OGH 11Os50/11d

OGH11Os50/11d19.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer, in der Strafsache gegen Max W***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 30. September 2010, GZ 13 Hv 12/09s-186, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche von weiteren, ähnlichen Vorwürfen enthält - wurde Max W***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er als faktischer Geschäftsführer der Wi***** s.r.o. mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich bzw Dritte unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, welche sie bzw Dritte um insgesamt mehr als 50.000 Euro am Vermögen schädigten, wobei er den „teils“ schweren Betrug in der Absicht beging, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

I. durch Vortäuschen der Lieferung von Fertigteilhäusern in schlüsselfertigem Zustand (Fakten 1. - 9. und 11.) sowie eines Wintergartens (Faktum 10. - s US 82 f), wobei er sich im Klaren war, die versprochene Leistung nicht vollständig und ordnungsgemäß erfüllen zu können, Nachgenannte zur Zahlung von teils 90 % des vereinbarten Kauf- und Herstellungspreises nämlich,

1. zwischen Oktober 2004 und August 2005 in Schwanenstadt Johannes D*****, Schaden 23.240 Euro,

2. zwischen 27. April 2005 und 3. Oktober 2005 in Schörfling Martin J*****, Schaden 41.881 Euro,

3. zwischen 5. Dezember 2005 und 6. März 2006 in Timelkam Anita S***** und Goran A*****, Schaden 49.361 Euro,

4. zwischen 30. Juni 2005 und 26. September 2005 in Gmunden Suzana B*****, Schaden 17.976 Euro,

5. zwischen 14. September 2005 und 10. November 2005 in Lenzing Birgit Sch*****, Schaden 56.944 Euro,

6. zwischen 2. September 2005 und 14. November 2005 in Lenzing Patrick Je*****, Schaden 31.088 Euro,

7. zwischen 17. August 2005 und 18. Jänner 2006 in Ampflwang Thorsten K*****, Schaden 34.472 Euro,

8. am 18. Oktober 2005 in Vöcklabruck Günther und Gabriele St*****, Schaden 24.480 Euro,

9. am 21. Februar 2006 in Vöcklamarkt Gabriele Se*****, Schaden 27.624 Euro,

10. am 8. Februar 2007 in Wien Prodan und Nenad Al*****, Schaden 6.600 Euro,

11. zwischen 30. November 2004 und 25. Mai 2005 in Ledenitzen Gerhard und Bettina P*****, Schaden 7.072 Euro;

II. durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit bzw jener der Wi***** s.r.o. Nachgenannte zur Lieferung von Waren und Erbringung von Handwerkerarbeiten, und zwar

1. im Sommer 2005 in Vorchdorf die So***** GmbH, Schaden 18.000 Euro,

2. zwischen 20. Jänner 2006 und 9. Mai 2006 in Steyrermühl die L***** GesmbH, Schaden 4.017,48 Euro,

3. am 30. Jänner 2006 in Schörfling die Ad***** GmbH & Co KG, Schaden 6.490 Euro,

4. im Februar 2006 in Schörfling die Le***** GmbH & Co KG, Schaden 8.024,69 Euro,

5. am 7. März 2005 in Wolfsegg die Ba***** GmbH, Schaden 4.201,09 Euro,

6. zwischen 28. April und 29. Mai 2006 in Regau die H***** GmbH, Schaden 2.928,27 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO.

Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung die Vernehmung der Zeugen Mario M***** und Markus R***** sowie die ergänzende Vernehmung des Zeugen August Ha***** (vgl zu diesem ON 145 S 105 ff) beantragt „zum Beweis dafür, dass der Angeklagte keinen Vorsatz hatte, die Kunden und Käufer in die Irre zu führen und zu schädigen und zwar keinen Vorsatz über die gesamte Dauer seiner Tätigkeit, weder zu Beginn noch bis zum Schluss. Zu Markus R***** ist zu sagen, dass dieser Sekretär war und in dieser Eigenschaft Schreibarbeiten gemacht hat, die Rechnungen geprüft hat, der Zeuge Mario M***** war im Verkauf tätig und hat die Häuser verkauft“ (ON 185 S 18).

Durch die Abweisung (ON 185 S 19 f, vgl auch US 80 ff) dieses Antrags wurden - den Beschwerdeausführungen zuwider - keine Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK, oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist.

Denn ein Zeuge ist über seine sinnlichen Wahrnehmungen, nicht aber über (ua) Einschätzungen und Schlussfolgerungen hinsichtlich ihm nicht zugänglicher Tatsachen, etwa des Innenlebens eines anderen Menschen, zu befragen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352, 435; Kirchbacher, WK-StPO § 154 Rz 8, § 244 Rz 5, 78; Plöchl/Seidl in WK² § 288 Rz 25; RIS-Justiz RS0097545, RS0097540 [vor allem T4]).

Die in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind prozessual verspätet, damit unzulässig und unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099117 und RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Die allgemeinen Feststellungen zur inneren Tatseite (US 15, siehe auch 75 f) sind - dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5) entgegen - weder undeutlich getroffen (die Behauptung der „allgemeinen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts“ versagt schon angesichts der die subjektiven Tatelemente betreffenden Konstatierungen zu den einzelnen Fakten - etwa US 21 uva) noch begründet, stützen sie sich doch nach den Erwägungen der Tatrichter (US 76 ff) keineswegs nur auf eine Ableitung aus der objektiven Vorgehensweise (vgl dazu überdies Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452), sondern auf eine eingehende Analyse vor allem der Einlassung des Angeklagten unter Verwertung des persönlichen Eindrucks, den er auf das Gericht machte. Dass der dem erkennenden Organ abverlangte Beweiswürdigungsschluss „zwingend“ sein müsse, verlangt der Beschwerdeführer zu Unrecht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449).

Die Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern (RIS-Justiz RS0118780). Der Vorwurf einer „nicht korrekten Würdigung“ von Zeugenaussagen ist keine prozessordnungsgemäße Darstellung einer Tatsachenrüge, sondern Beweiswertkritik nach Art einer nur im Einzelrichterprozess gesetzlich vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, die hier noch dazu in einem rein spekulativen Alternativszenario der Delinquenz des Angeklagten („... wäre es ein leichtes gewesen ...“) gipfelt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die unter einem erhobene Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1StPO.

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