Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil und demzufolge auch der Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen, Ersterer auch mit seiner Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jovanny G***** S***** mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (1) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 28 (richtig: 27) Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (2) schuldig erkannt.
Danach hat er vom Februar 2009 bis zum 2. März 2010 in Graz vorschriftswidrig Suchtgift
(1) gewerbsmäßig in einer die Grenzmenge (richtig: § 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zumindest 705 Gramm Cannabiskraut mit einem jedenfalls 10%igen THC-Gehalt und 30 Gramm Kokain an andere verkaufte, wobei er schon einmal wegen einer solchen Straftat verurteilt worden ist, sowie
(2) erworben und besessen, indem er Cannabiskraut sowie Kokain kaufte und konsumierte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.
Die Sanktionsrüge (Z 11, der Sache nach Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass die Urteilskonstatierungen den Schuldspruch wegen mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (1) nicht tragen. Das Erstgericht geht zwar insoweit objektiv vom Verkauf einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) an THC (20 Gramm) mehrfach übersteigenden Suchtgiftquantität von rund 70 Gramm reinem THC aus (US 6; die Kokain-Reinsubstanz wird nicht festgestellt), konstatiert diesbezüglich zur subjektiven Tatseite aber nur, der Umstand, dass „die Grenzmenge des § 28b SMG überschritten wurde“, sei vom „zumindest bedingten Vorsatz“ des Beschwerdeführers umfasst gewesen (US 5). Der als Basis für den Schuldspruch, mehrere Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG begangen zu haben, erforderliche Vorsatz, eine zumindest das Zweifache der Grenzmenge übersteigende Quantität anderen zu überlassen, ist diesen Feststellungen nicht zu entnehmen.
Die Möglichkeit, das angefochtene Urteil nur teilweise aufzuheben (§ 289 StPO), nahm der Oberste Gerichtshof aus folgenden Gründen nicht wahr:
§ 28a Abs 1 SMG knüpft das Vorliegen eines Verbrechens des Suchtgifthandels an das Überschreiten der sogenannten Grenzmenge (§ 28b SMG). Demzufolge begeht der Täter, der eine der dort beschriebenen Handlungen in Bezug auf eine ein Vielfaches der Grenzmenge übersteigende Suchtgiftquantität setzt, (bei Vorliegen auch der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen) die diesem Vielfachen entsprechende Anzahl an Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG (RIS-Justiz RS0117462). Dabei ist es gleichgültig, ob die jeweilige Menge mittels einer einzigen Tathandlung oder - soweit die kontinuierliche Begehung und der daran geknüpfte Additionseffekt vom Vorsatz umfasst sind - in mehreren Teilhandlungen erreicht wird (RIS-Justiz RS0112225, RS0123909, RS0124018).
Fallbezogen stellt das Erstgericht den Verkauf von zumindest 705 Gramm Cannabiskraut und 30 Gramm Kokain in zahlreichen, nicht näher konkretisierten und über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr reichenden Angriffen fest (US 4 f). Demnach umfasst der Schuldspruch 1 ein Tatgeschehen, das nach den Urteilskonstatierungen auf der Sachverhaltsebene in keiner Weise trennbar ist. Im Hinblick darauf wird durch die Totalkassation die Möglichkeit eröffnet, dieses Geschehen insgesamt einer erneuten tatrichterlichen Beurteilung zu unterziehen.
Der Schuldspruch 2 erfolgte - ausgehend von den diesbezüglichen Feststellungen (US 5 f) - zu Unrecht nach § 28 SMG (US 2). Wenngleich es sich dabei unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 64), wonach mündlich ein Schuldspruch nach § 27 SMG verkündet worden ist (ON 64 S 13), um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt, war - mit Blick auf die ohnedies erforderliche Aufhebung des Schuldspruchs 1 - aus prozessökonomischen Gründen nicht mit einem Auftrag zur Urteilsangleichung (hiezu Danek, WK-StPO § 270 Rz 56, 57) vorzugehen. Hinzu kommt, dass die gänzliche Kassation des Schuldspruchs 1 auch mit Rücksicht auf die Bestimmungen der §§ 35 und 37 SMG die Aufhebung des Schuldspruchs 2 nach sich zieht (RIS-Justiz RS0119278).
Das Eingehen auf die weiteren Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich damit.
Im zweiten Rechtsgang wird im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs nach § 27 SMG auch zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen des Abs 2 dieser Norm vorliegen.
Sollten die Tatrichter erneut zu einem Schuldspruch nach § 28a SMG gelangen, werden sie - soweit nicht abermals die Tatbegehung zum überwiegenden Zweck der Finanzierung des persönlichen Gebrauchs verneint wird (US 5) - überdies zu berücksichtigen haben, dass die privilegierende Bestimmung des § 28a Abs 3 SMG keine „Sucht im eigentlichen Sinne“ (US 6) voraussetzt (RIS-Justiz RS0124621).
Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs, Ersterer darüber hinaus mit seiner Beschwerde auf die daraus resultierende Kassation des Widerrufsbeschlusses zu verweisen.
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