Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der die Angeklagten Herolind Z*****, Alban G***** und Liridon L***** betreffenden Subsumtion der dem Schuldspruch (A) zu Grunde liegenden Taten auch unter § 201 Abs 2 vierter Fall StGB, folglich auch in den jeweiligen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen), in den Aussprüchen über die privatrechtlichen Ansprüche sowie der unter einem gefasste Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Herolind Z***** und Alban G*****, Liridon L***** sowie die Staatsanwaltschaft, die beiden Erstgenannten auch mit ihren Beschwerden, auf diese Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten Alban G***** und Liridon L***** fallen auch die auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Herolind Z*****, Alban G***** und Liridon L***** jeweils des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (A) sowie Alban G***** auch des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach haben am 3. Juni 2010 in Graz (zusammengefasst wiedergegeben)
(A) Herolind Z*****, Alban G***** und Liridon L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken Stefanie E***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und zur Vornahme und Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem sie diese an den Oberarmen festhielten, zu Boden drückten, entkleideten, jeweils ihren Penis in den zum Teil gewaltsam geöffneten Mund einführten, wobei sie abwechselnd deren Kopf festhielten und damit entsprechende Vor- und Rückbewegungen ausführten, gleichzeitig deren Brüste betasteten und zumindest einer von ihnen auch den Vaginalverkehr an ihr vollzog, wobei Stefanie E***** durch die Tathandlungen, und zwar durch die Ejakulation des Alban G***** und des Herolind Z***** auf ihren Oberkörper und ihr Gesicht sowie durch ihr „aus Angst erfolgtes Einkoten“ in besonderer Weise erniedrigt wurde;
(B) Alban G***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz eine fremde bewegliche Sache, nämlich das Mobiltelefon der Marke Nokia 5800 im Wert von 250 Euro der Stefanie E***** während bzw unmittelbar nach der zu Punkt A) genannten Tat, mithin unter Ausnützung eines Zustands der Genannten, der sie hilflos machte, weggenommen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die von Alban G***** aus Z 5, 5a, 8 und 11 und von Liridon L***** aus Z 4 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden, die ihr Ziel verfehlen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Alban G*****:
Das aus Z 5, 5a und 8 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Beschwerdevorbringen geht bereits im Ansatz fehl, weil es auf den vom Schuldspruch B) gar nicht umfassten und damit nicht entscheidungsrelevanten Wegwurf eines Schuhs der Stefanie E***** (US 8) Bezug nimmt. Die bloße Erwähnung der Wegnahme in den Entscheidungsgründen ist einem Schuldspruch nicht gleichzuhalten (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO, RIS-Justiz RS0116266 [T5 und T6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 503).
Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) auch die Wegnahme des Mobiltelefons (Schuldspruch B) bekämpft, unternimmt sie den Versuch, die Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten Herolind Z***** (US 15) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung („Nicht glaubwürdig ist ...“) in Zweifel zu ziehen und verlässt damit den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0119583; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470).
Mit Blick auf die erfolgte Klarstellung des Herolind Z*****, wonach er das Mobiltelefon von Alban G***** sofort bekommen und dieser das Geld zwei Tage später erhalten habe (ON 101 S 5), zeigt die Rüge auch mit Bezugnahme auf die missverständlichen Angaben davor, nach denen Alban G***** ihm 50 Euro bezahlt habe (vgl auch US 15), keinen inneren Widerspruch (der Sache nach Z 5 dritter Fall) auf.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Liridon L*****:
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Sachverständigen Dr. Kathrin Y***** Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Der Beweisantrag (ON 101 S 21) ließ nämlich nicht erkennen, weshalb die Erörterung des mit den Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. Nikolaus K***** übereinstimmenden Gutachtens, wonach die Verletzungen typische Folge eines ungewollten Geschlechtsverkehrs seien (ON 17), ein für den Angeklagten günstigeres Ergebnis erwarten lasse und zielte damit auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab (RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO, § 281 Rz 330).
Soweit der Beschwerdeführer das Gutachten des Sachverständigen Dr. Nikolaus K***** kritisiert, dabei aber weder einen Mangel iSd § 127 Abs 3 erster Satz StPO noch ein erfolglos gebliebenes Verbesserungsverfahren aufzeigt (RIS-Justiz RS0117263; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351), bekämpft er unzulässig die freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts (RIS-Justiz RS0097433).
Das weitere erst im Rechtsmittel erstattete Vorbringen erweist sich wegen der auf den Antragszeitpunkt bezogenen Prüfung als unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO Rz 325).
Die nur auf ein Detail der festgestellten Gewaltanwendung abstellende Subsumtionsrüge (Z 10) strebt eine Unterstellung des Tatgeschehens unter „§ 202 StGB“ an, übergeht aber dabei das konstatierte Geschehen in seiner Gesamtheit, nämlich das Festhalten am Oberarm, das Zu-Boden-Drücken und die gewaltsame Öffnung des Mundes des Tatopfers (US 7).
Soweit die Beschwerde - gestützt auf 15 Os 135/02, aber ohne die mit BGBl I 2004/15 erfolgte Gesetzesänderung zu beachten - für den Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 StGB einen höheren Grad an Intensität oder Gefährlichkeit verlangt, obwohl der Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 keine „schwere“ Gewalt fordert, lässt sie erneut die Ausrichtung am Verfahrensrecht vermissen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in diesem Umfang gemäß § 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Schuldspruch (A) zum Nachteil der Angeklagten der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet. Dies gilt auch für den Angeklagten Herolind Z*****, der keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat.
Die Annahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 vierter Fall StGB verlangt, dass sich der Tatbestandsvorsatz auch auf die besondere Erniedrigung des Tatopfers bezieht (vgl Philipp in WK2 § 201 Rz 32; 15 Os 141/01). Derartige, die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nach § 201 Abs 2 vierter Fall StGB in subjektiver Hinsicht tragenden Feststellungen sind den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) aber nicht zu entnehmen.
Mit ihren die Qualifikation nach § 201 Abs 2 vierter Fall StGB betreffenden weiteren Einwänden (Alban G*****: Z 11; Liridon L*****: Z 10) waren die Rechtsmittelwerber und Alban G***** mit seiner Sanktionsrüge auf das Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO zu verweisen.
Der Rechtsfehler mangels Feststellungen bedingt die aus dem Spruch ersichtlichen Aufhebungen, auf die die drei Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit ihren - zum Teil nicht nur den Strafausspruch, sondern auch den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche betreffenden - Berufungen sowie die Angeklagten Herolind Z***** und Alban G***** auch mit ihren - teilweise gemäß § 498 Abs 3 StPO implizit erhobenen - Beschwerden zu verweisen waren.
Die - die amtswegige Maßnahme nicht erfassende (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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