Spruch:
Franz Z***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Das Landesgericht für Strafsachen Graz verhängte mit Beschluss vom 9. April 2010 (ON 19) über Franz Z***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Flucht-, der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2, 3 lit a und b StPO und setzte diese am 22. April (ON 31), am 25. Mai (ON 67), am 18. Juni (ON 89) und am 1. September 2010 (ON 127) - in den beiden letztgenannten Beschlüssen ohne Annahme des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr - fort.
Das Oberlandesgericht Graz gab Haftbeschwerden dieses Beschuldigten mit Beschlüssen vom 1. Juli (ON 101) und vom 30. September 2010 (ON 151) nicht Folge; dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerden wies der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnissen vom 19. August (ON 129) und vom 16. Dezember 2010 (AZ 13 Os 133/10y), ab.
Mit Beschluss vom 4. November 2010 (ON 164) gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Franz Z***** gegen einen weiteren Fortsetzungsbeschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 18. Oktober 2010 (ON 158), mit welchem auch ein Antrag des Beschuldigten auf Fortsetzung der Untersuchungshaft als Hausarrest gemäß § 173a StPO abgewiesen worden war, nicht Folge und ordnete die Haftfortsetzung aus den Gründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr (§ 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO) an.
Dabei erachtete das Beschwerdegericht Franz Z***** dringend verdächtig, in Salzburg und an anderen Orten
(1) in Abschlüssen der Z***** GmbH als deren Geschäftsführer für die Jahre 2003 bis 2006 Verbindlichkeiten von rund 7,88 Millionen Euro verschwiegen und Umsätze überhöht dargestellt zu haben;
(2) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, teils auch unter Benützung falscher Urkunden oder Beweismittel andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Verschweigung der tatsächlichen finanziellen Situation der Z***** GmbH und durch Vorlage unrichtiger Bilanzen, zu Handlungen verleitet zu haben, welche die Genannten in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, nämlich
a) im Frühjahr 2009 Mitarbeiter des B***** & Co AG durch die Vorgabe, die Bankverbindlichkeiten der Z***** GmbH würden statt 16,7 Millionen Euro nur 8,8 Millionen Euro betragen, zur Gewährung eines Darlehens von 1 Million Euro;
b) am 21. und am 23. Dezember 2004 sowie am 14. Februar 2007 Mitarbeiter der M***** AG zur Gewährung von Darlehen von insgesamt 3,5 Millionen Euro;
c) am 21. Mai 2005 und am 6. Oktober 2008 Mitarbeiter der S***** AG zur Auszahlung von Fremdwährungskrediten von insgesamt 2 Millionen Euro;
d) am 11. September 2006 und am 21. Februar 2007 Mitarbeiter der R***** zur Auszahlung von Abstattungskrediten von insgesamt 500.000 Euro;
e) von 6. August 2002 bis Mai 2006 Mitarbeiter der V***** zur Gewährung von Haftungs- und Kontokorrentkrediten;
f) am 6. August 2007 Mitarbeiter der L***** AG zur Einräumung von Kontokorrent- und Abstattungskrediten von insgesamt 1,4 Millionen Euro, in einem Fall unter Angabe eines weit überhöhten Verkehrswerts einer Liegenschaft, auf der eine Höchstbetragshypothek zur Besicherung eingeräumt wurde;
g) im Juli 2009 Mitarbeiter der A***** GmbH durch die wahrheitswidrige Behauptung bereits geleisteter Vorauskassa zur Lieferung von Waren im Gesamtwert von etwa 7.700 Euro;
(3) als leitender Angestellter (§ 161 Abs 1 StGB) der Z***** GmbH Vermögen dieser Gesellschaft beiseitegeschafft und dadurch die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger mit einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag vereitelt oder geschmälert zu haben, indem er
a) vom 18. Dezember 2009 bis zum 16. März 2010 vom Gesellschaftskonto 535.000 Euro behob oder beheben ließ und diesen Betrag für unternehmensfremde Zwecke verwendete und
b) vom 25. Jänner bis zum 18. Februar 2010 drei Liegenschaften an kurz zuvor gegründete Gesellschaften verkaufte, wobei es mangels grundbücherlicher Durchführung beim Versuch blieb.
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Oberlandesgericht dringenden Verdacht jeweils des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB (2) und der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und 2 und 15 StGB (3) sowie mehrerer Vergehen nach § 122 Abs 1 Z 1 GmbHG (1).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Franz Z***** schlägt fehl.
Die Begründung des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS-Justiz RS0110146).
Der Beschwerde zuwider (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) hat das Oberlandesgericht die Verantwortung des Beschuldigten, er habe bei den inkriminierten Betrugshandlungen zum Nachteil mehrerer Banken (Punkte 2/a bis f) nicht mit Schädigungsvorsatz gehandelt, sehr wohl erörtert, diese aber als ungeeignet erachtet, die qualifizierte Verdachtslage zu entkräften (BS 9 iVm ON 157 S 3). Eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit sämtlichen inhaltsgleichen Aussagepassagen (vgl ON 118 S 7) wird unter dem Aspekt der Vollständigkeit nicht verlangt.
Der in diesem Zusammenhang der Sache nach erhobene Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) des angenommenen Schädigungsvorsatzes trifft ebenfalls nicht zu, weil das Beschwerdegericht gerade in Erwiderung der - diesen in Abrede stellenden - Verantwortung des Beschuldigten auf mehrere Zeugenaussagen und den äußeren Geschehensablauf hinweist (BS 9 f) und die daraus erkennbar gezogene Schlussfolgerung auf die innere Tatseite methodisch nicht zu beanstanden ist (vgl RIS-Justiz RS0098671).
Zum weiteren Vorwurf der Unvollständigkeit im Zusammenhang mit dem Tatverdacht der betrügerischen Krida (Punkt 3) unterlässt die Beschwerde die deutliche und bestimmte Bezeichnung von Verfahrensergebnissen, die im angefochtenen Beschluss „ignoriert“ worden sein sollen (RIS-Justiz RS0118316 [T5]). Im Übrigen stützt das Beschwerdegericht insoweit die Annahme dringenden Tatverdachts mit dem Hinweis, dass zwischenzeitlich keine Entkräftung desselben aufgrund weiterer Beweisergebnisse eingetreten sei (BS 8) - zulässigerweise (vgl RIS-Justiz RS0119301) - auf die Erwägungen in seinem Beschluss vom 30. September 2010 (ON 151), der sich mit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers ausführlich auseinandergesetzt und diese verworfen hat (ON 151 S 19 ff).
Die Annahme der Haftgründe bekämpft der Beschwerdeführer unter dem Aspekt eines von ihm beantragten Vollzugs der Untersuchungshaft als Hausarrest gemäß § 173a StPO. Bei diesem handelt es sich jedoch nach dem klaren Gesetzeswortlaut (§ 173a Abs 1 StPO) - was auch die Gesetzesmaterialien zum Ausdruck bringen (ErläutRV 772 BlgNR 24. GP 1 und 9) - nur um eine Modalität der Untersuchungshaft, nicht etwa um ein diese substituierendes gelinderes Mittel (§ 173 Abs 5 StPO, dessen Nichtanwendbarkeit gerade Voraussetzung einer Anordnung des Hausarrests ist). Entscheidungen, die auf Fortsetzung der Untersuchungshaft in dieser Form gerichtete Anträge abweisen, greifen demnach nicht in das Grundrecht auf persönliche Freiheit ein, sondern betreffen bloß die Umstände des Freiheitsentzugs. Diese sind aber nicht Gegenstand der Grundrechtsbeschwerde (15 Os 165/10v; vgl 14 Os 21/09h) und vom Schutzbereich des Art 5 MRK nicht umfasst (vgl Grabenwarter EMRK4 § 21 Rz 2; Renzikowski IntKomm EMRK Art 5 Rz 47 und 66 ff). So sieht auch § 266 Abs 1 letzter Satz StPO im Fall eines im Urteil ausgesprochenen Ausschlusses dieser Vollzugsform nur (Straf-)Berufung, keine Nichtigkeitsbeschwerde, mithin Ermessens-, keine Rechtskontrolle vor.
Worauf das undifferenzierte Vorbringen, „die Kriterien des § 173 Abs 3 StPO“ seien „nicht erfüllt“, abzielt, macht die Beschwerde nicht deutlich; sie entzieht sich insoweit einer inhaltlichen Erwiderung.
Entgegen der weiteren Grundrechtsbeschwerde sind die strafbaren Handlungen, deren Begehung der Beschwerdeführer dringend verdächtig ist, nicht mit einer Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren, sondern mit einer solchen von einem bis zu zehn Jahren bedroht (§ 147 Abs 3 StGB). Hievon ausgehend ist unter Berücksichtigung der dargestellten massiven Tatvorwürfe die im maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts etwas weniger als siebenmonatige Haftdauer nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache oder der zu erwartenden Strafe (§ 173 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Durch welche Verfahrenshandlungen oder Unterlassungen seit der Inhaftierung des Beschwerdeführers das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 erster SatzStPO) verletzt worden sein soll, wird nicht klar.
Zur - inhaltsgleich bereits in der Grundrechtsbeschwerde vom 25. Oktober 2010 (ON 161) - erhobenen Forderung nach einer öffentlichen Haftverhandlung genügt der Hinweis auf die Ausführungen in der dazu ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16. Dezember 2010, AZ 13 Os 133/10y.
Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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