OGH 2Ob84/03x

OGH2Ob84/03x8.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Teresa W*****, geboren am 16. Juni 1994, vertreten durch die Mutter Sigrid W*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Helmut W*****, vertreten durch Dr. Peter Schlösser und Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 12. Februar 2003, GZ 2 R 31/03y-45, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. Jänner 2003, GZ 14 P 232/02b-41, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater beantragte die Herabsetzung des von ihm für die Minderjährige auf Grund gerichtlicher Unterhaltsfestsetzung zu leistenden monatlichen Unterhaltsbetrages.

Die Mutter (als Vertreterin der Minderjährigen) erklärte vor dem Rechtspfleger zu Protokoll, mit der Unterhaltsherabsetzung einverstanden zu sein.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag ab.

Nach Rekurserhebung durch den Vater widerrief die Mutter ihr Einverständnis mit der Unterhaltsherabsetzung.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Abweisung des Herabsetzungsantrages. Infolge Zurückziehung der Zustimmungserklärung sei eine materielle Prüfung vorzunehmen, die ergebe, dass der vom Vater geleistete monatliche Unterhalt seiner Verpflichtung (selbst unter Berücksichtigung der Judikatur zum FLAG) entspreche. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil in 5 Ob 566/93 ausdrücklich der Fall des Widerrufs einer Zustimmung zur Beschlussfassung erst im Rechtsmittelverfahren nicht untersucht worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters; das Rechtsmittel ist unzulässig.

Bereits in 5 Ob 566/93 = EFSlg 73.336 = RIS-Justiz RS0013474 wurde ausgesprochen, dass die für den Bereich des Streitverfahrens entwickelten Grundsätze über das prozessuale Anerkenntnis im Verfahren Außerstreitsachen nicht ohne weiteres Gültigkeit haben. Eine Deutung der Erklärungen der Unterhaltspflichtigen als konstitutives Anerkenntnis komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Bereitschaftserklärungen zur Unterhaltsfestsetzung bloß dem Gericht gegenüber abgegeben worden seien, nicht aber gegenüber dem Gläubiger, der sie überdies noch - sollte ein konstitutives Anerkenntnis zustandekommen - hätte annehmen müssen. Die Erklärungen der Unterhaltspflichtigen, zur Unterhaltsleistung in bestimmter Höhe bereit zu sein, seien daher nichts anderes als die dem Tatsachenbereich zuzuordnende Zustimmung zur antragsgemäßen Unterhaltsfestsetzung. Im Widerrufsfall könne dann die Entscheidung nicht mehr auf das Einverständnis der Parteien gestützt werden; es seien vielmehr die auf Grund des Parteienvorbringens entscheidungswesentlichen Tatsachen als Entscheidungsgrundlage festzustellen.

An dieser Rechtsansicht wurde auch in 4 Ob 1611/95 festgehalten.

Schließlich wurde in 2 Ob 256/97d = EFSlg 85.626 zum Ausdruck gebracht, die Bereitschaft eines Unterhaltspflichtigen, einen begehrten Unterhaltsbetrag zu leisten, sei als "Außerstreitstellung" der für das Erhöhungsbegehren maßgebenden Tatsachen anzusehen.

Auch im vorliegenden Fall hat die Mutter ihr Einverständnis mit der Unterhaltsherabsetzung nur gegenüber dem Gericht erklärt, weshalb entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers von einem konstitutiven Anerkenntnis oder einem gerichtlichen Vergleich keine Rede sein kann. Nach Widerruf des Einverständnisses waren grundsätzlich die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen zu ermitteln.

Was nun die in 5 Ob 566/93 offengelassene Frage der Bedeutung des Widerrufes der Zustimmungserklärung erst im Rechtsmittelverfahren anlangt, so kann auch diese Frage anhand der Judikatur des Obersten Gerichtshofes ohne weiteres beantwortet werden: Sachverhaltsänderungen nach dem erstgerichtlichen Beschluss sind nämlich von der Rechtsmittelinstanz zu berücksichtigen, wenn dies das Interesse des pflegebefohlenen Kindes erfordert; insoweit gilt keinerlei Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0006893). War das Einverständnis der Mutter zur Unterhaltsherabsetzung aber dem Tatsachenbereich zuzuordnen (vgl 5 Ob 566/93; 2 Ob 256/97d), so handelt es sich bei ihrem Widerruf nach Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses um eine nachträgliche Sachverhaltsänderung, auf die das Rekursgericht im Interesse des Kindeswohles zu Recht Bedacht genommen hat.

Da es der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung in Hinblick auf die zitierte Judikatur nicht bedurfte, war der Revisionsrekurs - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Rekursgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte