OGH 6Ob136/11k

OGH6Ob136/11k18.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** K*****, gegen die beklagte Partei G***** B*****, vertreten durch Dr. Michael M. Ginhart, Rechtsanwalt in Wien, wegen 97.082,40 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2011, GZ 1 R 161/10v-144, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Das Erstgericht traf im zweiten Rechtsgang Feststellungen über ein vom Beklagten zwecks Forderungsabgleichs und Vergleichs veranlassten Zusammentreffens der Streitteile am 20. 12. 2000, bei dem bestimmte Honorarforderungen der Klägerin mit Forderungen des Beklagten abgestimmt und aufgrund von „amikalen Pauschalierungen und Nachlässen“ der Klägerin ein Saldo zugunsten des Beklagten von 420.000 S ermittelt wurde, den die Klägerin als offenen Betrag anerkannte und zu zahlen sich verpflichtete (ON 104 S 34 bis 46 = AS 353 bis 356).

Das Berufungsgericht befand diese in der Berufung der Klägerin gerügte Feststellung mit ausführlicher Begründung für unbedenklich (ON 110 S 22 bis 26 = Band III AS 49 bis 57). Es beurteilte sie rechtlich aber anders als das Erstgericht nicht als „Generalvergleich“, sondern als Vergleich über bestimmte Honorarforderungen der Klägerin. Das Klagebegehren sei aber insofern nicht schlüssig, als dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmbar sei, welche Leistungen sie seit dem Vergleich vom 20. 12. 2000 erbracht habe und welche Honorarbeträge dafür begehrt würden. Unter anderem deshalb kam das Berufungsgericht zu einer Aufhebung des Ersturteils und zur Zurückverweisung an das Erstgericht. Es sprach nicht aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Im dritten Rechtsgang betrachteten beide Vorinstanzen die Frage, ob die Streitteile am 20. 12. 2000 einen Vergleich über wechselseitige Forderungen, mit dem Inhalt, dass sich die Klägerin zur Zahlung von 420.000 S an den Beklagten verpflichtete, geschlossen haben, für abschließend beurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hängt nicht von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage ab:

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist es zwar den Parteien nicht verwehrt, in dem nach einem Aufhebungsbeschluss fortgesetzten Verfahren - das in der Regel in den Stand vor Schluss der Verhandlung erster Instanz zurücktritt - wieder grundsätzlich alle ihnen im erstinstanzlichen Verfahren bis dahin zustehenden Befugnisse wahrzunehmen, vor allem also neue Tatsachen vorzubringen und neue Beweismittel anzubieten, früher nicht beantwortete Behauptungen zu bestreiten oder das Klagebegehren zu ergänzen oder abzuändern. Eine Beschränkung besteht jedoch insoweit, als die aufhebende Instanz eine bestimmte Frage aufgrund des gegebenen Sachverhalts bereits abschließend entschieden hat; dann darf die Beantwortung dieser Frage selbst aufgrund neuer Tatsachen nicht mehr in Zweifel gezogen werden; abschließend erledigte Streitpunkte können nicht wieder aufgerollt werden (4 Ob 1007/96 mwN; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 496 Rz 5). Wenn auch die Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO in § 496 Abs 2 ZPO nicht ausdrücklich erwähnt ist, so kann doch diese Bestimmung im Hinblick auf den Grundsatz der Prozessökonomie und das Wesen des österreichischen Rechtsmittelverfahrens nur dahin verstanden werden, dass auch bei Aufhebung wegen des Vorliegens von Feststellungsmängeln nur zu einem ganz bestimmten vom Feststellungsmangel betroffenen Teil des erstrichterlichen Verfahrens und Urteils (§ 496 Abs 2 zweiter Fall ZPO) das Verfahren im folgenden Rechtsgang auf diesen von der Aufhebung ausdrücklich betroffenen Teil zu beschränken ist. Eine Ausnahme wird nur für solche Tatsachen zugelassen, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung im vorangegangenen Rechtsgang neu entstanden sind (4 Ob 1007/96 mwN).

Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts war mangels des Ausspruchs, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshofs zulässig sei, jedenfalls unanfechtbar (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO). Selbst wenn aber ein für zulässig erklärter Rekurs nicht ergriffen wird, könnte dennoch im folgenden Rechtsgang die dem Aufhebungsbeschluss zugrundegelegte Rechtsansicht bekämpft werden (3 Ob 193/04k, SZ 2005/78; RIS-Justiz RS0042991). Daraus folgt, dass in einem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts eine Frage grundsätzlich nur für dieses Gericht (und das Erstgericht: § 499 Abs 2 ZPO) abschließend erledigt werden kann (4 Ob 1007/96). Daraus ist aber im vorliegenden Fall für die Klägerin nichts zu gewinnen:

Das Berufungsgericht hat im zweiten Rechtsgang die Beweisrüge betreffend Gegenstand und Ergebnis des Gesprächs am 20. 12. 2000 erledigt. Dieser Teil der Entscheidung ist einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, entzogen. Die Ausführungen der Revision unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit stellen diesen Revisionsgrund nicht dar, ist doch weder eine vom Berufungsgericht vorgenommene Wertung noch eine unzutreffende Auslegung von Parteienvorbringen eine Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0043277; RS0041814). Mit ihren Ausführungen versucht die Klägerin in unzulässiger Weise, die erstgerichtliche vom Berufungsgericht überprüfte Beweiswürdigung in Frage zu stellen, um von den getroffenen und für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen abweichende Tatumstände der von ihr gewünschten rechtlichen Beurteilung im Zusammenhang mit dem Ergebnis des Gesprächs vom 20. 12. 2000 zugrundezulegen. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043371). Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS-Justiz RS0117019). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Parteien am 20. 12. 2000 einen Vergleich abschlossen, ist ausgehend von den getroffenen Feststellungen jedenfalls vertretbar.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auflistung jener Honorare, die nicht Gegenstand der Besprechung am 20. 12. 2000 waren, entspricht sowohl nach Fällen als auch der Höhe nach dem Vorbringen der Klägerin (ON 120 S 6 = Band III AS 139; Verhandlungsprotokoll ON 136 S 13 f = Band III AS 261 f).

Für den Aufwandersatzanspruch des Verwalters nach den §§ 837, 1014 ABGB ist dessen Rechnungslegungspflicht insofern bedeutend, als eine dem Gesetz entsprechende Abrechnung spätestens in dem Prozess vorliegen muss, in dem der Verwalter diesen Anspruch geltend macht, weil nur eine solchen Anforderungen entsprechende Abrechnung die Fälligkeit der Forderungen des Verwalters herzustellen vermag (5 Ob 180/06s; RIS-Justiz RS0013748). Wenngleich den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung auch erst im Zuge des Prozesses durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Rechnung getragen werden kann (5 Ob 180/06s), so ist auch die im Einzelnen begründete Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die von der Klägerin vorgelegten Urkunden, insbesondere das in einem Strafverfahren eingeholte Gutachten eines Sachverständigen, keine ordnungsgemäße Rechnungslegung des Verwalters bilden, jedenfalls vertretbar.

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