OGH 13Os129/10k

OGH13Os129/10k16.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jahn als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Eveline F***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 29. Juli 2010, GZ 7 Hv 11/09v-28, sowie über deren Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil sowie der unter einem gefasste Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis verwiesen.

Die Angeklagte wird mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eveline F***** (offenbar gemeint:) jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat sie „als Abgabepflichtige im Amtsbereich des Finanzamtes B***** vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bzw unter Verletzung der Verpflichtung von dem - § 21 des UStG 1994 entsprechenden - Voranmeldungen eine Abgabenverkürzung in der Höhe von insgesamt 100.244 Euro und zwar

1) an Umsatzsteuer

für 2005 24.524 Euro

für 2006 36.472 Euro

für 01-02/2007 3.918 Euro

für 03-05/2007 8.940 Euro

für 06-12/2007 10.297 Euro

für 01-04/2008 4.368 Euro

insgesamt 88.519 Euro

dadurch bewirkt, dass sie Umsätze aus der Prostitution in der Höhe von 122.623 Euro (2005), 182.360 Euro (2006), 30.183 Euro (01-02/2007), 48.789 Euro (03-05/2007), 105.641 Euro (06-12/2007) und 60.366 Euro (01-04/2008) und

2) an Einkommensteuer für 2005 11.725 Euro dadurch bewirkt, dass sie Einnahmen 2005 in der Höhe von 35.686 Euro in den Steuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen wissentlich zu niedrig erklärte und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt“.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der dagegen aus Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass zu deren Nachteil das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begeht, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Lege non distinguente genügt hier hinsichtlich sämtlicher Tatbildmerkmale auf der subjektiven Tatseite der bedingte Vorsatz des Täters (§ 8 Abs 1 letzter Satzteil FinStrG).

Der diesbezügliche Schuldspruch erfasst Verkürzungen an Einkommen- und Umsatzsteuer. Die unmittelbaren (§ 11 erster Fall FinStrG) Tathandlungen bestehen insoweit regelmäßig darin, die vom Gesetz geforderten Abgabenerklärungen (§ 134 Abs 1 BAO) einschließlich allenfalls erforderlicher steuerlicher Unterlagen inhaltlich falsch oder gar nicht vorzulegen.

Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG begeht, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur möglich, sondern für gewiss hält. Auf der subjektiven Tatseite verlangt diese Bestimmung somit die zumindest bedingt vorsätzliche Verletzung der aus § 21 UStG resultierenden Pflichten sowie das Wissen um die dadurch bewirkte Umsatzsteuer-Verkürzung.

Nach § 21 Abs 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen hat. Dabei muss er eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag entrichten.

In Bezug auf Verkürzungen an Umsatzsteuer ist weiters festzuhalten, dass das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG dann, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Umsatzsteuerverkürzungsbetrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG zumindest versucht wird, von Letzterem konsumiert wird (RIS-Justiz RS0086719, jüngst 13 Os 49/10w).

Nach nunmehr ständiger Judikatur (RIS-Justiz RS0118311; eingehend 13 Os 142/08v, JBl 2010, 318) wird - bezogen auf ein Steuersubjekt - mit Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags ein Finanzvergehen (§ 1 Abs 1 FinStrG) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO). Mit Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen mehrere Veranlagungsjahre hindurch werden demnach realkonkurrierende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet, mit Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen zu unterschiedlichen Steuerarten wird für jedes Jahr und jede Abgabenart je ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet.

Solcherart bildet die Jahreserklärung zu einer Steuerart - allenfalls auch als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte - das kleinste nicht mehr teilbare Element des Sachverhalts, also eine selbständige Tat im materiellen Sinn (§ 21 Abs 1 FinStrG; zum Begriff: RIS-Justiz RS0113754; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 517).

Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG hingegen werden durch das dort pönalisierte Verhalten bezogen auf Voranmeldungszeiträume verwirklicht, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums unabhängig von der Höhe der Hinterziehungsbeträge eine selbständige Tat und damit jeweils ein Finanzvergehen verwirklicht wird.

Da die tatrichterlichen Feststellungen nicht erkennen lassen, hinsichtlich welcher Veranlagungszeiträume die Beschwerdeführerin ihrer Erklärungspflicht nicht (vollständig) nachgekommen sei und bezüglich welcher Monate ihr (ausschließlich) Verletzungen des § 21 UStG angelastet werden (US 3 bis 5, vgl insbesonders US 4 letzter Absatz), reichen sie nicht hin, die - im Übrigen auch vom Erstgericht nur pauschal vorgenommene (US 2) - Einordnung unter einen der Tatbestände des § 33 Abs 1 FinStrG oder des § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu ermöglichen.

Hinzu kommt, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG auch die - zwar nicht für die Subsumtion, aber doch für die Sanktionsfindung (12 Os 119/06a [verstärkter Senat], EvBl 2007/130, 700; RIS-Justiz RS0122137, RS0122138; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 712 mwN) - maßgebenden Feststellungen zur Abgrenzung zwischen versuchter und vollendeter Tat vermissen lässt.

Nach § 33 Abs 3 FinStrG ist nämlich die Verkürzung erst dann bewirkt, wenn Abgaben, die - wie hier interessierend - bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden oder infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruchs mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten. Da die angefochtene Entscheidung keine Konstatierungen dazu trifft, ob, gegebenenfalls wann Abgabenerklärungen erstattet und ob aufgrund solcher Erklärungen Abgabenbescheide erlassen worden sind, lässt sich somit nicht beurteilen, ob tatsächlich - wie infolge Nichtannahme des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 13 StGB (iVm § 23 Abs 2 FinStrG) offenbar vom Erstgericht unterstellt (US 9) - sämtliche Taten vollendet wurden.

Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler, die nicht ausschließlich die Sanktionsfrage betreffen, war das bekämpfte Urteil schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben.

Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, die mit ihren Rechtsmitteln auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen war.

Neben den bisherigen Darlegungen wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, dass auch über Weisungen nach § 26 Abs 2 erster Satz FinStrG (nicht im Urteil, sondern) mit Beschluss zu entscheiden ist (§ 494 Abs 1 erster Satz StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG; RIS-Justiz RS0086112).

Inhaltlich muss eine solche - nach dem Gesetz zwingend zu erteilende - Weisung den zu entrichtenden Betrag konkretisieren (RIS-Justiz RS0053185), wobei nur jener Betrag Weisungsgegenstand sein kann, der noch aushaftet (RIS-Justiz RS0086125). Missverständlich ist in diesem Zusammenhang der Rechtssatz RIS-Justiz RS0116853, wonach die Erteilung der Weisung „eine entsprechende Schuldenkonkretisierung durch Haftungsbescheid (§ 224 Abs 1 BAO)“ voraussetze. Ein Bescheid nach § 224 Abs 1 erster Satz BAO ist nämlich - soweit hier von Bedeutung - auf der Basis des § 11 BAO zu erlassen, der seinerseits die rechtskräftige Verurteilung voraussetzt. Demnach ist das Strafurteil die Grundlage für den Haftungsbescheid und nicht dieser für den - in aller Regel gemeinsam mit dem Urteil zu fassenden - Weisungsbeschluss (vgl VwGH 98/16/0411 VwSlg 7355/F; VwGH 99/16/0141 ÖStZB 2000/387, 442). Die Entscheidung 12 Os 54/02, SSt 64/61 drückt auch genau dies aus, indem sie festhält, die „mit Haftungsbescheid (§ 224 Abs 1 BAO) geltend zu machende“ Verbindlichkeit des Angeklagten sei vom Gericht festzustellen, wird also im angeführten Rechtssatz sinnentstellend wiedergegeben.

Sollten im zweiten Rechtsgang Feststellungen dahin getroffen werden, dass Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG durch Nichtabgabe von Steuererklärungen begangen worden sind, wird zur Abgrenzung zwischen vollendeter und versuchter Tat die Entscheidung 13 Os 18/09k, EvBl 2009/152, 1016 zu beachten sein.

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