OGH 12Os31/11t

OGH12Os31/11t3.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kunst als Schriftführer in der Strafsache gegen Marcel M***** und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Marcel M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 16. Juli 2010, GZ 23 Hv 43/10w-26, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Marcel M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche des Angeklagten Thomas M***** und einen Freispruch enthält, wurde Marcel M***** zweier Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./1./ und 2./) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck

I./ am 7. Februar 2010 anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), nämlich der wiederholten Ankündigung von Schlägen, abgenötigt, wobei die Taten jeweils ohne Anwendung erheblicher Gewalt an Sachen geringen Werts begangen wurden, und zwar

1./ Thomas H***** sieben Zigaretten;

2./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Thomas M***** auch mit Gewalt Philipp S***** zehn Euro, indem sie diesen überdies gegen eine Mauer drückten;

II./ am 6. Februar 2010 vorsätzlich eine fremde Sache beschädigt, indem er mit dem Fuß eine Scheibe des Restaurants L***** GmbH eintrat, wobei ein Schaden von 1.704,10 Euro entstand.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Marcel M*****, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO stützt. Sie schlägt fehl.

Das Vorbringen der Mängelrüge übersieht, dass unter dem Aspekt gesetzeskonformer Darstellung stets an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen ist und sich das Aufgreifen formaler Mängel auf entscheidende Tatsachen beziehen muss, also solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und entweder für die Unterstellung unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS-Justiz RS0106268).

Die unter § 281 Abs 1 Z 5 zweiter und vierter Fall StPO erhobene Kritik an der Begründung der Mittäterschaft mit dem Angeklagten Thomas M*****, dem Bruder des Nichtigkeitswerbers, sowie jener der durch die Tatrichter aus dem äußeren Geschehnisablauf abgeleiteten subjektiven Tatseite (US 22, 23), zeigt kein Defizit in obigem Sinn auf, denn der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen widerspricht weder den Regeln der Logik noch grundlegenden Erfahrungssätzen und ist bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, aus welchem Grund es für die vom Erstgericht angenommene Mittäterschaft erforderlich sein sollte, dass die Angeklagten vor der Tat „koordiniert und abgesprochen“ vorgegangen sein müssten.

Mit dem Vorwurf der Aktenwidrigkeit, der letztlich bloß die Differenz zwischen der eigenen Verantwortung und den Feststellungen des Erstgerichts anspricht, wird keine unrichtige Wiedergabe eines Beweismittelinhalts durch formalen Vergleich von Zitat und Aktenlage (§ 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO; RIS-Justiz RS0099547) aufgezeigt, sondern einerseits unter isolierter Betrachtung einzelner Passagen in Zeugenaussagen sowie deren eigenständiger Würdigung ein anderer, für den Rechtsmittelwerber günstigerer Schluss aus denselben angestrebt. Andererseits betrifft die bloß einmalige oder aber mehrfache Androhung von Schlägen keine entscheidende Tatsache. Insgesamt wird bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts auf im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise bekämpft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 468).

Entgegen der weiteren Behauptung (Z 5 zweiter Fall) überging das Erstgericht - das zu wörtlicher Wiedergabe der Aussagen dem Gebot zu gedrängter Darstellung folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verpflichtet ist - die Verantwortung des Angeklagten, er habe bloß „eine Schlägerei“ anfangen wollen, nicht mit Stillschweigen (US 10).

Ein auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützter Einwand kann nur erfolgreich sein, wenn Feststellungen als Folge einer qualifiziert nahe liegenden Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung erheblichen Bedenken ausgesetzt sind. Daher versagt die Beschwerde auch unter diesem Aspekt mangels Überschreitung der der Tatsachenrüge immanenten Erheblichkeitsschwelle (RIS-Justiz RS0118780). Das erneut die subjektive Tatseite in Richtung des Verbrechens nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB anzweifelnde, einen bloßen „Behaltevorsatz“ in Bezug auf das Bargeld behauptende und - dem Vorbringen der Mängelrüge ähnlich - mit einzelnen Passagen in Aussagen der Angeklagten und von Zeugen argumentierende Vorbringen vermag beim Obersten Gerichtshof aber keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken (RIS-Justiz RS0119583).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde (einleitend) auch auf den Schuldspruch II./ Bezug nimmt, unterlässt sie - mangels jeglichen Vorbringens hiezu - die gebotene Anführung jener Tatumstände, die den Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§ 285a Z 2 StPO), und entzieht sich, weil auch bei der Anmeldung derlei Gründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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