbeziehung der Klägerin in die Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG ergebe sich, dass das im Vorverfahren angenommene monatliche Bruttogehalt von 2.600 EUR nicht dem tatsächlich ihr zustehenden Bruttogehalt entspreche. Beide Behörden seien davon ausgegangen, dass zumindest eine Abgabenpflicht im Rahmen der Höchstbeitragsbemessungsgrundlage vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig.

Wurde eine Wiederaufnahmsklage bereits vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen, so ist das Rechtsmittelverfahren einseitig. Der angefochtene Beschluss ist, weil der Ausnahmefall des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO vorliegt, nicht jedenfalls unanfechtbar (RIS-Justiz RS0125126). Allerdings liegt keine Rechtsfrage von der in § 528 Abs 1 ZPO genannten Qualität vor:

Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Die neuen Tatsachen und Beweismittel sind nicht nur im Hinblick auf ihre abstrakte Eignung, eine Änderung der im Vorprozess ergangenen Entscheidung herbeizuführen, zu würdigen, vielmehr muss auch eine Prüfung dahingehend erfolgen, ob die Nichtberücksichtigung dieser Tatsachen oder Beweismittel im Vorprozess geeignet war, die Beweiswürdigung im Vorprozess zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0044510). Die neuen Tatsachen und Beweismittel müssen nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung von Einfluss sein; es genügt auch, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0044411). Mit der Wiederaufnahmsklage kann nur die Tatfrage, nie die Rechtsfrage von neuem aufgerollt werden (6 Ob 230/09f). Ein rechtskräftiges behördliches Erkenntnis fällt nicht unter den Begriff der „neuen Tatsachen oder Beweismittel“, wären doch sonst die Wiederaufnahmsgründe nach § 530 Abs 1 Z 5 und 6 ZPO überflüssig (RIS-Justiz RS0044497 [T2] = 4 Ob 155/02a). Eine andere rechtliche Beurteilung ist daher für sich alleine nicht geeignet, eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO darzustellen (RIS-Justiz RS0044756; s auch RS0044488).

Von diesen Grundsätzen ist das Rekursgericht nicht abgewichen. Dazu ist insbesondere hervorzuheben, dass in der Wiederaufnahmsklage nicht aufgezeigt wird, dass aus den vorgelegten Bescheiden oder dem zugrunde liegenden Abgabenverfahren bisher nicht bekannte oder nicht herangezogene Tatsachen hervorgehen, die zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis des Vorprozesses führen hätten können. Eine Divergenz der Behörden in der Berechnung der Einkommenshöhe der Klägerin bei gleichem zugrunde gelegtem Sachverhalt kann in diesem Zusammenhang keine neue Tatsache iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO darstellen. Wie dargelegt, sind rechtskräftige behördliche Erkenntnisse als solche auch nicht als neue Beweismittel anzusehen.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

Stichworte