Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.958,30 EUR (darin 493,05 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Über das Vermögen der B***** KG (kurz: Gemeinschuldnerin) wurde mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 24. April 2006 das Konkursverfahren eröffnet und der nunmehrige Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Die beklagte Partei verleaste der Gemeinschuldnerin zumindest seit 1992 Lastkraftfahrzeuge, seit 1998 nahezu den gesamten Fuhrpark. Ab 2002 kam es zu Zahlungsschwierigkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der beklagten Partei und es baute sich kontinuierlich ein Zahlungsrückstand bei den Leasingentgelten auf. Am 7. Mai 2002 wurde eine Ratenzahlungsvereinbarung betreffend den damaligen Rückstand von 122.341,14 EUR getroffen. Bis 23. Jänner 2003 baute sich der Zahlungsrückstand allerdings auf 310.987,02 EUR auf, worauf die beklagte Partei am 4. März 2003 diesen Betrag samt Zinsen beim Landesgericht Salzburg einklagte. Am 19. März 2003 erging ein Versäumungsurteil, das unbekämpft blieb und die Grundlage für Exekutionsverfahren gegen die Gemeinschuldnerin bildete. Laufend wurden zwischen den Leasingvertragsparteien Gespräche wegen der - immer weiter anwachsenden - Zahlungsrückstände geführt.
Am 1. Juni 2004 trafen die Gemeinschuldnerin und die beklagte Partei eine Zahlungsvereinbarung, die sie am 15. Juli 2004/9. August 2004 in einem „Schuldschein“ festhielten, in dem die Gemeinschuldnerin unter anderem für den Zeitraum bis drei Jahre nach der von der beklagten Partei nach Abdeckung des aushaftenden Kapitals durchzuführenden Zinsenabrechnung auf den Einwand der Verjährung der Verzugszinsen verzichtete.
Von 5. Mai 2004 bis 29. November 2005 leistete die Gemeinschuldnerin an die beklagte Partei die nunmehr streitgegenständlichen vierzig Zahlungen in einer Gesamthöhe von 442.642,34 EUR. Die einzelnen Zahlungen hatten eine Höhe zwischen 10.000 EUR und 25.000 EUR. Sie wurden nicht auf laufende Leasingraten gewidmet, sondern sollten vereinbarungsgemäß auf das aushaftende Kapital geleistet werden.
Die beklagte Partei hielt trotz der erheblichen und ständig anwachsenden Rückstände und der öfter im Raum stehenden Verwertung der geleasten Fahrzeuge an den bestehenden Leasingverträgen fest, weil die Verwertung im Verhältnis zu den Rückständen nur relativ geringe Erlöse gebracht hätte und ohne Verfügbarkeit der Fahrzeuge die Gemeinschuldnerin als Transportunternehmen keine betriebliche Leistung mehr erbringen hätte können. Diese Überlegung lag auch dem Schuldschein und dem darin enthaltenen Verzicht auf den Einwand der Verjährung zugrunde.
Die Gemeinschuldnerin war seit Ende des Jahres 2002 mangels bereiter Mittel nicht mehr in der Lage, ihre fälligen Verbindlichkeiten zur Gänze zu begleichen. Es war ihr auch nicht möglich, die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit zu beschaffen. Dies war der beklagten Partei spätestens seit 1. Juni 2003 erkennbar, insbesondere wenn sie von der Gemeinschuldnerin - mangels vorliegender Bilanzen (Jahresabschlüsse wurden seit Ende 2002 nicht mehr erstellt) - Saldoaufstellungen abverlangt hätte. Der beklagten Partei waren bereits vor Entgegennahme der ersten verfahrensgegenständlichen Zahlung die Probleme der Gemeinschuldnerin am Markt bekannt.
Die Vertreter der Gemeinschuldnerin hofften, sich durch die im Zeitraum von 5. Mai 2004 bis 29. November 2005 auf das aushaftende Kapital geleisteten vierzig Zahlungen und die Darlegung der vom Betriebsberater vorgeschlagenen Maßnahmen die weitere Zusammenarbeit mit der beklagten Partei als ihrer Leasinggeberin zu sichern. Die Vertreter der Gemeinschuldnerin handelten bei den Zahlungen in dem Bewusstsein, dadurch die Befriedigung anderer Gläubiger zu verzögern und zu erschweren, und es war ihnen bewusst, dass die beklagte Partei dadurch früher als andere Gläubiger befriedigt wurde. Auch den Vertretern der beklagten Partei war dies bewusst.
Ohne die angefochtenen Zahlungen wären die den Gläubigern im Konkurs quotenmäßig zugekommenen Beträge höher gewesen als es mit den Zahlungen nun der Fall ist. Dieser den Gläubigern bevorstehende Nachteil war sowohl für die Gemeinschuldnerin als auch für die beklagte Partei bei Leistung der Zahlungen vorhersehbar. Das Gleiche trifft auf die Vereinbarung des Verjährungsverzichts betreffend die Verzugszinsen zu.
Durch die exekutive Verwertung einer Liegenschaft konnte ausschließlich die im ersten Pfandrang stehende Gläubigerbank befriedigt werden.
Gestützt auf § 28 Z 2 und 4, § 29 Z 1, § 30 Abs 1 Z 2 und § 31 Abs 1 Z 2 KO begehrte der klagende Masseverwalter zuletzt die Feststellung der Unwirksamkeit der von der Gemeinschuldnerin geleisteten Zahlungen (442.642,34 EUR) und des abgegebenen Verjährungsverzichts (bewertet mit 2.500 EUR) sowie die Rückzahlung von 442.642,34 EUR (Einbringung der Anfechtungsklage am 24. April 2007).
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die angefochtenen Zahlungen seien in Benachteiligungsabsicht erfolgt. Die beklagte Partei hätte bei gehöriger und zumutbarer Erhebung der wirtschaftlichen Daten der Gemeinschuldnerin von der Benachteiligung der übrigen Gläubiger Kenntnis haben müssen, weshalb die geleisteten Zahlungen und der Verjährungsverzicht gemäß § 28 KO anfechtbar seien. Die Anfechtung sei befriedigungstauglich. Da die Gemeinschuldnerin die beklagte Partei vor anderen Gläubigern begünstigt habe und ihr in statu cridae die teilweise Befriedigung ihrer fälligen Forderungen zukommen habe lassen, wovon die beklagte Partei Kenntnis gehabt habe, seien die nicht länger als ein Jahr vor der Konkurseröffnung geleisteten Zahlungen auch gemäß § 30 KO anfechtbar. Hinsichtlich der innerhalb eines halben Jahres vor Konkurseröffnung liegenden Zahlungen sei die Anfechtung schließlich auch gemäß § 31 KO berechtigt, weil der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin seit 1. Juni 2003 bekannt sein habe müssen.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der beklagten Partei, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, gab ihr im Übrigen teilweise Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil (nur) hinsichtlich eines Teils des Zinsenbegehrens ab. Es verneinte einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens und sah die Tatsachenrüge als unbegründet und das Anfechtungsbegehren bereits gemäß § 28 Z 2 KO als berechtigt an.
Sämtliche angefochtenen Zahlungen lägen sowohl innerhalb der zehnjährigen Frist des § 28 Z 1 KO als auch innerhalb der Zweijahresfrist nach § 28 Z 2 KO. Die erstgerichtlichen Feststellungen reichten aus, um das Vorliegen einer Benachteiligungsabsicht auf Seiten der Gemeinschuldnerin zu bejahen. Der Bestreitung der Gläubigerbenachteiligung durch die beklagte Partei stehe die Feststellung entgegen, dass die den Gläubigern im Konkurs quotenmäßig zukommenden Beträge ohne die angefochtenen Zahlungen höher gewesen wären als dies mit den Zahlungen der Fall ist. Abgesehen davon stelle sich die Frage, ob sich eine angefochtene Rechtshandlung nachteilig für die Gläubiger auswirke, nur bei der Anfechtung von Rechtsgeschäften. Im vorliegenden Fall würden vom Masseverwalter aber keine Rechtsgeschäfte, sondern bloß die (auf der Grundlage von unangefochten gebliebenen Rechtsgeschäften) an die beklagte Partei geleisteten Zahlungen angefochten. Die Befriedigung eines Gläubigers sei per se nachteilig, ohne dass der Masseverwalter eine besondere Verringerung des Haftungsfonds beweisen müsste oder eine Verbesserung im sonstigen Befriedigungsfonds vor einer Anfechtung schützen würde. Der Grund dafür liege darin, dass mit den Zahlungen der Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen des Gemeinschuldners verbunden ist, die im Konkurs nicht mehr zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen.
Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandsmerkmals der fahrlässigen Unkenntnis der Benachteiligungsabsicht der Gemeinschuldnerin auf Seiten der beklagten Partei genüge bereits leichte Fahrlässigkeit. Fahrlässige Unkenntnis sei anzunehmen, wenn dem Anfechtungsgegner genügend verdichtete Tatsachen bekannt gewesen seien, er daraus aber falsche Schlüsse gezogen habe, oder die Tatsachen nicht bekannt gewesen seien, ihm aber (bei gehöriger Sorgfalt) bekannt sein hätten müssen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, welche Auskunftsmittel dem Anfechtungsgegner zur Zeit der Vornahme der anzufechtenden Handlung zu Gebote gestanden sei, die er zumutbarerweise heranziehen habe können und was ihre ordnungsgemäße Auswertung ergeben hätte.
Ausgehend von den festgestellten „verdächtigen“ Umständen sei der beklagten Partei die zumindest fahrlässige Unkenntnis der Benachteiligungsabsicht der Gemeinschuldnerin zu den Zeitpunkten der angefochtenen Zahlungen sowie des angefochtenen Verjährungsverzichts vorzuwerfen, ohne dass es darauf ankomme, ob die beklagte Partei auch noch verpflichtet gewesen wäre, eine Einsicht in Saldoaufstellungen der Gemeinschuldnerin zu verlangen. Sich angesichts des Kenntnisstands über die wirtschaftliche Entwicklung auf bloß mündliche Zusagen der Vertreter der Gemeinschuldnerin über eine Sanierung des Unternehmens zu verlassen, vermöge die zumindest leichte Fahrlässigkeit auf Seiten der beklagten Partei nicht zu beseitigen.
Die Revision wurde nachträglich mit der Begründung zugelassen, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 232/08a die Gläubigerbenachteiligung für das Finanzierungsleasing verneint habe, wenn der Leasinggeber die Möglichkeit gehabt habe, vom Vorbehaltseigentum Gebrauch zu machen und nur das bekommen hätte, was er durch die angefochtene Rechtshandlung erhalten habe. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht der beklagten Partei teile und zu einer Anfechtungsfestigkeit der angefochtenen Zahlungen (auch) gemäß § 28 KO gelange.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist - entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts - mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Ausgehend vom erstinstanzlichen Vorbringen und den Feststellungen stellt sich die im nachträglichen Zulassungsausspruch bezeichnete Rechtsfrage nicht.
1.1. In der Entscheidung 3 Ob 232/08a (= JBl 2009, 656 = ÖBA 2010, 240 [Schumacher]) hat der Oberste Gerichtshof in Abkehr von 8 Ob 545/91 (= SZ 64/73) ausgesprochen, dass auch beim Finanzierungsleasing die im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses periodisch für die Gebrauchsüberlassung geleisteten Leasingraten, so wie beim Bestandverhältnis, in einem Austauschverhältnis Zug-um-Zug stehen. Auf dieses Zug-um-Zug-Verhältnis muss - wegen fehlender Gläubigerbenachteiligung - gar nicht eingegangen werden, wenn die Geltendmachung seines Vorbehaltseigentums durch den Leasinggeber einen Erlös zumindest in Höhe der angefochtenen Zahlung erbracht hätte.
1.2. Es ist nicht erkennbar, dass eine dieser Voraussetzungen in dem hier zu beurteilenden Fall vorläge. Die angefochtenen Zahlungen wurden nach den Feststellungen auf den Rückstand und nicht auf die laufenden Leasingraten geleistet (zur Anfechtbarkeit von Zahlungen auf den Rückstand siehe RIS-Justiz RS0106619). Anders als die Frage der Anfechtungsfestigkeit von Zug-um-Zug-Geschäften (siehe AS 386 = Seite 2 des Protokolls ON 54) bildete die Frage der Werthaltigkeit der Leasingobjekte keinen Gegenstand des erstinstanzlichen Vorbringens der beklagten Partei (auch die erstgerichtlichen Feststellungen würden im Übrigen eine solche Werthaltigkeit nicht tragen, gehen sie doch in die Richtung, dass die Leasingraten lediglich im Austauschverhältnis zur Gebrauchsüberlassung standen).
1.3. Zum Thema der Anfechtungsfestigkeit einer Zahlung an den Eintumsvorbehaltsverkäufer wäre die beklagte Partei als Anfechtungsgegner behauptungs- und beweispflichtig gewesen (5 Ob 701/79 = JBl 1981, 157; Rebernig in Konecny/Schubert, § 27 KO Rz 91 mwN).
Im Berufungsurteil wird - zu Recht - darauf hingewiesen, dass die beklagte Partei gegen das Neuerungsverbot verstoße, wenn sie in der Berufung erstmals Behauptungen zur fehlenden Gläubigerbenachteiligung wegen der Möglichkeit der Geltendmachung ihres Eigentumsvorbehalts aufstelle. Dann ist die Begründung des Zulassungsausspruchs verfehlt, wenn genau die Frage der Werthaltigkeit bei Geltendmachung des Vorbehaltseigentums als erhebliche Rechtsfrage bezeichnet wird.
2. Auch in der Revision wird darüber hinaus keine erhebliche Rechtsfrage releviert.
2.1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass das angesprochene Zug-um-Zug-Prinzip bei einer Prüfung nach § 28 KO nicht entscheidend ist (RIS-Justiz RS0114579; Rebernig in Konecny/Schubert, § 28 KO Rz 3).
2.2. Ausgehend von den vorliegenden Tatsachenfeststellungen besteht an der Benachteiligungsabsicht kein Zweifel. Ebenso wenig bestehen Bedenken an der festgestellten fahrlässigen Unkenntnis der Benachteiligungsabsicht (zu Nachforschungspflichten zuletzt 3 Ob 99/10w). Eine Scheinbegründung des Berufungsgerichts liegt nicht vor.
2.3. Dem Rechtsmittelvorbringen, die Forderungen der beklagten Partei hätten ohnehin in den zu ihren Gunsten einverleibten Pfandrechten Deckung gefunden, steht die gegenteilige Feststellung des Erstgerichts entgegen, wonach bei der Versteigerung der Liegenschaft ausschließlich die im ersten Rang stehende Bank befriedigt werden konnte.
Die Feststellung zur Quotenverschlechterung ist als Tatsache in dritter Instanz unbekämpfbar.
2.4. Ein in der Berufung nicht geltend gemachter Mangel des Verfahrens erster Instanz (dazu RIS-Justiz RS0043111) kann ebenso wie ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (dazu RIS-Justiz RS0042963) nicht erfolgreich an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Ein Verfahrensmangel wegen des Unterbleibens der Gutachtensergänzung wurde vom Berufungsgericht verneint.
3. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist daher die Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.
Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihre Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich war.
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