European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:E97697
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Auf der Liegenschaft EZ * Grundbuch *, Liegenschaftsadresse *, befindet sich ein im Wohnungseigentum stehendes Büro‑ und Geschäftshaus mit 13 Objekten, die sämtliche nach der gemeinschaftlichen Widmung ausschließlich als Büro‑ und Geschäftsräume gewidmet sind.
Der Antragsteller ist Wohnungseigentümer von insgesamt vier Objekten, die alle mit der Widmung Büro‑ bzw Geschäftsräumlichkeit versehen sind. Bisher wurden die Büros B8 und B10 (B‑LNR 9 und B‑LNR 10) als Büro‑ und Geschäftsräume verwendet. Weil er diese beiden Wohnungseigentumseinheiten nicht mehr als Büroräumlichkeiten benötigt, strebt er die Umwidmung dieser Objekte in Wohnungen an. Mit Ausnahme des Antragsgegners haben alle übrigen Wohnungseigentümer der Widmungsänderung zugestimmt.
Der Antragsgegner ist Wohnungseigentümer eines im Erdgeschoss liegenden Geschäftslokals Top GR 2, worin er zwischen 17:00 Uhr und ca 2:00 Uhr früh ein Nachtcafé betreibt. An den Wochenenden (Freitag und Samstag) wird dort auch musikalische Unterhaltung geboten, was nicht ausschließen lässt, dass künftige Bewohner der Wohnung des Antragstellers durch Lärmemission gestört würden.
Bisher kann der Antragsgegner sein Lokal ohne Probleme mit Wohnungseigentümern (wegen der Art des Lokalbetriebs) führen.
Der Antragsgegner hat sein Geschäftslokal deshalb erworben, weil es in einem reinen Büro‑ und Geschäftshaus gelegen ist und daher Anrainerbeschwerden nicht zu befürchten waren.
Auch andere Wohnungseigentümer der Liegenschaft sind an Widmungsänderungen von Büroräumlichkeiten in Wohnungen hinsichtlich ihrer Miteigentumsanteile interessiert.
Zwischen dem Objekt des Antragsgegners und den Objekten des Antragstellers B8 und B10 befinden sich im ersten Obergeschoss Büroräumlichkeiten einer Versicherung.
Der Antragsteller, der die Zustimmung sämtlicher übrigen Wohnungseigentümer zur begehrten Widmungsänderung hat, begehrt mit dem vorliegenden Antrag, gemäß § 16 Abs 2 WEG die fehlende Zustimmung des Antragsgegners zur Widmungsänderung von Büro in Wohnung hinsichtlich der beiden bezeichneten Büroräumlichkeiten zu ersetzen. Die begehrte Widmungsänderung würde zu keinen wesentlichen Beeinträchtigungen der Interessen des Antragsgegners führen. Er benötige die Büroräumlichkeiten nicht mehr und strebe daher deren Widmungsänderung in Wohnungen an.
Der Antragsgegner begehrte die Abweisung des Antrags, er sei in seinen Interessen erheblich beeinträchtigt. Er könne sein Nachtcafé in einem reinen Geschäftshaus mit weit weniger Widerständen betreiben als dann, wenn im Haus auch Wohnungen vorhanden seien, deren Benützer in ihrem Schlafbedürfnis gestört würden. Der Betrieb eines Nachtcafés würde automatisch zu Lärm und sonstigen Emissionen im und vor dem Haus führen. Im Fall der Umwidmung der Objekte des Antragstellers werde er daher bei Führung seines Unternehmens erheblich beeinträchtigt. Das stehe der Genehmigung der Umwidmung entgegen.
Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt wies das Erstgericht das Begehren, die fehlende Zustimmung des Antragsgegners zur Umwidmung zu ersetzen ab. Die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts und das Festhalten an der dadurch definierten Nutzung gehöre zu den absolut geschützten Rechten eines jeden Wohnungseigentümers. Auch wenn ein Interesse des Antragstellers an der Umwidmung der nicht mehr benötigten Büroräumlichkeiten in Wohnungen in der Innenstadtlage infolge der besseren Verwertbarkeit zu bejahen sei, habe doch eine Interessenabwägung zu unterbleiben. Maßgeblich sei, ob die beabsichtigte Änderung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der die Zustimmung verweigernden Wohnungseigentümer führe. Sei dies zu bejahen, habe das Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers hinsichtlich der Änderungen der in seinem Objekt stehenden Räumlichkeiten zurückzustehen.
Ein solches wichtiges Interesse des Antragsgegners an der Unterlassung der Widmungsänderung sah das Erstgericht darin, dass nach allgemeiner Erfahrung infolge der typischerweise mit dem Betrieb eines Unternehmens wie jenem des Antragsgegners Beeinträchtigungen der Bewohner eines Hauses einhergingen. Die Interessenlage sei insofern gegenläufig, als Bewohner eines Hauses im Allgemeinen während der Nachtzeit das Bedürfnis nach Ruhe hätten, was durch den im Interesse des Antragsgegners gelegenen Betrieb eines Nachtlokals wegen der damit verbundenen Lärmentwicklungen gerade nicht gewährleistet sei. In diesem Zusammenhang sei auch noch maßgeblich, dass sich der Antragsgegner bei Erwerb seines Objekts bewusst für ein „reines Geschäftshaus“ entschieden habe, um dort möglichst ungestört ein Nachtcafé betreiben zu können und nicht dauernd Streitigkeiten mit angrenzenden Bewohnern befürchten zu müssen. Dem Antragsgegner sei zuzubilligen, dass er auch in Hinkunft ungestört seiner Tätigkeit als Betreiber eines Nachtlokals nachgehen könne. Einen wirksamen vertraglichen Schutz des Antragsgegners vor Beschwerden der Wohnungsbewohner gebe es nicht. Auch fürchte der Antragsgegner zu Recht die Beispielswirkung der gegenständlichen Umwidmung, weil dann noch weitere Wohnungseigentümer ihre Büroobjekte in Wohnungen umwidmen würden, was zu einer weiteren Verschärfung der Lage führe.
Dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluss im Sinn einer Genehmigung der Widmungsänderung ab.
Das Änderungsbegehren des Antragstellers sei ausschließlich an den Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG zu messen. Darauf, dass in Hinkunft andere Wohnungseigentümer ähnliche Änderungen beabsichtigten, komme es nicht an.
Der Antragsgegner mache keinen vom Gesetz demonstrativ aufgezählten oder von der Judikatur entwickelten Verweigerungsgrund geltend. Durch die begehrte Widmungsänderung würde nämlich für sich allein kein störender Einfluss auf das Unternehmen des Beklagten bewirkt und würden insofern seine schutzwürdigen Interessen nicht beeinträchtigt. Die Befürchtungen negativer Auswirkungen des Antragsgegners beträfen ausschließlich den zu erwartenden Widerstand gegen Lärmemissionen. Dem sei entgegenzuhalten, dass der Antragsgegner ohnedies seinen Gastronomiebetrieb nur innerhalb der behördlichen Auflagen und gesetzlichen Rahmenbedingungen führen dürfe. Mit Emissionen in diesem Umfang hätten sich neu hinzukommende Nachbarn ohnedies abzufinden (RIS‑Justiz RS0112502). Das gelte auch für Wohnungseigentümer bzw deren Mieter, die eine Wohnung in Kenntnis der Tatsache erwürben oder nutzten, dass im betreffenden Haus ein Gastronomiebetrieb (Nachtlokal) geführt werde. Eine verkehrsübliche Nutzung des Nachbarobjekts und die davon ausgehenden Emissionen müsse jeder Mit‑ und Wohnungseigentümer dulden (5 Ob 257/01g). Darauf könne sich der Antragsgegner im Fall der befürchteten Auseinandersetzungen mit Benützern der umgewidmeten Objekte berufen.
Zusammengefasst seien also schutzwürdige Interessen des Antragsgegners am Unterbleiben der Widmungsänderung nicht zu bejahen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt. Weiters erklärte es den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil der speziellen Fallkonstellation über den Einzelfall hinaus Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukomme.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Antragsteller beantragte, dem Rechtsmittel des Antragsgegners nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig, weil die vorliegende Fallkonstellation die Klärung erheblicher Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG erfordert.
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Der im vorliegenden Fall angestrebten Widmungsänderung von Büroräumlichkeiten in Wohnungen in einem reinen Büro‑ und Geschäftshaus steht der Einwand des Antragsgegners der erheblichen Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen als Betreiber eines Nachtlokals in seinem eigenen Wohnungseigentumsobjekt entgegen. Durch eine Änderung der Benützung bisheriger Büroräumlichkeiten als Wohnungen werde es notwendigerweise wegen Nachtruhestörungen zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Benutzern der Wohnungen kommen. Er werde dadurch im Betrieb seines Unternehmens eingeschränkt.
Soweit im Revisionsrekurs in diesem Zusammenhang auf eine sich im Fall einer Umwidmung ergebende Verkehrswertverminderung des Objekts des Antragsgegners Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass entsprechendes Vorbringen und Beweisanbot im Verfahren unterblieb. Der Wohnungseigentümer, der sich Änderungen, auch Widmungsänderungen eines anderen Wohnungseigentümers widersetzt, ist für das Vorliegen der von ihm erhobenen Einwände behauptungs‑ und beweispflichtig (MietSlg 40.638/16; Wobl 1990/27; MietSlg 46.525). Dass Störungen von Bewohnern des Hauses nur durch eine Einschränkung des Betriebs des Antragsgegners begegnet werden könnte und insofern wirtschaftliche Nachteile, die eine erhebliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Antragsgegners darstellen könnten, wurde ebenfalls nicht behauptet.
Für die hier angestrebte Widmungsänderung gilt wie allgemein, dass sie nur abgewehrt werden kann, wenn sie mit wesentlichen Interessen anderer Wohnungseigentümer kollidiert (RIS‑Justiz RS0101801). Auf wichtige Interessen des die Änderung anstrebenden Wohnungseigentümers kommt es nur an, wenn allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen würden (vgl RIS‑Justiz RS0083378 ua), was hier nicht der Fall ist.
Der vom Antragsgegner erhobene Einwand zielt zwar auf Interessen ab, die spezifisch mit seiner Stellung als Wohnungseigentümer zusammenhängen (vgl 5 Ob 106/88 = Wobl 1989/86), weil er mit Recht darauf hinweist, sein Geschäftslokal bewusst in einem reinen Büro‑ und Geschäftshaus erworben zu haben, um seinen Gaststättenbetrieb ohne Befürchtung von Anrainerbeschwerden führen zu können. Eine Widmungsänderung ohne Zustimmung sämtlicher übriger Wohnungseigentümer durch den Außerstreitrichter stellt einen Eingriff in die Rechtssphäre der widersprechenden Miteigentümer dar. Es trifft zu, dass die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts zu einer bestimmten Nutzung und das Festhalten an der dadurch definierten Nutzung zu den absolut geschützten Rechten jedes Wohnungseigentümers gehört. Eine Änderung dieses Rechtszustands ist daher nur nach Maßgabe des § 16 Abs 2 WEG möglich. Andererseits normiert § 16 Abs 2 WEG Einleitungssatz im Rahmen des Verfügungsrechts eines Wohnungseigentümers auch sein Recht auf Änderungen einschließlich Widmungsänderungen. Mit der gegenständlichen Entscheidung muss also eine Abgrenzung der Eigentümerbefugnisse einerseits des Antragstellers und andererseits des Antragsgegners vorgenommen werden, in welchem Rahmen zu prüfen ist, ob das Interesse des Antragsgegners am Unterbleiben der Änderung nicht nur wesentlich, sondern auch so schutzwürdig ist, sodass das Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers, Änderungen an seinen Objekten vorzunehmen, zurückzustehen hat (vgl RIS‑Justiz RS0083236; RS0119528 [T1]).
Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Antragsgegner kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung eines Zustands zuzubilligen wäre, der verwaltungsbehördlich erlaubte Grenzen der Lärmentwicklung überschreitet. Hält sich der Antragsgegner aber andererseits an diese Regeln, können Beschwerden von Bewohnern des Hauses bei Verwaltungsbehörden im Ergebnis nicht zu einem Nachteil des Antragsgegners führen. Die normalerweise mit dem Betrieb eines (wohnungseigentumsrechtlich) genehmigten, auch in den Nachtstunden geöffneten Gastwirtschaftslokals verbundenen Beeinträchtigungen müssen Wohnungseigentümer oder deren Mieter ohnedies dulden. Damit reduziert sich die Beeinträchtigung des Antragsgegners darauf, behördliche Bestimmungen beachten zu müssen und fallweise Querelen und Beschwerden der Benützer des Hauses ausgesetzt zu sein. Das stellt aber keine derart wesentliche Beeinträchtigung dar, dass es gerechtfertigt wäre, das Verfügungsrecht des Antragstellers über seine Objekte auf Dauer zu beschränken.
Es trifft zu, dass nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs bei Umwidmungen in gastwirtschaftliche Betriebe in der Regel von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Interessen der anderen Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung ausgegangen wurde, und daher entsprechende Umwidmungsansuchen abgelehnt wurden (vgl 5 Ob 114/85 = MietSlg 38.626; 5 Ob 81/08k; Markl, Das Änderungsrecht des Wohnungseigentümers gemäß § 13 Abs 2 Z 1 bis 3 WEG, Wobl 1994, 95 [100 f]). Die Argumentation des Revisionsrekurses, das lasse sich umgekehrt auf den gegenständlichen Fall übertragen, übersieht allerdings, dass durch die begehrte Umwidmung eben keine derartige Beeinträchtigung bewirkt wird, sondern die Wohnungseigentümer, die ansonsten widersprechen könnten, die bereits vorhandene widmungsgemäße Verwendung des Gastwirtschaftslokals des Antragsgegners zu dulden haben.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.
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