OGH 2Ob27/11a

OGH2Ob27/11a22.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede K*****, vertreten durch Dr. Martin Leitner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Günter Romauch, Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in Wien, wegen 16.768,29 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. September 2010, GZ 5 R 164/10i-17, womit das Teil- und Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 28. Juni 2010, GZ 41 Cg 64/09h-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.119,24 EUR (darin enthalten 186,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab, weil eine solche in der Revision nicht ausgeführt wird:

Die Revision meint, die für die Anwendung des Dienstgeberhaftpflichtprivilegs relevante Eingliederung könne auch kurzfristig und vorübergehend sein, etwa im Zuge von Be- und Entladungsvorgängen. Auch hier habe die Klägerin auf den Arbeitsablauf, nämlich das Herunterheben einer Palette, bei dem es zum Unfall gekommen sei, willentlich Einfluss genommen, indem sie dem Staplerführer mitteilte, ob er die Gabel zu hoch oder zu niedrig ansetze. Für ihre Eingliederung spreche auch, dass sie den Großteil ihrer Transporttätigkeit als „Ein-Mann-Betrieb“ für die Revisionswerberin durchführe, womit sie in tatsächlicher Hinsicht die Stellung eines mit Transportaufgaben befassten Angestellten einnehme, auch wenn sie keine Anwesenheitspflicht habe und Aufträge der Revisionswerberin ablehnen könne.

Zur Frage der Eingliederung eines aus Gefälligkeit helfenden Betriebsangehörigen eines Vertragskontrahenten in das Unternehmen des gegenüberstehenden Unternehmers besteht umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl zuletzt etwa 2 Ob 24/05a; 2 Ob 48/07h; 2 Ob 114/08s; 2 Ob 13/10s ua). Nach der ständigen Judikatur ist die Einordnung in den Betrieb nur insoweit erforderlich, als der Helfende im ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck kommenden oder nach der Sachlage zu vermutenden Einverständnis des Unternehmers handelt und zumindest bereit sein muss, nach den den Arbeitsvorgang bestimmenden Weisungen des Unternehmers, in dessen Interesse die Tätigkeit ausgeübt wird oder dessen Vertreters, zu handeln (RIS-Justiz RS0084209). Grundsätzlich kann auch der als eingegliedert angesehen werden, der unaufgefordert und ohne vorherige Absprache aus eigenem Entschluss helfend eingreift (RIS-Justiz RS0084209 [T5]).

Ob eine Eingliederung in einen fremden Betrieb anzunehmen ist, richtet sich aber nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 48/07h; 2 Ob 13/10s).

Hier hat die Klägerin - aus Platzgründen neben dem Regal stehenbleibend - dem Staplerfahrer, der eine einzige Palette für sie auf ihren Lkw zu laden hatte, zugesehen und dabei „mitgeteilt“, ob er die Gabel zu hoch oder zu niedrig ansetze. Wenn das Berufungsgericht im Hinblick auf dieses Verhalten der Klägerin, das keine Hinweise auf ihre Bereitschaft, sich den Weisungen des fremden Unternehmers bzw eines von diesem bestellten Aufsehers zu unterwerfen, enthält, zu dem Ergebnis gelangte, dass eine Eingliederung nicht vorlag, begegnet dies keinen grundsätzlichen Bedenken.

Die Klägerin führt seit etwa 15 Jahren für die Beklagte Transport- und Botendienste durch. Dies macht den Großteil ihrer Tätigkeit aus. Sie stellt monatlich jede einzelne Fahrt nach der Kilometeranzahl in Rechnung und hat keinerlei Anwesenheitspflichten oder Pflichten, für die Beklagte tätig zu werden.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass auch insofern eine Eingliederung nicht anzunehmen sei, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende krasse Fehbeurteilung dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Stichworte