OGH 1Ob19/11t

OGH1Ob19/11t31.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Claudio S*****, Italien, vertreten durch Dr. Matthias Lüth und Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Otto P*****, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Herbert Fink, Rechtsanwalt in Innsbruck, und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Mag. Johannes G*****, vertreten auch durch Dr. Christian Kurz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 3.728.000 EUR sA (Revisionsstreitwert: 700.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. November 2010, GZ 2 R 201/10s-39, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 19. Juni 2010, GZ 59 Cg 208/09b-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zwischen dem italienischen Kläger, der nach seinem erstinstanzlichen Vorbringen als Gelegenheitsmakler tätig war, und dem österreichischen Beklagten ist die Zahlung einer Provision im Zusammenhang mit der Vermittlung des Verkaufs einer österreichischen Liegenschaft samt Hotel strittig. Der Beklagte verkaufte seinen Hotelbetrieb samt einer Liegenschaft und dem darauf befindlichen Gebäude am 12. 4. 2007 an eine österreichische GmbH, die eine 100%ige Tochter eines italienischen Unternehmens ist.

Die Vorinstanzen werteten die Vereinbarungen zwischen den Streitteilen als Maklervertrag, beurteilten diesen gemäß Art 4 Abs 1 und 2 EVÜ nach italienischem Recht und wiesen das Klagebegehren (Provisionsanspruch des Klägers) wegen Verjährung ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Hängt die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Gemeinschaftsrechts ab, so ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Nachprüfung dessen Anwendung auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH nur zulässig, wenn der zweiten Instanz bei der Lösung dieser Frage eine gravierende Fehlbeurteilung unterlief (1 Ob 216/02z = SZ 2002/157 ua; RIS-Justiz RS0117100). Dies ist hier keinesfalls der Fall.

2.1 Die vom Kläger erstmals in der außerordentlichen Revision aufgestellte Behauptung einer konkludenten Rechtswahl iSd Art 3 Abs 1 EVÜ ist als Neuerung unbeachtlich.

2.2 Nach Art 4 Abs 1 EVÜ ist das Recht jenes Staates anzuwenden, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Dabei wird nach Art 4 Abs 2 EVÜ vermutet, dass der Vertrag die engste Verbindung zu jenem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw ihre Hauptniederlassung hat. Art 4 Abs 2 EVÜ stellt eine Vermutung „allgemeinen Charakters“ auf (EuGH C-133/08 , Slg 2009, I-9687 Rn 27).

Die charakteristische Leistung ist bei gegenseitigen Verträgen die nicht in Geld bestehende Leistung (RIS-Justiz RS0120294). Beim Maklervertrag erbringt der Makler die vertragscharakteristische Leistung, sodass der Vertrag dem Recht am Sitz des Maklers unterliegt (Verschraegen in Rummel³, Art 4 EVÜ Rz 64; Czernich in Czernich/Heiss, EVÜ [1999] Art 4 Rz 126; ebenso zu Art 28 EGBGB, der Art 4 EVÜ nachgebildet ist: Magnus in Staudinger 13 [2002] Art 28 EGBGB Rz 264; G. Hohloch in Erman 12 [2008] Art 28 EGBGB Rz 48; Spickhoff in Bamberger/Roth² [2008] Art 28 EGBGB Rz 69; ebenso zum früheren § 36 IPRG: 8 Ob 674/90 = ZfRV 1991/20; 8 Ob 658/89; 1 Ob 138/97v = SZ 70/145). Der Maklervertrag und das vermittelte Geschäft sind getrennt anzuknüpfen und bestehen grundsätzlich unabhängig voneinander, weil die Parteien des Ausführungsgeschäfts von den Parteien des Maklervertrags verschieden sind (Czernich aaO Rz 127; Verschraegen aaO). Aus der kollisionsrechtlichen Eigenständigkeit des Maklervertrags vom vermittelten Vertrag ergibt sich auch, dass - vorbehaltlich einer Rechtswahl - bei Immobilienmaklerverträgen nicht an die Lage der vermittelten Liegenschaft anzuknüpfen ist, sondern es bei der Anwendbarkeit des Rechts am Sitz des Maklers bleibt (Czernich aaO Rz 128; Verschraegen aaO; Magnus aaO). Das Statut des Maklervertrags bestimmt insbesondere, unter welchen Voraussetzungen der Makler einen Provisionsanspruch hat (Magnus aaO Rz 268). Da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hat, kommt nach der Vermutung des Art 4 Abs 2 EVÜ auf die Maklervereinbarungen der Streitteile und seinen Provisionsanspruch italienisches Recht zur Anwendung.

2.3 Die Vermutung des Art 4 Abs 2 EVÜ gilt nach Art 4 Abs 5 zweiter Satz EVÜ nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist.

Wenn sich „klar aus der Gesamtheit der Umstände“ ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat als demjenigen aufweist, der auf der Grundlage eines der in Art 4 Abs 2 bis 4 EVÜ vorgesehenen Kriterien bestimmt wird, sind diese Kriterien unangewendet zu lassen und ist das Recht des Staates anzuwenden, mit dem der genannte Vertrag am engsten verbunden ist. Dieses Ermessen bleibt „unbenommen“, obwohl „immer“ das anwendbare Recht auf der Grundlage der in Art 4 Abs 2 bis 4 EVÜ genannten Vermutungen zu bestimmten ist, „die dem allgemeinen Erfordernis der Vorhersehbarkeit des Rechts und der Rechtssicherheit in den Vertragsbeziehungen Rechnung tragen“ (EuGH aaO Rn 62 bis 64, Tenor 3). Diese Erwägungen des EuGH sind dahin zu verstehen, dass es in Zweifelsfällen bei den Vermutungen bleibt (Rudolf, Erste Vorabentscheidung des EuGH zum EVÜ-Chartervertrag, ZfRV 2010/4, 18 [21]; ähnlich Aspöck, Erstes Urteil des EuGH zum EVÜ!, ecolex 2009, 1113 [1115]).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich aus der Gesamtheit der Umstände nicht klar ergibt, dass die Maklervereinbarungen eine engere Verbindung zu Österreich aufweisen, ist zumindest gut vertretbar. Sie verweisen neben dem gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers in Italien auf seine dortige Vermittlungstätigkeit, die Namhaftmachung der italienischen Muttergesellschaft der späteren Käuferin, die italienische Staatsangehörigkeit des Klägers, die Begleitumstände des Kaufvertragsabschlusses und den Umstand, dass der Kläger keine Vermittlungstätigkeit in Bezug auf andere Interessenten außerhalb Italiens behauptet hat. In der Revision vermag der Kläger nicht aufzuzeigen, dass entsprechend Art 4 Abs 5 zweiter Satz EVÜ eine deutlich engere Verbindung zu Österreich bestünde und daher österreichisches Recht anzuwenden wäre.

2.4 Da aufgrund der referierten Rechtsprechung des EuGH das Verhältnis von Art 4 Abs 2 zu Art 4 Abs 5 EVÜ geklärt ist, hat die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens - wie nunmehr vom Kläger angeregt - zu unterbleiben.

3. Nach Art 1754 codice civile (im Folgenden: cc) ist Makler, wer zwei oder mehrere Parteien zum Zwecke eines Vertragsabschlusses miteinander in Verbindung bringt, ohne an eine von ihnen durch ein Verhältnis der Mitarbeit, der Abhängigkeit oder der Vertretung gebunden zu sein. Kennzeichen der Tätigkeit des Maklers sind dessen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit (Zaccaria, Zur Neuregelung des Maklerrechts in Italien, RIW 1995, 106 [107, 108]; Schurr in Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Italienisches Zivilrecht [2009] Rz 3/350 bis 3/352). Dass der Kläger diese Kriterien nicht erfülle, hat er im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet, sondern sich selbst wiederholt als Gelegenheitsmakler bezeichnet. Die „Regelmäßigkeit“ ist entgegen der Behauptung des Klägers kein Tatbestandsmerkmal einer Maklertätigkeit. Dies zeigt Art 1760 cc, wonach den Berufsmakler (Makler, der Geschäfte über Waren oder Wertpapiere berufsmäßig betreibt) besondere Verpflichtungen treffen.

Nach Art 10 Abs 1 lit d EVÜ ist das auf den Vertrag anzuwendende Recht insbesondere auch für die Verjährung maßgebend. Die Bestimmungen über die Verjährung eines Anspruchs müssen derselben Rechtsordnung angehören, die für die entsprechende Verpflichtung gilt (EuGH C-133/08 R n 47).

Der Anspruch des Maklers auf Zahlung der Provision verjährt gemäß Art 2950 cc in einem Jahr. Da der Provisionsanspruch des Maklers nach Art 1755 cc mit dem Zustandekommen des Geschäfts durch sein Zutun entsteht und die Verjährung nach Art 2935 cc von jenem Tag an zu laufen beginnt, an dem das Recht geltend gemacht werden kann, sind die Vorinstanzen nachvollziehbar davon ausgegangen, dass ausgehend vom Abschluss des Kaufvertrags am 12. 4. 2007 der Provisionsanspruch des Klägers infolge Ablaufs der einjährigen Frist vor der Klagseinbringung Ende 2009 verjährt ist. Zutreffend ist auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf die Unterbrechung der Verjährung iSd Art 2943 ff cc berufen hat und sein erstmaliges Forderungsschreiben vom 7. 10. 2009 erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem die einjährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen war. Wenn der Kläger erstmals in der Revision mit dem Unterbrechungsgrund der Anerkennung des Rechts (Art 2944 cc) argumentiert, handelt es sich dabei um eine unzulässige Neuerung. Dem Prozessvorbringen des Beklagten ist eine solche Anerkennung (vgl dazu Schurr aaO Rz 2/351) jedenfalls nicht zu entnehmen.

Der Revisionswerber legt nicht substantiiert dar, dass das ausländische Kollisionsrecht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich dieses Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangehalten worden wäre (vgl RIS-Justiz RS0042948 [T9]). Aufgrund der klaren Rechtslage bedurfte es auch nicht der Einholung eines Rechtsgutachtens zum italienischen Recht. Schon deshalb liegt auch der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens nicht vor.

4. Zusammenfassend zeigt die außerordentliche Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte