Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.317,68 EUR (darin 386,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Der am 19. 7. 1944 geborene Kläger ist seit 1. 4. 1989 bei der Beklagten bzw ihren Rechtsvorgängerinnen als Angestellter beschäftigt. Er ist begünstigter Behinderter. Im Dienstvertrag wurde vereinbart, dass das Vertragsverhältnis beiderseits nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes kündbar sei. Am 19. 4. 2001 schlossen der Kläger und die Beklagte eine Vereinbarung, nach deren wesentlichem Inhalt der Kläger unter Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses und des Gehaltsanspruchs dienstfrei gestellt und festgehalten wurde, dass „diese Vereinbarung … bis zum Pensionsantritt [des Klägers] aufrecht“ bleibe und „dieser Vertrag … keine wie immer geartete Rückwirkung auf den Dienstvertrag“ habe. Die Beklagte kündigte das Dienstverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 25. 3. 2009 zum 30. 3. 2009 auf und beantragte beim Behindertenausschuss beim Bundessozialamt die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung. Über Berufung des Klägers hob die Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Bescheid vom 6.7.2009 das bisherige Verfahren als nichtig auf und wies den Antrag der Beklagten zurück. Es handle sich um einen Arbeitsrechtsstreit, der die inhaltliche Prüfung des Dienstvertrags, insbesondere die Erforschung des Parteiwillens zur Vertragsbeendigung mit Pensionsantritt zum Gegenstand habe. Es liege ein befristetes Dienstverhältnis vor, das mit Ablauf der fixierten Zeit ende. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die dagegen eingebrachte Beschwerde der Beklagten steht aus.
Der Kläger begehrte die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses über den 30. 9. 2009 hinaus, weil keine rechtskräftige Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung vorliege. Die Kündigung sei zudem generell unzulässig, weil der Kläger zufolge der Vereinbarung vom 19. 4. 2001 selbst über den Zeitpunkt eines Pensionsantritts entscheide. Die Beklagte habe damit auf eine Kündigung verzichtet. In der Protokollarklage brachte er überdies vor, die Kündigung nach § 105 Abs 3 lit i und Abs 4 ArbVG anzufechten, weil das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren nicht eingehalten worden und die Kündigung aus einem verpönten Motiv erfolgt sei. Die Kündigung sei auch altersdiskriminierend.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, der Dienstvertrag sei beidseits nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes kündbar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge und stellte den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses über den 30. 9. 2009 hinaus fest. In seiner rechtlichen Beurteilung ging es von einem unbefristeten Dienstverhältnis aus, das in Bezug auf die Kündbarkeit nicht durch die Vereinbarung vom 19. 4. 2001 abgeändert worden sei. Mangels Zustimmung des Behindertenausschusses sei die Kündigung jedoch rechtsunwirksam.
Soweit für das Rekursverfahren von Interesse, erhob auch der Kläger Berufung gegen dieses Urteil, weil er sich durch die Annahme des Erstgerichts eines unbefristeten Dienstverhältnisses als beschwert erachtete. Bei einem befristeten Dienstverhältnis komme eine Kündigung und damit der Kündigungsschutz des § 8 BEinStG gar nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht wies die Berufung des Klägers mangels Beschwer zurück und führte unter Bezugnahme auf die Entscheidung 8 ObA 87/99y aus, der entscheidende Grund für die Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung sei nicht das Vorliegen eines unbefristeten Dienstverhältnisses, sondern die mangelnde Zustimmung des Behindertenausschusses beim Bundessozialamt. Auch wenn man von dem vom Kläger behaupteten Kündigungsausschluss ausgehen wollte, würde dies zum selben Ergebnis der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung führen. Der behauptete Kündigungsverzicht sei daher nicht entscheidungswesentlich.
In seinem dagegen gerichteten Rekurs erachtet sich der Kläger weiterhin als durch die nachteilige Urteilsbegründung materiell beschwert.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beschwer Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, hier der Berufung des Klägers (RIS-Justiz RS0043815). Allein aus den Gründen einer Entscheidung kann im Regelfall eine Beschwer nicht abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0043947; RS0041929). Entscheidungsgründe als solche sind daher kein Gegenstand einer Berufung (RIS-Justiz RS0041929). Anderes gilt nur bei Aufhebungsbeschlüssen und Zwischenurteilen sowie im Falle einer Bindungswirkung für einen Folgeprozess (stRspr, zB 10 ObS 3/09b).
Die ganz überwiegende jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung nimmt eine Bindungswirkung nur an die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage, nicht aber eine dort beurteilte Vorfrage an (RIS-Justiz RS0039843 [T19, T22, T23 ua]). Ist dagegen ein im Vorverfahren als Hauptfrage entschiedener Anspruch für den in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Parteien geltend gemachten Anspruch eine Vorfrage (ein bedingendes Rechtsverhältnis), so entfaltet die Vorentscheidung insoweit aufgrund ihrer materiellen Rechtskraft Bindungswirkung (vgl RIS-Justiz RS0042554; RS0041251 [T3, T5 ua]).
Der vom Rekurswerber ins Treffen geführten Entscheidung 8 ObA 87/99y lag eine Kündigungsanfechtung gemäß § 105 ArbVG zugrunde, die vom Erstgericht abgewiesen wurde, weil eine Kündigung gar nicht ausgesprochen worden sei. Die dagegen erhobene Berufung des Arbeitgebers wurde vom Berufungsgericht mangels Beschwer zurückgewiesen. Der Oberste Gerichtshof führte zu dem dagegen erhobenen Rekurs aus, Gegenstand des Verfahrens sei die Wirksamkeit der Kündigung und nicht der sich lediglich als Folgerung ergebende aufrechte Bestand des Arbeitsverhältnisses, weshalb die Frage der Wirksamkeit der Kündigung im Anfechtungsprozess jedenfalls die Hauptfrage darstelle. Habe das Erstgericht entschieden, dass eine anfechtbare Kündigung gar nicht vorliege, werde der Hauptgegenstand des Verfahrens unmittelbar berührt. Die Begründung des Erstgerichts könne Bindungswirkung für allfällige Folgeprozesse entfalten.
Demgegenüber begehrt der Kläger im vorliegenden Fall die Feststellung des aufrechten Bestands seines Dienstverhältnisses über den 30. 9. 2009 hinaus. Es bildet daher nur die Frage des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses den Entscheidungsgegenstand, nicht aber die - vorgelagerte - Frage der Qualifikation des Dienstverhältnisses als befristetes oder unbefristetes mit einem möglichen arbeitgeberseitigen Kündigungsverzicht. Stellt aber die Frage der Befristung oder Kündbarkeit des Dienstverhältnisses nicht die Hauptfrage des Verfahrens dar, vermag nach den dargelegten Grundsätzen allein die Beurteilung des Erstgerichts zum Vorliegen eines unbefristeten Dienstverhältnisses keine über das klagsgegenständliche Verfahren hinausgehende Wirkung zu entfalten und begründet damit auch keine Beschwer des Klägers.
Soweit er ins Treffen führt, für das Ausmaß der Bindungswirkung des Urteilsspruchs seien die Entscheidungsgründe - soweit erforderlich - zur Auslegung und Individualisierung eines Anspruchs heranzuziehen, ist eine Heranziehung der Entscheidungsgründe zur Auslegung des Spruchs nicht geboten, wenn der Spruch keiner Individualisierung bedarf (vgl RIS-Justiz RS0102102). Da der vorliegende Spruch aufgrund seiner eindeutigen und unmissverständlichen Bedeutung nicht weiter individualisierungs- oder auslegungsbedürftig ist, bedarf es auch unter diesem Aspekt keines Rückgriffs auf die Entscheidungsgründe.
Anzumerken bleibt, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht behauptet hat, sein Dienstverhältnis sei befristet und die Kündigung deshalb unzulässig gewesen. Vielmehr ging er offenbar selbst von einem unbefristeten Dienstverhältnis aus, wenn er dessen aufrechten Bestand mit der fehlenden Zustimmung des Behindertenausschusses und einem Kündigungsverzicht der Beklagten begründete.
Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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