OGH 7Ob164/11k

OGH7Ob164/11k28.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G***** S*****, vertreten durch Heiss & Heiss Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 46.152 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Juli 2011, GZ 4 R 122/11i-19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 16 Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind Gefahrenumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben (uva 7 Ob 57/05s mwN). Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (RIS-Justiz RS0080628). Nach Lehre und Rechtsprechung sind an die vom Versicherungsnehmer bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt insbesondere dann, wenn die gestellten Fragen - wie hier - Individualtatsachen betreffen, ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (RIS-Justiz RS0080641). Für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht genügt bereits leichte Fahrlässigkeit (RIS-Justiz RS0080572). Die Beweislast für mangelndes Verschulden trifft den Versicherungsnehmer (RIS-Justiz RS0080809). Der Versicherer bleibt nur dann zur Leistung im Sinn des § 21 VersVG verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer jede mögliche Mitursache des falsch angezeigten oder verschwiegenen Umstands an dem Eintritt des Versicherungsfalls und dem Umfang der Leistungen des Versicherers ausschließen kann (RIS-Justiz RS0080025). Bei der Beantwortung von Individualtatsachen, über die der Versicherte nur aus eigenem Wissen Auskunft erteilen kann, ist es diesem bereits als Verschulden anzulasten, wenn er das vom Versicherungsagenten unrichtig oder unvollständig ausgefüllte Formular unterfertigt, ohne es vorher auf seine Richtigkeit überprüft zu haben (RIS-Justiz RS0080580).

Mit seiner Argumentation, der sie betreuende Angestellte der Beklagten sei Abschlussagent gewesen, übergeht der Kläger (der Erbe der Versicherungsnehmerin, seiner verstorbenen Ehefrau) die erstgerichtliche Feststellung, dass der Aufgabenbereich des Agenten mit Einreichen des Versicherungsantrags erfüllt war. Es handelt sich daher bei dem Angestellten der Beklagten um einen Vermittlungsagenten, der lediglich mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften betraut war. Auch beim Vermittlungsagenten ist dem Versicherer aber jenes Wissen zuzurechnen, das er anlässlich der Antragsentgegennahme erlangte (RIS-Justiz RS0117406, RS0113310).

Nach den Feststellungen wurde der Versicherungsnehmerin die Gebärmutter wegen eines high-risk krebsbedingten Tumors entfernt. Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde ihr zwar mitgeteilt, dass eine gute Prognose bestehe und sie praktisch als geheilt betrachtet werden könne, dass es aber in extrem seltenen Fällen zu einem Spättumor oder zu Spätmetastasierungen kommen könne. Die Versicherungsnehmerin erhielt auch eine Strahlentherapie. Dem Agenten der Beklagten teilte der Kläger hingegen nur mit, dass sich seine Frau einer Gebärmutteroperation unterziehen habe müssen, der Operationsverlauf gut gewesen sei und sie sich seither in einem guten gesundheitlichen Zustand befinde. Die Gebärmuttererkrankung wurde von ihm als leichter Eingriff dargestellt, der als völlig geheilt angesehen werde. Die Angaben zum Gesundheitszustand der Versicherungsnehmerin entsprechen also auch unter Berücksichtigung der dem Vermittlungsagenten der Beklagten genannten Tatsachen (es wurden die Frage im Gesundheitsbogen mit dem Agenten der Beklagten nach einer Operation nur mit „ja“, die Frage nach einer Isotopen- oder Chemotherapie mit „nein“ und die Frage nach einer Erkrankung der Geschlechtsorgane mit „nein“ beantwortet) nicht der Wahrheit, sondern verharmlosen die dem Eingriff zugrundeliegende Krankheit.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, aus dem Hinweis des Agenten, man werde allenfalls nötige Informationen im Krankenhaus oder beim Arzt einholen, sei für den Kläger nichts zu gewinnen, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden, weil ja die entsprechenden Angaben zum Gesundheitszustand bestimmen, ob und welche Erhebungen der Versicherer als notwendig erachten wird. Insofern erübrigt sich auch ein Eingehen auf Art 9 Abs 3 AVB; weil die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Angaben der Versicherungsnehmerin nicht offensichtlich ist.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich also im Rahmen der Judikatur. Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

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