Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrte Zahlung von (zuletzt) 641.391,24 EUR Mietzins sowie Räumung von Büroräumlichkeiten, welche die beklagte Partei mit Mietvertrag vom 23. 5. 2007 gemietet habe. Der Mietvertrag über die Räumlichkeiten, die nicht als Sitz der Botschaft vorgesehen gewesen seien, sei vom damaligen Sekretär der Botschaft unterzeichnet worden. Er stelle keinen hoheitlichen Akt, sondern ein privatrechtliches Geschäft dar. Die Botschaft sei als Vertreterin der beklagten Partei aufgetreten. Grund für die Anmietung der Räumlichkeiten seien die Bemühungen der beklagten Partei und ihres früheren Botschafters gewesen, den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für das Jahr 2009 zu erhalten. Das Mietobjekt sei in der Folge auch übergeben worden. Am 26. 6. 2007 hätten der Vertreter der Botschaft und der Geschäftsführer der Hausverwaltung über den Wunsch der Vertreter der beklagten Partei gesprochen, die als solche gemieteten Büroräumlichkeiten nun auch für Wohnzwecke zu mieten, was die Eigentümerin jedoch abgelehnt habe. Die Mieterin habe in der Folge unter einem Vorwand den Wunsch geäußert, aus dem Vertrag auszusteigen. Der Angehörige der Botschaft, der den Mietvertrag unterzeichnet hätte, habe die Kaution und die monatlichen Mieten von Juni bis Dezember 2007 vom offiziellen Botschaftskonto überwiesen. Sollte er nicht vertretungsbefugt gewesen sein, sei von einer Anscheinsvollmacht auszugehen. Er sei nämlich ausschließlich für alle finanziellen Angelegenheiten der Botschaft zuständig und auf dem Botschaftskonto alleine zeichnungsberechtigt gewesen. Der Mietvertrag sei mit Stempel der Botschaft unterfertigt worden.
Die beklagte Partei berief sich auf ihre Exterritorialität und bestritt ihre Passivlegitimation. Sie habe den Mietvertrag weder genehmigt noch geschlossen. Dieser sei eine Fälschung. Die Räumlichkeiten seien der beklagten Partei nie übergeben worden. Ein derartiger Mietvertrag bedürfe jedenfalls der schriftlichen Genehmigung ihres Außenministers. Das Dokument müsse ein Rundsiegel der beklagten Partei samt Unterschrift des befugten Organs (Botschafter oder bevollmächtigter Botschaftsrat) sowie links oben die jeweilige Geschäftszahl und rechts unten die fortlaufende Zahl der Urkunde, die im Dokumentenarchiv der beklagten Partei aufscheine, tragen.
Das Erstgericht verwarf (unbekämpft) die auf die Exterritorialität der beklagten Partei gestützte Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusammengefasst Folgendes fest:
„Die beklagte Partei war im Jahr 2010 Vorsitzende der OSZE mit Sitz in Wien. Die Entscheidung darüber war im November 2007 getroffen worden. Im April 2009 fand die Beklagte ein Gebäude in Wien für die Verwendung im Rahmen dieses Vorsitzes. Die Botschaft der beklagten Partei befindet sich in Wien 19, Felix-Mottl-Straße 23.
Rakhat A***** war zweimal Botschafter der beklagten Partei in Österreich. Er wurde mit Erlass des Präsidenten der beklagten Partei vom 25. oder 26. 5. 2007 von seiner Position abberufen. Unbeschränkt haftende und selbständig vertretungsbefugte Gesellschafterin der klagenden Partei ist die A.***** AG. Deren Alleinaktionär und zugleich selbständig vertretungsbefugtes alleiniges Vorstandsmitglied ist der Klagevertreter. Mitglied des Aufsichtsrats ist der frühere Botschafter der beklagten Partei. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Klagevertreter für diesen die Aktien treuhändig hält.
Der schriftliche Hauptmietvertrag bezeichnet die „Hausinhabung des Hauses *****, vertreten durch *****Hausverwaltung *****“, als Vermieterin und die Botschaft der Republik Kasachstan, Felix-Mottl-Straße 23, 1190 Wien, als Mieterin. Das Objekt im Ausmaß von 952 m² wurde ab 1. 5. 2007 befristet auf zehn Jahre ausschließlich zu Bürozwecken gemietet. Der monatliche Bruttomietzins betrug 27.172,80 EUR. Eine Kaution in Höhe von 81.500 EUR wurde vereinbart.
Am Ende des Vertragstextes finden sich je eine Unterschriftenzeile für Mieter und Vermieter samt Vordruck „Wien, am“. In der für den Mieter vorgesehenen Spalte unterzeichnete Amangeldy S*****. Seiner Unterschrift wurde der Stempel der Botschaft der beklagten Partei in Österreich samt der Presse-, Telefon- und Faxnummer beigesetzt. Es handelt sich um den von der Botschaft verwendeten Posteingangsstempel. Der Vordruck „Wien, am“ wurde durchgestrichen und handschriftlich durch die Worte „Zagreb, am“ ersetzt. Ein Datum fehlte. Wann und wo S***** unterzeichnete, kann nicht festgestellt werden. Er unterzeichnete den Vertrag auf Anweisung A*****s, der, als er die Anweisung erteilte, noch Botschafter der beklagten Partei war. Für die Vermieterin unterzeichnete „jemand von der Hausverwaltung“, dessen Identität nicht näher feststeht. Die vorgedruckte Bezeichnung „Wien, am“ wurde belassen, handschriftlich wurde das Datum „23. 5. 07“ hinzugefügt. Wer mit wem den Mietvertrag vor dessen Unterzeichnung besprach, kann nicht festgestellt werden.
S***** war bis Jänner 2008 fünf Jahre lang Buchhalter der Botschaft der beklagten Partei in Österreich. Er war nicht Botschaftsrat („Legationsrat“), sondern Angestellter ohne diplomatische Immunität. Er war neben dem Botschafter auf dem Botschaftskonto zeichnungsberechtigt und nahm Überweisungen nach Verständigung des Botschafters selbständig vor. Einen Vertrag wie den gegenständlichen durfte er allein nicht unterzeichnen.
Nach den nicht näher feststellbaren Rechtsbestimmungen der beklagten Partei muss und mussten auch im Mai 2007 folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Botschafter oder ein diesen vertretender Legationsrat eine Vereinbarung wie diesen Mietvertrag rechtsgültig für die beklagte Partei abschließen darf:
Die Botschaft muss unter Vorlage des Vertragsentwurfs und einer Immobilienmarktanalyse die schriftliche Zustimmung des Außenministeriums einholen. Dieses überprüft die Zweckmäßigkeit des Vertrags und stimmt die Genehmigung mit dem Finanzministerium ab, das die Vereinbarkeit des Vertrags mit budgetären Vorgaben überprüft und seine Zustimmung bezogen auf ein bestimmtes Gebäude, eine bestimmte Vertragsdauer und einen bestimmten Preis erteilt. Das schriftliche Genehmigungsschreiben des Außenministeriums muss vom Außenminister und dem Leiter der Finanzabteilung des Außenministeriums (unter Angabe der Nummer der Finanzabteilung) unterzeichnet sein. Links oben ist die jeweilige Geschäftszahl und rechts unten die fortlaufende Zahl der Urkunde, die im Dokumentenarchiv der beklagten Partei aufscheint, anzuführen. Erst nach Vorliegen dieser Genehmigung darf der Botschafter den Vertrag unterzeichnen. Jeder Vereinbarung wird eine Übersetzung in die kasachische Sprache beigelegt. Beides wird gemeinsam unterschrieben. Festgehalten wird der vollständige Familienname des Unterzeichners. Jede Seite wird paraphiert. Bei der Unterzeichnung wird das Rundsiegel der Botschaft mit dem Wappen der beklagten Partei auf das Original der Vereinbarung gesetzt. Mit der Anbringung des Rundsiegels und der Unterschrift des Botschafters ist der Vertrag nach den kasachischen Vorschriften gültig.
Der Mietvertrag trägt kein Rundsiegel der beklagten Partei oder ihrer Botschaft. Eine Übersetzung in die kasachische Amtssprache fehlt. Die Namen der vertretenden und unterzeichnenden Personen sind nicht angegeben. Dass das Außenministerium der beklagten Partei dem Abschluss des Mietvertrags (schriftlich) zustimmte, steht nicht fest. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach der Unterzeichnung des Mietvertrags übergab die Hausverwaltung einer, „damals der Botschaft der beklagten Partei in Österreich zuzurechnenden“ Person, deren Identität nicht feststeht, die Schlüssel für das Mietobjekt. Am 26. 6. 2007 fanden dort zwischen dem Geschäftsführer der Hausverwaltung und (unbekannten) Vertretern der Botschaft Gespräche über Bauarbeiten statt. Die Vertreter der Botschaft fragten, ob das Objekt auch zu Wohnzwecken vermietet werde. Das lehnte die Hausverwaltung nach Rücksprache mit dem Klagevertreter ab.
Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt ab Jänner 2008 sprach ein Legationsrat der Botschaft mit einer Mitarbeiterin der Hausverwaltung über den Wunsch, den Mietvertrag aufzulösen. Die beklagte Partei ging davon aus, dass ihr früherer Botschafter die Unterzeichnung des Vertrags unter Missachtung der kasachischen Vorschriften und in betrügerischer Absicht veranlasst hätte.
Die Botschaft der beklagten Partei schloss in eigenem Namen und ohne Einhaltung der oben beschriebenen Genehmigungs- und Formerfordernisse in Österreich mehrere Privatverträge mit Privatpersonen (wie Mietverträge/Leasingverträge). Die Verträge wiesen kein Rundsiegel der Botschaft auf und waren nicht mit einer Übersetzung verbunden. Die beklagte Partei kaufte 1995 die Liegenschaft, auf der sich ihr Botschaftsgebäude befindet. Die beim Grundbuchsgericht erliegende Ausfertigung des Kaufvertrags trägt keinen Rundstempel der beklagten Partei. Eine Übersetzung ist nicht angeschlossen. Es kann nicht festgestellt werden, dass mit der klagenden Partei oder ihrer Hausverwaltung bereits Verträge ohne Einhaltung der beschriebenen Vorschriften geschlossen und erfüllt wurden.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht die Voraussetzungen einer wirksamen organschaftlichen Vertretung der beklagten Partei nach deren Personalstatut, also nach kasachischem Recht, während es die das Außenverhältnis betreffende Frage der Anscheinsvollmacht nach § 49 IPRG österreichischem Recht unterstellte. Eine wirksame Vollmacht, den Mietvertrag im Namen der beklagten Partei abzuschließen, scheitere am Fehlen der nach kasachischem Recht nötigen Zustimmung des Außenministeriums. Für ein berechtigtes Vertrauen der klagenden Partei auf eine Bevollmächtigung des unterzeichnenden Buchhalters bestünden keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere, weil das verpflichtende Rundsiegel nicht verwendet worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass mangels Zustimmung des Außenministers der beklagten Partei und Einhaltung der im kasachischen Recht vorgesehenen Formvorschriften kein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen sei. Die beklagte Partei habe auch kein Verhalten gesetzt, aus dem ohne jeden Zweifel zu schließen sei, dass sie den Buchhalter bevollmächtigt hätte, in ihrem Namen den Mietvertrag abzuschließen. Es sei nicht erwiesen, wann das Außenministerium der beklagten Partei von den Zahlungen erfahren habe. Ebenso sei offen geblieben, welchen Personen der Schlüssel zum Bestandobjekt ausgehändigt worden sei und wer die Gespräche mit der Hausverwaltung über Umbauarbeiten und die Möglichkeit der Anmietung zu Wohnzwecken geführt habe. Die Bemühungen des Botschaftsrats, eine einvernehmliche Lösung zu finden, sei aus der Sicht der klagenden Partei nicht als Anerkenntnis, dass der Mietvertrag wirksam sei, zu verstehen. Die Botschaft der beklagten Partei sei sich nicht sicher gewesen, ob der Vertrag gültig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
1. Die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit wurde rechtskräftig zurückgewiesen. Daran ist der Oberste Gerichtshof nach § 42 Abs 3 JN gebunden.
2. Als Nichtigkeit des Berufungsurteils macht die Revisionswerberin geltend, dieses setze sich mit dem Räumungsbegehren nicht auseinander. Eine mangelhafte Begründung verwirklicht den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO aber nur dann, wenn die Entscheidung entweder gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie nicht überprüfbar ist (RIS-Justiz RS0007484). Thema des Berufungsverfahrens war nach der Berufung der klagenden Partei nur der wirksame Abschluss des Mietvertrags, darunter als Teilaspekt die Bedeutung der Schlüsselübergabe als Grundlage für die Übergabe des Objekts an die beklagte Partei. Dazu finden sich Überlegungen in der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts. Wurde das Bestandobjekt nach der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts nicht wirksam an die beklagte Partei vermietet, ist seine Schlussfolgerung, diese sei nicht zur Räumung als Folge von Mietzinsrückständen verpflichtet, logische Konsequenz. Von einer Unüberprüfbarkeit des Berufungsurteils kann keine Rede sein.
3. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
4. Im völkerrechtlichen Verkehr werden Staaten durch Organe vertreten. Dabei wird zwischen den obersten zentralen und den dezentralisierten Organen, den diplomatischen und konsularischen Vertretern, unterschieden (vgl Dahm, Völkerrecht² I/1, 244; vgl Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4 I Rz 1671). Nach Art 7 Abs 2 lit b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl 40/1980, das nach seinem Art 1 nur auf Verträge zwischen Staaten anzuwenden ist, werden Chefs diplomatischer Missionen (iSd Art 1 lit a des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl 66/1966) zum Annehmen des Textes eines Vertrags zwischen Entsende- und Empfangsstaat Kraft ihres Amts als Vertreter ihres Staats angesehen, ohne eine Vollmacht vorlegen zu müssen. Das in der Kodifikation der Völkerrechtskommission (ILC) festgehaltene Recht der Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen (wiedergegeben in Neuhold/Hummer/Schreuer aaO II 511 ff) bezieht sich nach seinem Art 1 auf die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Staats für seine völkerrechtswidrigen Handlungen. Solche liegen nach Art 2 vor, wenn ein Verhalten in Form eines Tuns oder Unterlassens a) dem Staat nach Völkerrecht zurechenbar ist und b) eine Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung des Staats darstellt. Art 7 wertet das Verhalten eines Staatsorgans oder einer zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse ermächtigten Person oder Stelle als Handeln des Staats im Sinn des Völkerrechts, wenn das Organ, die Person oder die Stelle in dieser Eigenschaft handelt, selbst wenn sie ihre Kompetenzen überschreiten oder Weisungen zuwiderhandeln. Nach Art 8 stellt das Verhalten einer Person eine Handlung eines Staats im Sinn eines Völkerrechts dar, wenn diese dabei faktisch im Auftrag oder unter der Leitung oder Kontrolle des Staats handelt.
4.1 Die klagende Partei meint unter Hinweis auf Art 7 f dieser Kodifikation und völkerrechtliche Zuständigkeitsvermutungen für dezentralisierte Organe (Köck in Neuhold/Hummer/Schreuer aaO I Rz 1685), dass nach den Grundsätzen des Völker-(gewohnheits-)rechts ein hoheitliches Handeln des Buchhalters der Botschaft der beklagten Partei (eines Angestellten ohne diplomatische Immunität) nach Anweisung oder unter Kontrolle des damaligen Botschafters der beklagten Partei zuzurechnen sei.
4.2 Damit setzt sie sich aber eindeutig in Widerspruch zu ihrer dem erstinstanzlichen Vorbringen zugrunde gelegten, zutreffenden (vgl Matscher in Fasching/Konecny² Art IX EGJN Rz 215 mwN) rechtlichen Auffassung, der Abschluss des Mietvertrags sei kein hoheitlicher Akt, sondern ein rein privatrechtliches Geschäft. Die in Anspruch genommene völkerrechtliche Zuständigkeitsvermutung soll der Sicherheit des zwischenstaatlichen Verkehrs dienen (vgl Köck aaO). Zudem geht die Revisionswerberin selbst davon aus, dass sich die Berechtigung eines Botschafters, Verträge im Namen des Entsendestaats abzuschließen, auf die üblicherweise mit dem Betrieb der Mission verbundenen Geschäfte beschränken soll (vgl Köck aaO). Es steht nun überhaupt nicht fest, zu welchem (der beklagten Partei zuzurechnenden) Zweck die Geschäftsräumlichkeiten, deren Umwidmung zu Wohnzwecken sogar später diskutiert wurde, gemietet wurden. Die in erster Instanz vorgebrachte Behauptung der klagenden Partei, das Gebäude sei im Zusammenhang mit dem Vorsitz der beklagten Partei in der OSZE gemietet worden, findet im festgestellten Sachverhalt keine Deckung. Wenn die Revisionswerberin in ihren Ausführungen nur auf die Vertretung durch den Botschafter selbst (als von der beklagten Partei beauftragter Missionschef [Art 1 lit a des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl 66/1966]) abstellt und die Auffassung vertritt, der Mietvertrag sei als Konsensualvertrag durch die übereinstimmenden Willenserklärungen der Vermieterin und des damaligen Botschafters als vertretungsbefugtes Organ zustande gekommen, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Es konnte eben nicht festgestellt werden, wer mit wem den Mietvertrag aushandelte.
5. Der beklagte Staat ist als öffentlich-rechtliche Körperschaft im Gegensatz zu seiner nicht parteifähigen (RIS-Justiz RS0009125) Botschaft eine juristische Person (Aicher in Rummel³, § 26 Rz 4; vgl Fischer/Köck, Völkerrecht6 Rz 896). Die Revisionswerberin pflichtet der Auffassung der Vorinstanzen über die Anwendung des kasachischen Rechts als Sitzstatut der beklagten Partei (§§ 10, 12 IPRG) zur Frage der Vertretungsbefugnis von Staatsorganen (vgl dazu RIS-Justiz RS0077038; RS0077060) ausdrücklich bei. Ebenso wenig zieht sie in Zweifel, dass die das Außenverhältnis zur klagenden Partei betreffenden Fragen der Anscheinsvollmacht und der nachträglichen Genehmigung einer vollmachtslosen Vertretungshandlung dem Stellvertretungsstatut des § 49 IPRG zu unterstellen (RIS-Justiz RS0077060; vgl Verschraegen in Rummel³n, § 49 IPRG Rz 4) und damit nach österreichischem Recht zu beurteilen sind. Ließen sich die beiden zuletzt genannten Fragen zugunsten der klagenden Partei beantworten, wäre es nicht nötig, die wirksame organschaftliche Vertretung nach den Rechtsvorschriften Kasachstans zu überprüfen. Dies trifft hier aber nicht zu.
6. Eine Anscheinsvollmacht (Vollmacht wegen Vertrauens auf den äußeren Tatbestand) setzt voraus, dass Umstände vorliegen, die geeignet sind, beim Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu wecken (RIS-Justiz RS0019609). Die klagende Partei rechtfertigt das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht in der Revision ausschließlich damit, dass die Botschaft der beklagten Partei (von dieser jahrzehntelang geduldet) zahlreiche Vereinbarungen ohne Einhaltung der von den Vorinstanzen angenommenen zwingenden Genehmigungs- und Formerfordernisse abgeschlossen hat. Die klagende Partei könnte sich aber nur auf diese Praxis berufen, wenn sie sie vor Abschluss des hier zu beurteilenden Mietvertrags gekannt hätte (RIS-Justiz RS0019625; P. Bydlinski in KBB³ § 1029 Rz 7 mwN), was sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet hat. Zudem ignoriert sie die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung zur Einhaltung bestimmter Formvorschriften bei vorangegangenen Verträgen mit der klagenden Partei oder ihrer Hausverwaltung.
6.1 Die nachträgliche Genehmigung vollmachtslosen Handelns nach § 1016 erster Fall ABGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber dem „Vertreter“ oder dem Dritten ausdrücklich oder schlüssig abgegeben werden kann (RIS-Justiz RS0021980; P. Bydlinski aaO § 1016 Rz 4 mwN). Richtig ist zwar, dass die Erfüllung eines vollmachtslos geschlossenen Geschäfts regelmäßig als Genehmigung zu deuten ist (RIS-Justiz RS0021973 [T3]; RS0021980 [T2]). Die nachträgliche Zurechnung vollmachtslosen Handelns im Fall schlüssiger Genehmigung setzt aber voraus, dass entweder der Vertreter oder der Dritte nach den Umständen des Falls darauf vertrauen durfte und auch darauf vertraut hat, der vollmachtslos Vertretene wolle ihm gegenüber zum Ausdruck bringen, dass er mit dem ohne Vollmacht abgeschlossenen Geschäft einverstanden ist. Es durfte für den Vertreter oder den Dritten kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig sein, dass der unwirksam Vertretene ihm gegenüber einen solchen Willen äußern wollte (RIS-Justiz RS0014374).
6.2 Die Zahlung der Kaution und des Mietzinses für die Monate Mai bis Dezember 2007 erfolgte zwar über das Botschaftskonto, auf dem aber der angebliche Vertreter zeichnungsberechtigt war. Eine wirksame Übergabe des Bestandobjekts an Organe der beklagten Partei mit anschließender tatsächlicher Nutzung durch die angebliche Mieterin lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Damit stand aus der Sicht der klagenden Partei nicht mit der in der Judikatur geforderten Eindeutigkeit fest, dass die von der klagenden Partei ins Treffen geführten Zahlungen Erfüllungshandlungen der „scheinvertretenen“ beklagten Partei darstellten, mit denen diese den Vollmachtsmangel nachträglich sanierte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine nachträgliche Genehmigung zu verneinen, ist demnach zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
7. Zu Recht sieht aber die Revisionswerberin in der Ermittlung des fremden Rechts ausschließlich durch die Vernehmung zweier Legationsräte der kasachischen Botschaft einen Verstoß gegen die Pflicht des Gerichts, iSd § 4 Abs 1 Satz 1 IPRG das fremde Recht und die Anwendungspraxis von Amts wegen zu ermitteln (RIS-Justiz RS0113594 [T2]), soweit es die Zustimmung des kasachischen Außenministers und die Einhaltung bestimmter Formvorschriften (Übersetzung, Rundsiegel) als Gültigkeitserfordernis betrifft. Wie sich das Gericht die notwendige Kenntnis des fremden Rechts verschafft, liegt zwar an sich in seinem Ermessen (4 Ob 232/07g = RIS-Justiz RS0045163 [T11]). Neben den im § 4 Abs 1 Satz 2 IPRG aufgezählten Hilfsmitteln (Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten) standen dem Erstgericht auch noch andere Erhebungsquellen, wie eben die Vernehmung der Zeugen, grundsätzlich offen (Neumayr in KBB³ § 4 IPRG Rz 1 mwN). Die beiden Legationsräte der kasachischen Botschaft schilderten allerdings bei ihrer Vernehmung als Zeugen allgemein die Vorgangsweise bei Abschluss derartiger Rechtsgeschäfte, ohne sich dabei auf konkrete Rechtsvorschriften (oder überhaupt ein Gesetz) Kasachstans zu berufen. Diese „allgemeine Praxis“ kann, muss aber nicht jedenfalls den für die Vertretungsbefugnis von Botschaftsangehörigen maßgeblichen Rechtsvorschriften entsprechen, was eine nähere Befassung mit der fremden Rechtsordnung nach den von der höchstgerichtlichen Judikatur entwickelten Kriterien (RIS-Justiz RS0080958; RS0042940 [T5]; RS0109415) unumgänglich macht. Die den Vorinstanzen zu Recht vorgeworfene mangelhafte Ermittlung des fremden Rechts führt damit als Verfahrensmangel besonderer Art, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist, zur Aufhebung ihrer Entscheidungen (RIS-Justiz RS0116580).
8. Mit ihrem Argument, das Räumungsbegehren wäre aufgrund einer titellosen Benutzung des Mietgegenstands jedenfalls gerechtfertigt, übersieht die Revisionswerberin, dass sie in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen dieses Begehren ausschließlich auf Mietzinsrückstände (§ 1118 zweiter Fall ABGB) stützte.
9. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO.
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