Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Schuldspruch II zu Grunde liegenden Taten nach § 145 Abs 2 Z 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hermann K***** im zweiten Rechtsgang (zum ersten: 14 Os 130/09p, 14 Os 141/09f) der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall und 15 StGB (I) und der schweren Erpressung nach §§ 144, 145 Abs 2 Z 1 und 15 StGB (II) schuldig erkannt.
Demnach hat er - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - im Oktober 2008 in Jenbach und an anderen Orten gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Genötigten sich unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, welche diesen am Vermögen schädigte bzw schädigen sollte, nämlich jeweils zur Überweisung eines Betrags von 77 Euro,
II)1) verleitet, und zwar Herbert J*****, und
II)2) zu verleiten versucht, und zwar in mehreren Angriffen im Urteilstenor teils namentlich genannte weitere männliche Personen,
indem er sie unter der Vorgabe, als Prokurist für ein im Urteil angeführtes Unternehmen mit der Einhebung offener Gebühren beauftragt zu sein, aufforderte, für die Nutzung einer Sex-Hotline je 77 Euro auf ein von ihm angegebenes Konto zu überweisen, ansonsten die Angelegenheit einem Rechtsanwaltsbüro übergeben und in einer öffentlichen Verhandlung beim Landesgericht Innsbruck verhandelt werden müsse, was zu Unannehmlichkeiten und Peinlichkeiten für den Angeschriebenen führen könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a StPO des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, lediglich gegen den Schuldspruch II gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Die Tatrichter haben sich mit der leugnenden, die Möglichkeit der Tatbegehung durch Dritte betonenden Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt (US 18 letzter Absatz) und eingehend erörtert, weshalb sie dieser nicht zu folgen vermochten (US 18 f). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend waren sie dabei entgegen der Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5 zweiter Fall) behauptenden Mängelrüge weder verpflichtet, sich mit sämtlichen - im Übrigen teils keine entscheidenden Tatsachen betreffenden, teils lediglich spekulative Überlegungen zur Täterschaft eines nicht näher bezeichneten „Salzburgers“ oder der Zeugin Sabine S***** enthaltenden - Aussagedetails auseinanderzusetzen, noch sämtliche Verfahrensergebnisse im Einzelnen zu erörtern oder darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).
Mit dem (auch aus Z 5 vierter Fall erstatten) Vorbringen zum exakten Zeitpunkt der Aufgabe der Briefe wird keine entscheidende Tatsache angesprochen. Im Übrigen sagt die Beschwerde, welche zudem die Möglichkeit der Aufgabe der Briefe durch den Angeklagten selbst einräumt, nicht konkret, warum die Tätigkeit des Angeklagten als Kurierfahrer in München der Aufgabe der in Rede stehenden Briefe bei der Poststelle Innsbruck/Rum und somit der Tatbegehung entgegenstehen sollte.
Mit dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung der Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten (Z 5 vierter Fall) geht die Mängelrüge nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504). Sie ignoriert nämlich die Erwägungen der Tatrichter, die die kritisierten Urteilsannahmen - den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen folgend - auf den auch aus der als glaubwürdig erachteten Aussage der Zeugin Sabine S***** abgeleiteten Umstand, dass über das in den Schreiben angeführte Konto der Angeklagte allein zeichnungsberechtigt gewesen sei, das Aussageverhalten des Angeklagten zum Unternehmen „I*****“, das Vorhandensein eines handschriftlichen Vermerks des Angeklagten auf einer Visitenkarte dieses Unternehmens, die Ähnlichkeit dieser Firma mit der in den inkriminierten Briefen angebebenen und darauf stützten, dass sich für die Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten, jemand habe ihm etwas „anhängen“ wollen, kein Hinweis ergeben habe (US 18 f). Soweit die Beschwerde neuerlich auf die von den Tatrichtern ausdrücklich verworfene Verantwortung des Angeklagten, die vom Erstgericht ebenso ausgeschlossene theoretische Möglichkeit der Tatbegehung durch Dritte sowie auf sein angeblich „unerklärliches“ unterschiedliches Aussageverhalten zu den Schuldsprüchen I und II verweist, und daraus für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zieht als jene des Erstgerichts, überschreitet sie die Grenze zur im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099647). Auch mit der Urteilskritik, das Erstgericht habe nicht nachvollziehbar zu begründen vermocht, weshalb der ähnliche Wortlaut zwischen den im Ersturteil erwähnten Visitenkarten und den an einen großen Personenkreis ergangenen Mahnungen „konkret eine untrügliche Schuld des Angeklagten“ beweise, und dass die Urteilsannahmen, wonach das Ergebnis des Sachbefundes lediglich nachweise, dass die Unterschrift nicht von der Hand des Angeklagten stamme, nicht jedoch auch, dass der Angeklagte für das Kopieren der Unterschrift nicht in Frage komme, nicht als „ausreichende Begründung für eine Verurteilung herangezogen werden“ könne, verkennt, dass eine logisch zwingende Begründung nicht erforderlich ist, Indizienbeweise nach der StPO hingegen durchaus zulässig sind, wenn die aus ihnen gezogenen Schlüsse - wie im vorliegenden Fall - den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht widersprechen (RIS-Justiz RS 0098249 [T2]).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) geht im argumentativen Ansatz fehl, weil sie nicht auf konkrete Beweismittel Bezug nimmt, aus denen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entstehenden Tatsachen abgeleitet werden können, sondern mit eigenen Beweiswerterwägungen die bereits in der Mängelrüge vorgetragene Kritik an der Beweiswürdigung des Erstgerichts wiederholt.
Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die festgestellte Drohung sei objektiv nicht geeignet, die in § 74 Z 5 StGB „statuierte Besorgnis einzuflößen“, entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil sie die behauptete rechtliche Konsequenz mit dem spekulativen Vorbringen, „ein Mann, der eine Rechnung oder Mahnung oder ein Aufforderungsschreiben der inkriminierten Art wegen angeblicher Nutzung einer Sex-Hotline zugestellt erhält, der eine solche nicht genutzt hat“, werde ein „derartiges als schlichten Unsinn oder üblen Scherz abtun und das bezügliche Poststück entsorgen“, wofür auch spreche, dass „- von J***** aus welchen Gründen auch immer abgesehen - kein einziger der zahlreich Angeschriebenen tatsächlich eine Zahlung leistete“, nicht aus dem Gesetz ableitet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Der Vollständigkeit halber ist mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO festzuhalten, dass eine gefährliche Drohung als Mittel der Erpressung voraussetzt, dass eine Verletzung unter anderem an der Ehre angedroht wird, die (objektiv) geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnis einzuflößen. Als Verletzung an der Ehre ist jede Verminderung des Ansehens und der Achtung einer Person in den Augen der für sie maßgeblichen Umwelt zu verstehen. Auch der (hier wahrheitswidrige) Vorwurf der Inanspruchnahme von Diensten sogenannter „Sex-Hotlines“ bringt - wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte - einen solchen Verlust an gesellschaftlicher Wertschätzung mit sich, sodass er eine Drohung mit einer Verletzung der (Geschlechts-)Ehre darstellt (vgl dazu Jerabek, WK² § 74 Rz 31, Kienapfel/Schroll StudB I² § 105 RN 39, Fabrizy, StGB10 § 74 Rz 12c jeweils mwN). Angesichts der festgestellten, mit dem ausdrücklichen Hinweis auf dadurch entstehende Unannehmlichkeiten und Peinlichkeiten verbundenen Ankündigung, diese im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung publik zu machen, steht die Eignung der Drohung, den Erpressten begründete Besorgnis einzuflößen, außer Zweifel.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der zu II für begründet angesehenen gewerbsmäßigen Begehung (§ 145 Abs 2 Z 1 StGB) die für diese rechtliche Unterstellung erforderlichen Feststellungen fehlen (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). In den Entscheidungsgründen findet sich lediglich die Aussage, der Angeklagte habe sich „auf diese Art und Weise“ (gemeint: durch die zu II angeführten [versuchten] Erpressungen) eine „fortlaufende Einnahmequelle erschließen“ wollen (US 17), wohingegen die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung nach § 145 Abs 2 Z 1 StGB zunächst die Absicht voraussetzt, sich durch die wiederkehrende Begehung (hier) von Erpressungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Zudem wurde der für eine (Einzelfall-)Feststellung erforderliche Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „fortlaufend“ zu einem historischen Sachverhalt (siehe dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8) nicht hergestellt. Da den Entscheidungsgründen demnach keine Feststellung zu entnehmen ist, welche die rechtliche Beurteilung erlauben würde, dass sich die auf Erzielung von Einnahmen gerichtete Absicht auf einen Zeitraum von zumindest einigen Wochen bezog (vgl Jerabek in WK² § 70 Rz 7; RIS-Justiz RS0107402), leidet der Schuldspruch II an einem Rechtsfehler iSd § 281 Abs 1 Z 10 StPO, was zur Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der Erpressungen nach § 145 Abs 2 Z 1 StGB führt.
Betreffend den Schuldspruch I bringt die Urteilsannahme, der Angeklagte habe diese Tathandlungen in der Absicht begangen, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Taten (hier von Betrug) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 15), im Zusammenhalt mit dem festgestellten Tatzeitraum von 12. Dezember 2007 bis 13. Februar 2009 und der ebenfalls konstatierten Vielzahl der Angriffe (US 8 bis 14) bei gebotener Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Obersten Gerichtshofs den Willen der Tatrichter, auch das erforderliche zeitliche Element im Sinne der vorstehenden Ausführungen festzustellen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19), hinreichend zum Ausdruck.
Die - die amtswegige Maßnahme nicht erfassende (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)