OGH 9Ob71/10x

OGH9Ob71/10x21.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M***** M*****, vertreten durch den Vater R***** M*****, als gesetzlicher Vertreter, vertreten durch Mag. Alexander Scheer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhaltsherabsetzung, über den Revisionsrekurs der Mutter D***** M*****, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. August 2010, GZ 43 R 422/10t-27, mit dem infolge Rekurses der Mutter der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 26. Mai 2010, GZ 1 Pu 483/09m-21, aufgehoben und die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rechtsmittelwerberin hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Im Rahmen des pflegschaftsbehördlich genehmigten Scheidungsvergleichs vom 5. 7. 2004 vereinbarten die Eltern des Minderjährigen zwar die gemeinsame Obsorge für den Minderjährigen, jedoch dass dieser den überwiegenden gewöhnlichen Aufenthalt beim Vater haben soll. Die Mutter verpflichtete sich ausgehend von einem monatlichen Nettodurchschnittseinkommen von 1.487 EUR 14 x jährlich zu einem Unterhaltsbeitrag von 270 EUR.

Die Mutter stellte am 1. 12. 2009 einen Antrag, ihre Unterhaltsverpflichtung ab 1. 11. 2009 auf 105 EUR monatlich herabzusetzen und modifizierte diesen dann in weiterer Folge dahin, sie mit Ablauf des Monats November überhaupt von ihrer Unterhaltspflicht zu entheben. Der Vater stimmte dem in der Tagsatzung vom 26. 5. 2010 zu.

Das Erstgericht hat daraufhin die Mutter mit Ablauf des November 2009 von der ihr auferlegten Unterhaltsleistung enthoben. Der Beschluss des Erstgerichts gründete sich nur auf das „Einvernehmen der Parteien“.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Minderjährigen Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und verwies die Pflegschaftssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es ging dabei davon aus, dass der Vater nach dem Scheidungsvergleich seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt. Die von ihm in der Tagsatzung vom 26. 5. 2010 erklärte Zustimmung als Grundlage für den Beschluss des Erstgerichts stelle kein konstitutives Anerkenntnis dar. Es sei daher auch noch zulässig, diese Erklärung im Rahmen des Rekursverfahrens zu widerrufen. Ausgehend davon seien die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen für die Beurteilung des Herabsetzungsantrags der Mutter festzustellen. Der Widerruf sei auch deshalb zulässig, da nach ständiger Rechtsprechung Änderungen nach dem erstgerichtlichen Beschluss zu berücksichtigen seien, wenn dies das Interesse des Kindes erfordere. Die Zustimmung zu dem Antrag stehe aber einem Unterhaltsverzicht gleich, sodass der Widerruf zulässig sei.

Den Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht gemäß § 64 Abs 1 AußStrG als zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur rechtlichen Qualifikation einer im außerstreitigen Unterhaltsverfahren abgegebenen Zustimmungserklärung eines vertretungsbefugten Elternteils zum Unterhaltsenthebungsantrag des anderen Elternteils unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des AußStrG 2005 vorliege und dies auch auf die Frage der Beurteilung des Widerrufs als zulässige Neuerung zutreffe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig, aber nicht berechtigt. Die vom Rekursgericht zur Begründung seiner Rechtsansicht herangezogenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs ergingen vor dem neuen AußStrG.

Der Oberste Gerichtshof hat zum alten AußStrG in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz und den Mangel an Bestimmungen über das Anerkenntnisurteil iSd § 395 ZPO vergleichbaren Regelungen im AußStrG die im Bereich des Streitverfahrens entwickelten Grundsätze über die Anerkennung von Ansprüchen auf das Außerstreitverfahren nicht ohne weiteres übertragen werden können. Es handelt sich nicht um konstitutive Anerkenntnisse, sondern um Zustimmungen zur antragsgemäßen Unterhaltsfestsetzung im Sinne eines prozessualen Anerkenntnisses, das jedenfalls bis zur Beschlussfassung widerrufen werden kann (RIS-Justiz RS0013474 mwN; insb zum Einverständnis zur Unterhaltsherabsetzung auch 2 Ob 84/03x), zu Gunsten eines pflegebefohlenen Kindes aber auch noch im Rechtsmittelverfahren (RIS-Justiz RS0006893 [T8]).

Der Untersuchungsgrundsatz des Außerstreitverfahrens wurde im § 16 AußStrG neu ausdrücklich aufrecht erhalten und nur sprachlich adaptiert. Im Wesentlichen sollten die von der Judikatur dazu entwickelten Grundsätze weiter gelten (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 16 Rz 1; Rechberger, AußStrG, § 16 Rz 1). Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, dass ein Unterhaltsverzicht der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedarf (RIS-Justiz RS0074966; RS0000166; RS0047619).

Das Rekursgericht ist daher berechtigt davon ausgegangen, dass die Umstände zur Beurteilung des Unterhaltsherabsetzungsantrags festzustellen sein werden.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

Ein Kostenersatz kommt nach § 101 Abs 2 AußStrG im Verfahren über Unterhaltsansprüche eines mj Kindes nicht in Betracht.

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