OGH 1Ob8/11z

OGH1Ob8/11z28.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj A***** (geboren am *****) und A***** (geboren am *****), über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 23. November 2010, GZ 3 R 375/10k-17, womit dem Rekurs der Minderjährigen, vertreten durch die Kaufmann & Thurnher Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 13. Oktober 2010, GZ 7 PG 123/09i-13, teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht forderte den Vater auf, eine Antrittsrechnung über das Vermögen der Minderjährigen zu erstellen und Mitteilung darüber zu machen, ob und gegebenenfalls seit wann näher bezeichnete, im Eigentum der Pflegebefohlenen stehende Liegenschaftsanteile vermietet seien, welche Mietzinseinnahmen für das jeweilige Kind erzielt würden und wie diese veranlagt oder sonst verwendet worden seien. Den Minderjährigen seien von ihrem Vater Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft geschenkt worden, welche jeweils mit Wohnungseigentum untrennbar verbunden seien. Die Schenkung der Liegenschaftsanteile an die mj Kinder sei bereits im Jahr 2003 erfolgt, sodass eine Vermietung der Wohnungseigentumsobjekte seit mehreren Jahren nicht abwegig erscheine, woraus die Minderjährigen Einnahmen von weit über 10.000 EUR erzielt haben könnten. Zur Abklärung dieses Umstands sei es erforderlich, den Vater zur Rechnungslegung und zur Bekanntgabe entsprechender Informationen aufzufordern.

Das Rekursgericht bejahte die Rechtsmittellegitimation der durch ihre Eltern vertretenen Minderjährigen, gab deren Rekurs teilweise Folge, hob den Auftrag an den Vater, eine Antrittsrechnung zu legen, auf, bestätigte aber im Übrigen die Entscheidung des Erstgerichts. Nach § 133 Abs 2 AußStrG habe das Gericht die Verwaltung des Vermögens Pflegebefohlener zu überwachen, wenn entweder eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehöre oder der Wert des Vermögens oder der Jahreseinkünfte 10.000 EUR wesentlich übersteigen würde. Dazu diene die in § 133 Abs 4 AußStrG erwähnte Möglichkeit, dem gesetzlichen Vertreter Aufträge zu erteilen, die keinesfalls der Rechnungslegung gleichzusetzen seien. Die abgeforderten Auskünfte seien erforderlich, um zu beurteilen, ob Maßnahmen zur Erhaltung oder Sicherung des Kindesvermögens notwendig seien. Der Auftrag des Erstgerichts verletze nicht das nach Art 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, weil er im Interesse des Kindeswohls erfolge und daher durch den Vorbehalt des Art 8 Abs 2 EMRK gedeckt sei.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung weder zur grundsätzlichen Rechnungslegungspflicht der Eltern noch dazu, ob bei Entfall der Rechnungslegungsverpflichtung eine eingeschränkte Überwachungspflicht des Pflegschaftsgerichts gegeben sei, bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (RIS-Justiz RS0007507 [T1, T2]), nicht zulässig.

1. Das Rekursgericht hat dem Rekurs teilweise stattgegeben und den Auftrag an den Vater, eine Antrittsrechnung (§ 134 AußStrG) zu legen, aufgehoben. Fragen nach der Rechnungslegungspflicht der Eltern sind damit nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens, weswegen diese vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage im Rechtsmittel der Minderjährigen auch nicht mehr angesprochen wird.

2. Der an den Vater gerichtete Auftrag, soweit er vom Rekursgericht aufrecht gehalten wurde, dient der Erforschung des Vermögens der Minderjährigen (§ 133 Abs 4 1. Fall AußStrG). Erst nach dessen Erforschung kann, wie das Rekursgericht zu Recht betont, beurteilt werden, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Überwachung seiner Verwaltung (§ 133 Abs 4 2. Fall AußStrG) erforderlich sind. Die vom Rekursgericht weiters als erheblich erachtete Rechtsfrage nach einer eingeschränkten Überwachungspflicht stellt sich damit noch nicht. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels hat aber auch zur Voraussetzung, dass die Entscheidung von der Lösung der angeführten Rechtsfrage abhängt. Der Oberste Gerichtshof ist nicht verpflichtet, zu bloß möglichen, aber noch nicht feststellungsmäßig gesicherten Fallgestaltungen Stellung zu nehmen (RIS-Justiz RS0088931 [T3]).

3. Hängt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht von derjenigen Rechtsfrage ab, die das Rekursgericht für die Begründung seines Zulassungsausspruchs angeführt hat, und wird im Rechtsmittel nicht dargelegt, welche andere Rechtsfrage eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG rechtfertigen soll, ist der Revisionsrekurs unzulässig (RIS-Justiz RS0042392 [T9]; RS0102059 [T15]). Die Revisionsrekurswerber zeigen keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf.

4. Der Revisionsrekurs macht die Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil die Mutter der Minderjährigen überhaupt nicht und der Vater nur telefonisch befragt worden sei.

Der Grundsatz des Parteiengehörs erfordert nur, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie die Argumente für ihren Standpunkt sowie überhaupt alles vorbringen kann, das der Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruchs dienlich ist. Das rechtliche Gehör ist daher etwa auch dann gewahrt, wenn sich die Partei nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (RIS-Justiz RS0006048). Im Verfahren außer Streitsachen genügt zur Wahrung des rechtlichen Gehörs, den Parteien die Möglichkeit der Stellungnahme zu eröffnen (RIS-Justiz RS0006036). Eine mögliche Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren erster Instanz wird geheilt, wenn die Möglichkeit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RIS-Justiz RS0006057). Dieser Grundsatz gilt auch nach Inkrafttreten des AußStrG 2005 (RIS-Justiz RS0006057 [T12]; 7 Ob 182/07a).

Der Vater als gesetzlicher Vertreter der Rekurswerber hatte bereits im Verfahren erster Instanz Gelegenheit, den Standpunkt der Minderjährigen zu vertreten und hat diesen im Rekurs bekräftigt. Die Anhörung beider Elternteile als gesetzliche Vertreter der Minderjährigen ist zur Wahrung von deren rechtlichem Gehör nicht erforderlich.

5. Den Umstand, dass das Erstgericht das Einschreiten eines Anwalts im pflegschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahren für eine Dienstbarkeitsvereinbarung zum Anlass nahm, Erhebungen zum Vermögensstand der Minderjährigen einzuleiten, wurde bereits im Rekursverfahren als Mangelhaftigkeit gerügt. Abgesehen davon, dass es ohne Bedeutung bleiben muss, was als unmittelbarer Anlass zur Wahrnehmung der pflegschaftsgerichtlichen Überwachungspflicht führt, können auch im Verfahren außer Streitsachen nach dem AußStrG 2003 angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die von der zweiten Instanz verneint wurden, nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0050037, bes [T7]; RS0042963).

6. Was eine Pflegschaftsrechnung zu enthalten hat, regelt § 136 Abs 1 AußStrG. Danach ist in ihr zuerst das Vermögen des Pflegebefohlenen, wie es am Anfang des Rechnungszeitraums vorhanden war, auszuweisen. Sodann sind die Veränderungen des Stammvermögens, die Einkünfte und Ausgaben und schließlich der Stand des Vermögens am Ende des Rechnungszeitraums anzugeben. Davon unterscheidet sich der aufrechtgebliebene Auftrag an den Vater, der sich ausschließlich auf die Erlangung von Informationen zur Vermögenslage der Minderjährigen erstreckt. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung liegt damit nicht ein Auftrag zur Rechnungslegung, sondern eine Maßnahme zur Erforschung des Vermögens Pflegebefohlener im Sinne des § 133 Abs 4 AußStrG vor. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Aufgabe des Pflegschaftsgerichts (s dazu Zankl/Mondel in Rechberger AußStrG Rz 5 zu § 133), die im Interesse des Kindeswohls liegt.

7. Art 8 Abs 1 EMRK gewährleistet ua das Recht auf Privatleben und schützt damit generell die Privatsphäre einer Person. Der Schutz von persönlichen Daten ist damit Teil der Gewährleistungen nach Art 8 Abs 1 EMRK (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention 201). Allfällige Eingriffe in dieses Recht sind aber dann gerechtfertigt, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind und ein in Art 8 Abs 2 EMRK genanntes Ziel verfolgen. Minderjährige unterstehen hinsichtlich ihres Vermögens einer besonderen Rechtsfürsorge (§ 21 Abs 1 ABGB), weshalb die angeordneten Maßnahmen, soweit sie vom Rekursgericht aufrechterhalten worden sind, ein legitimes Ziel verfolgen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen schon deshalb nicht, weil im Pflegschaftsverfahren nur den Parteien das Recht auf Akteneinsicht zukommt (s besonders § 141 AußStrG; Fucik/Kloiber, AußStrG § 22 Rz 4 mwN; vgl 3 Ob 17/10m) und in § 140 AußStrG die (ausschließliche) Parteiöffentlichkeit sichergestellt ist. In der Verneinung der im Revisionsrekurs erneut geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken durch das Rekursgericht liegt damit keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung vor.

Der Revisionsrekurs ist damit zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte