OGH 8Ob658/89

OGH8Ob658/8929.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arnold V***, Makler, D-2000 Hamburg 60, Alsterkrugchaussee 108, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann, Dr. Eduard Klingsbigl und Dr. Robert Lirsch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) K*** KG, und 2.) Desiderius

D***, persönlich haftender Gesellschafter der erstbeklagten Partei beide 2331 Vösendorf, Deutschstraße 1, beide vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen US-$ 20.000 (Streitwert S 253.580,-), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. April 1989, GZ 2 R 70/89-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. Dezember 1988, GZ 30 Cg 214/88-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 10.876,14 (einschließlich S 1.812,69 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Zahlung der seit 30. Jänner 1987 fälligen, in der eingeklagten Höhe vereinbarten Provision für die Vermittlung des Verkaufes von Kaffee durch die erstbeklagte Partei an einen Unternehmer in Izmir.

Die Beklagten wendeten gegen das der Höhe nach unbestritten gebliebene Klagebegehren ein, das vermittelte Geschäft sei nicht zustande gekommen, weil der Käufer, die Bener Sekerleme San. Ve. Tic. A. S. (in der Folge "Fa. Bener" genannt), die von der erstbeklagten Partei geforderten unwiderruflichen Akkreditive nicht eröffnet habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der klagende Makler und Agent hatte von der Absicht der Fa. Bener, Kaffee zu kaufen, Kenntnis erlangt. Er erhielt auf sein Ersuchen von einem Mitarbeiter der erstbeklagten Partei ein Offert und leitete es an die Fa. Bener weiter. Die Fa. Bener stimmte fernschriftlich zu und gab bekannt, daß sie zunächst nur ein Akkreditiv für 200 t und erst ca ein Monat später ein solches für die restlichen 200 t eröffnen könne. Hievon verständigte der Kläger die erstbeklagte Partei. Nachdem alles geklärt war, gab der Kläger der erstbeklagten Partei den Namen des Käufers bekannt. Es war von Anfang an für alle Beteiligten klar, daß von der Fa. Bener Akkreditive zu eröffnen sind. Dies ist im Handel mit der Türkei üblich.

Die erstbeklagte Partei stellte zwei Verkaufsbestätigungen über je 200 t Kaffee aus und übersandte sie der Fa. Bener. Darin wurde zur Lieferung und Zahlung die Akkreditiveröffnung zu Gunsten der erstbeklagten Partei angeführt. Nach Urgenzen der erstbeklagten Partei kündigte die Fa. Bener zunächst die Akkreditiveröffnung an, teilte später mit, daß sie hiefür keine Devisenbewilligung erhalte, und erklärte schließlich am 28. November 1986, sie betrachte im Hinblick auf den Kaffeepreisverfall die Kontrakte als storniert. Da die Fa. Bener ein Angebot auf Preisreduktion nicht angenommen hatte, leitete die erstbeklagte Partei das Selbsthilfeverkaufsverfahren ein und belastete die Fa. Bener mit der Preisdifferenz zwischen dem besten Maklerangebot und dem Kontraktpreis.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die vermittelten Kaufverträge seien zwar zustande gekommen, doch bleibe bei Rücktritt vom Vertrag der Anspruch auf Maklerprovision nur insofern bestehen, als nicht Gründe vorlägen, die die Ausführung des Geschäftes nach Treu und Glauben unzumutbar machen und an deren Vorliegen den Auftraggeber kein Verschulden treffe. Ohne Akkreditiveröffnung durch die Fa. Bener sei der erstbeklagten Partei die Erfüllung des Vertrages nicht zumutbar gewesen. § 6 Abs. 3 HVG sei analog anzuwenden.

Das Berufungsgericht gab in Abänderung dieses Urteils dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es verneint die analoge Anwendung des § 6 Abs 3 HVG auf dieses Rechtsverhältnis. Der Vertrag über die Lieferung von 400 t Kaffee sei unbedingt zustandegekommen und nicht durch die Eröffnung von Akkreditiven aufschiebend bedingt gewesen. Die erstbeklagte Partei habe die Erklärung ihres Vertragspartners, die Kontrakte im Hinblick auf den Kaffeepreisverfall als storniert zu betrachten, nicht akzeptiert, sondern schließlich einen Selbsthilfeverkauf durchgeführt, also ihrerseits eine als Erfüllungssurrogat zu wertende Haltung gesetzt. Es liege daher ein aufrechter Vertrag vor, der bloß von einer Seite nicht erfüllt worden sei. § 6 Abs 3 HVG könne schon deswegen nicht analog angewendet werden, weil die Ausführung des Geschäftes nicht infolge eines Verhaltens des Provisionspflichtigen unterblieb. § 6 Abs 3 HVG solle nämlich in jenen Fällen, in denen die Provisionspflicht des Geschäftsherrn erst mit der Ausführung des Geschäftes (§ 6 Abs 2 HVG) entsteht, verhindern, daß der Geschäftsherr den Provisionsanspruch des Handelsvertreters dadurch zunichte macht, daß er das Geschäft nicht ausführt.

Der mit Zustandekommen des Kaufvertrages entstandene Provisionsanspruch des Klägers sei daher zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Parteien ist nicht berechtigt. Die Argumentation in der Revisionsschrift, der Kaufvertrag sei nicht zustandegekommen, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Tatsächlich war nämlich die Beistellung eines Akkreditives durch die Fa. Bener nicht aufschiebende Bedingung für das Zustandekommen des Kaufvertrages, sondern vereinbarter Teil der Vertragsabwicklung. Insofern ist der in dieser Rechtssache zu beurteilende Sachverhalt - wie die Revisionswerber selbst ausführen - wesentlich anders als derjenige, welcher der in SZ 52/163 veröffentlichten Entscheidung zugrundelag, weil dort ausdrücklich vorgesehen war, daß der Vertrag erst nach der "Bürgschaftseröffnung" als perfekt gelten sollte.

Schließlich beharrte die erstbeklagte Partei selbst auf dem Vertrag und seine Erfüllung, indem sie die Stornierung durch die Fa. Bener nicht zur Kenntnis nahm, durch Selbsthilfeverkauf ein Erfüllungssurrogat schuf (Kramer in Straube, HGB, RZ 13 zu §§ 373 und 374) und ihren Vertragspartner mit der Differenz zwischen dem dabei erzielten Erlös und dem vereinbarten Kaufpreis belastete. Die in der Revision erstmals aufgestellte Behauptung, die erstbeklagte Partei habe mit dem Kläger gar keine Provisionsvereinbarung getroffen, sondern durch Aufschlag auf den Kaufpreis gleichsam nur dessen von der Fa. Bener zu zahlende Provision einziehen wollen, ist eine unzulässige Neuerung. Daß die erstbeklagte Partei die sie belastende Maklerprovision in der Kalkulation des Preises ihrer Waren berücksichtigt, ist eine - wirtschaftlich gesehen - selbstverständliche Vorgangsweise und hat auf das Rechtsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger keinen Einfluß.

Die Vorinstanzen haben sich in der rechtlichen Beurteilung nur auf österreichisches Sachrecht berufen, ohne sich mit kollisionsrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen, obwohl der zur Entscheidung gestellte Provisionsanspruch wegen des Geschäftssitzes des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland eine Auslandsberührung aufweist und Anhaltspunkte dafür, daß die Parteien eine Rechtswahl getroffen hätten, nicht vorhanden sind. Es ist deshalb erforderlich, zunächst - ausgehend vom IPRG - zu prüfen, nach welchem Sachrecht der Provisionsanspruch des Klägers dem Grunde nach zu beurteilen ist. Gemäß § 36 IPRG sind gegenseitige Verträge, nach denen die eine Partei (hier: die Beklagten) der anderen (hier: dem Kläger) überwiegend Geld schuldet, nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die andere Partei, wenn sie Unternehmer ist, ihre Niederlassung hat, in deren Rahmen der Vertrag geschlossen wurde. Dies weist zunächst auf die Rechtsordnung - einschließlich ihrer Verweisungsnormen (§ 5 Abs 1 IPRG) - der Bundesrepublik Deutschland hin. Wurde - wie hier - eine Rechtswahl nicht getroffen, so unterliegt nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ein Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist (Art 28 Abs 1 EGBGB). Art 28 Abs 2 EGBGB vermutet, daß ein Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Falle der Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit ihre Hauptniederlassung hat. Für den Vertrag mit dem Kläger als Handelsmakler gilt demnach das Recht der Bundesrepublik Deutschland auch nach deutschen Kollisionsnormen (Palandt, BGB48, 2303). Auch schon vor der Neuregelung des IPR in der Bundesrepublik Deutschland durch das Gesetz vom 25. Juli 1986 wurde dort beim Maklervertrag an den Ort der gewerblichen Niederlassung objektiv angeknüpft (Martiny in Münchner Kommentar1, Rz 214 Vor Art 12 mit Judikaturhinweisen; BGH 9.3.1977 NJW 1977, 1586). Das Problem der Anwendung des alten oder des neuen deutschen Kollisionsrechts nach dem am 1.9.1986 in Kraft getretenen IPRG auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt muß aber nicht näher untersucht werden, weil in jedem Fall die Rechtssache nach deutschen Sachnormen zu entscheiden ist. Der Anspruch auf Mäklerlohn entsteht (auch) nach deutschem Recht unabhängig von der Ausführung des Geschäftes gemäß § 99 HGB iVm § 652 BGB als unbedingter Anspruch bereits mit dem Zustandekommen des Geschäftes (Brüggemann in Staub, HGB, Großkommentar4, Rz 11 Vor § 93; Baumbach-Duden-Hopt, HGB27, 340; Herrmann/Emmerich, HGB, § 93 Rdn 14; Schröder in Schlegelberger, HGB5 II 914). Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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