OGH 1Ob87/11t

OGH1Ob87/11t24.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. Alexander I*****, gegen die Antragsgegnerin Carola I*****, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Vermögensaufteilung nach §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Juli 2010, GZ 53 R 7/10h-55, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Telfs vom 4. November 2009, GZ 1 C 88/06z-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Antragsteller begehrte, der Antragsgegnerin aufzutragen, einen der Billigkeit entsprechenden Ausgleichsbetrag zu bezahlen, weil ihr aus dem ehelichen Vermögen höhere als die ihren Beiträgen entsprechende Vermögenswerte zugekommen seien. Das Erstgericht trug der Antragsgegnerin auf, dem Antragsteller eine Ausgleichszahlung von 25.000 EUR zu leisten. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Rekursgericht entschieden hat, den Betrag von 30.000 EUR übersteige.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht legte den dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Dieser ist (derzeit) zur Entscheidung darüber nicht berufen.

Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR (RIS-Justiz RS0125732) nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. In diesen Fällen kommt nur eine - mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene - Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG an das Rekursgericht in Betracht.

Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht die Auffassung vertreten, der nacheheliche Aufteilungsanspruch sei zwar als rein vermögensrechtlicher Anspruch zu betrachten; es handle sich aber um keinen bloßen Geldanspruch, auch wenn der „Aufteilungsvorschlag“ des Antragstellers eine Ausgleichszahlung zum Gegenstand hat. Der Entscheidungsgegenstand sei daher gemäß § 59 AußStrG zu bewerten. Unter Zugrundelegung der den Aufteilungsanspruch betreffenden Ehewohnung übersteige der Wert des Entscheidungsgegenstands jedenfalls den Betrag von 30.000 EUR.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Die vom Rekursgericht für seine Rechtsansicht ins Treffen geführten Entscheidungen betreffen zum Teil das Verfahren über einstweilige Verfügungen, die „zur Sicherung des ehelichen Aufteilungsanspruchs“ (SZ 67/166; SZ 67/226) bzw zur Sicherung des Anspruchs auf die Ehewohnung (1 Ob 86/99z) beantragt wurden; insoweit liegt eine andere Verfahrenskonstellation als die hier zu beurteilende vor. Sollte die zu 1 Ob 362/99p ergangene Entscheidung dahin zu verstehen sein, dass ein reiner Geldanspruch auch dann nicht vorliegt, wenn Gegenstand des Verfahrens ausschließlich das Begehren auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung ist, vermag sich der erkennende Senat dem nicht anzuschließen, zumal ein ausschließlich auf eine Ausgleichszahlung gerichteter Antrag nicht als „Aufteilungsvorschlag“ qualifiziert werden kann.

Hat - wie hier - keine der Parteien innerhalb der Frist des § 95 EheG bestimmte Vermögensgegenstände bezeichnet, die Gegenstand einer Aufteilungsentscheidung des Gerichts sein sollen, sondern sich darauf beschränkt, eine Ausgleichszahlung zu fordern, ist es dem Gericht verwehrt, über die Aufteilung bzw Zuweisung einzelner Gegenstände des ehelichen Vermögens abzusprechen. Es kann den auf Leistung einer Ausgleichszahlung gerichteten Antrag lediglich abweisen oder ihm aber stattgeben, wobei gleichzeitig die Höhe der Ausgleichszahlung festzusetzen ist. Damit ist aber Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung allein eine Geldforderung, auch wenn es unerlässlich ist, als Vorfrage zu klären, was an ehelichem Gebrauchsvermögen und ehelichen Ersparnissen vorhanden war und was davon den einzelnen Ehegatten bereits (endgültig) zugekommen oder verblieben ist. Besteht der Entscheidungsgegenstand, also jenes Begehren, über das im Spruch der Entscheidung abzusprechen ist, ausschließlich in einem Geldbetrag, hat ein Bewertungsausspruch nach § 59 Abs 2 AußStrG zu unterbleiben.

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht aufgrund des unbezifferten Begehrens des Antragstellers der Antragsgegnerin eine Ausgleichszahlung von 25.000 EUR auferlegt. Da der Antragsteller diese Entscheidung unbekämpft ließ und daher der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts nur von der angefochtenen Entscheidung und vom Rekursantrag der Antragsgegnerin definiert wurde, hätte ihr allenfalls die Festsetzung eines geringeren Betrags oder aber die (auch begehrte) gänzliche Abweisung des Zahlungsbegehrens erreicht werden können; eine Erhöhung der auferlegten Ausgleichszahlung war aufgrund des Verbots der reformatio in peius ausgeschlossen. Da somit der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts - entgegen dem insoweit unzutreffenden und den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Bewertungsausspruch (RIS-Justiz RS0042437 [T3, T11] ua) des Rekursgerichts - den Betrag von 30.000 EUR nicht übersteigt, kommt im Sinne der obigen Darlegungen ein außerordentlicher Revisionsrekurs nicht in Betracht.

Sollte das Erstgericht der Auffassung sein, dass die Eingabe der Antragsgegnerin als eine mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht zu verstehen ist, wird es die Akten diesem zur Entscheidung vorzulegen haben. Andernfalls wird (zuerst) ein (befristeter) Verbesserungsauftrag zu erteilen sein.

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