OGH 4Ob111/10t

OGH4Ob111/10t9.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. b***** AG, *****, vertreten durch Eckert & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 2. a***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 16. März 2010, GZ 30 R 1/10b-20, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 12. November 2009, GZ 2 Cg 185/09w-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Ausspruchs wie folgt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Unterlassung irreführender Ankündigungen wird den beklagten Parteien aufgetragen, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, die von ihnen angebotenen und vertriebenen - nicht von der klagenden Partei stammenden - a*****-Fenster wahrheitswidrig als Spitzenprodukte auf dem österreichischen Markt zu bezeichnen, insbesondere über diese Fenster wahrheitswidrig zu behaupten: „Top-Qualität“; „Ein Produkt von höchster Qualität“; „immer am neuesten Stand der Technik“; „Beste Isolierung und Dichtheit“; „Spitzentechnologie minimiert den Wärmeverlust“; „Optimale Dämmergebnisse“; „Optimale Fenstertechnik“; „Optimale Dichtheit“; „Perfekte Isolierung“ und/oder „Nach den neuesten technischen Forschungsergebnissen entwickelt und gebaut“.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagten Parteien haben ihre Kosten des Sicherungsverfahrens endgültig selbst zu tragen.“

Text

Begründung

Die Streitteile vertreiben Fenster jeweils mit der Bezeichnung „A*****-Fenster“.

Die Klägerin begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, den Beklagten zu verbieten, die von ihnen angebotenen und vertriebenen - nicht von der Klägerin stammenden - „A*****“-Fenster wahrheitswidrig als Spitzenprodukte auf dem österreichischen Markt zu bezeichnen und insbesondere über diese Fenster zu behaupten: „Top-Qualität“; „Ein Produkt von höchster Qualität“; „Immer am neuesten Stand der Technik“; „Beste Isolierung und Dichtheit“; „Spitzentechnologie minimiert den Wärmeverlust“; „Optimale Dämmergebnisse“; „Optimale Fenstertechnik“; „Optimale Dichtheit“; „Perfekte Isolierung“; „Nach den neuesten technischen Forschungsergebnissen entwickelt und gebaut“. Die Fenster der Beklagten würden bestenfalls durchschnittliche Qualität erreichen, ihre Ankündigung sei somit irreführend.

Die Beklagten bestritten die Irreführungseignung. Ihre Angaben seien keine informativen Aussagen, sondern suggestive Werbemittel, die für eine erfolgreiche Werbung unentbehrlich seien. Im Übrigen entsprächen die von den Beklagten angebotenen Fenster tatsächlich überdurchschnittlich hohen und weitgehend auch höchsten Anforderungen.

Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung, mit der es den Beklagten die oben unterstrichenen drei Behauptungen als wahrheitswidrig untersagte. Das Mehrbegehren der Beklagten zu untersagen, die Fenster der Beklagten als Spitzenprodukte auf dem österreichischen Markt zu bezeichnen, insbesondere die weiteren oben angeführten Behauptungen aufzustellen, wies das Erstgericht ab. Der Wärmedämmwert der Fenster der Beklagten bleibe hinter jenem der Fenster der Klägerin zurück. Allerdings habe im Provisorialverfahren nicht bescheinigt werden können, dass die Fenster der Beklagten nicht grundsätzlich hohe Qualität aufwiesen. Die Bezeichnungen „Top-Qualität“ und „ein Produkt von höchster Qualität“ seien unter diesen Voraussetzungen schon deshalb nicht zur Irreführung geeignet, weil auch einem durchschnittlich interessierten Kaufinteressenten bekannt sei, dass Fenster durch eine große Anzahl von Qualitätsmerkmalen beschrieben werden könnten und nicht zu erwarten sei, dass ein Produkt in allen Teilbereichen die höchstmöglichen Qualitätsmerkmale aufweise. Mit „beste Isolierung“ bzw „perfekte Isolierung“ und „optimale Dämmergebnisse“ überschritten die Beklagten jedoch die Grenze zwischen assoziativen Werbemaßnahmen und bewusster Irreführung; insoweit würden Tatsachen behauptet, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es teilte die Einschätzung des Erstgerichts, wonach mit den der Antragsabweisung zugrundeliegenden Äußerungen keine überprüfbaren Tatsachen behauptet, sondern allgemein gehaltene Superlative genannt würden, die auch aus der Sicht des durchschnittlich aufmerksamen, informierten und kritischen Konsumenten weder verifiziert noch falsifiziert werden könnten. Die Äußerungen würden so viele einzelne Parameter umfassen, dass eine Überprüfung durch den Verbraucher gar nicht erwartet werde. Die Beklagten machten mit diesen Formulierungen daher nicht in irreführender Weise eine Alleinstellung geltend.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung zur Gänze zu erlassen. Es lägen - im Zweifel - ernst gemeinte Behauptungen mit sachlich nachprüfbarem Tatsachenkern und keine marktschreierischen Anpreisungen vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur marktschreierischen Superlativwerbung abgewichen ist; er ist deshalb auch berechtigt.

1. Für die marktschreierische Anpreisung ist wesentlich, dass sie sofort von niemandem wörtlich ernst genommen wird. Es muss sich um eine nicht wörtlich zu nehmende, bloß reklamehafte Übertreibung handeln, die jedermann den sogleich erkennbaren Eindruck vermittelt, es handle sich hier nur um eine ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Gültigkeit auftretende Anpreisung; im Zweifel, ob eine marktschreierische Anpreisung oder eine ernst gemeinte Behauptung vorliegt, ist immer das letztere anzunehmen (RIS-Justiz RS0078301; RS0078248; RS0078274). Auch marktschreierische Anpreisungen lassen sich zumeist auf einen sachlich nachprüfbaren Tatsachenkern zurückführen, der von Werbeadressaten ernst genommen wird und daher bei Unrichtigkeit zur Irreführung geeignet ist (RIS-Justiz RS0077872; Herzig in Wiebe/G. Kodek, UWG § 2a Rz 99; Anderl/Appl aaO § 2 Rz 138). Kann eine Werbebehauptung den Eindruck einer Spitzenstellung des Werbenden, zumindest aber die Vorstellung überdurchschnittlicher Qualität seiner Waren oder Leistungen erwecken, dann ist für die Annahme einer rein subjektiven, nur die persönliche Meinung des Werbenden zum Ausdruck bringenden Meinungskundgebung kein Raum mehr (RIS-Justiz RS0078741).

2. Seit der UWG-Novelle 2007 wird vergleichende Werbung - wie auch Werbung mit einer Spitzenstellung - am Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 2 UWG (irreführende Geschäftspraktik in Form einer unrichtigen Angabe über die wesentlichen Merkmale des Produkts) gemessen. Sie ist gemäß § 2a Abs 1 UWG idgF zulässig, wenn sie nicht gegen § 2 UWG idgF verstößt (RIS-Justiz RS0124071). Sowohl nach der Rechtslage vor als auch nach der UWG-Novelle 2007 ist beim Irreführungstatbestand zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (RIS-Justiz RS0123292).

3. Mit der Behauptung, ihre Produkte würden Top-Qualität aufweisen, von höchster Qualität sein, immer am neuesten Stand der Technik, optimale Fenstertechnik und optimale Dichtheit aufweisen, den Wärmeverlust durch Spitzentechnologie minimieren und nach den neuesten technischen Forschungsergebnissen entwickelt und gebaut werden, nehmen die Beklagten eine Spitzenstellung in Anspruch. Betrachtet man nämlich die beanstandeten Werbepublikationen im maßgeblichen Gesamtzusammenhang (vgl 4 Ob 11/09k), so stellt die Werbung der Beklagten wegen der Kumulation der Superlative eine Alleinstellungswerbung dar (vgl Bornkamm in Köhler/Bornkamm, dUWG28 § 5 Rz 2.141), jedenfalls aber eine solche mit der Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe (Bornkamm aaO Rz 2.139). Mögen auch einzelne Aussagen im Zusammenhang mit „Top-Qualität“ oder „Spitzentechnologie“ vom Verkehr nicht wörtlich aufgefasst werden, so erwecken sie doch bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung, dass die angepriesenen Fenster von überdurchschnittlicher, ja sogar erstklassiger Qualität seien. Derartige Eigenschaften wurden jedoch von den - diesbezüglich beweis- bzw bescheinigungspflichtigen (4 Ob 116/07y) - Beklagten nicht bescheinigt. Danach besteht in keinem der aufgezeigten Angebote eine Überlegenheit ihrer Produkte.

Bedient sich aber ein Unternehmen zu Werbezwecken allgemeiner Superlative, so muss es seiner Konkurrenz tatsächlich nachhaltig überlegen sein (vgl RIS-Justiz RS0078443). Davon kann auf Basis der gegebenen Bescheinigungslage jedoch nicht die Rede sein. Wenn die Fenster der Beklagten allgemein (bloß) von guter bzw durchschnittlicher Qualität sind, so bewirkt die gegenständliche Werbung mit der Zugehörigkeit zur „Spitzengruppe“ eine gegen § 2 UWG verstoßende Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise.

4. Bei Unterlassungsansprüchen ist eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen (RIS-Justiz RS0037607). Die Untersagung der wahreitswidrigen Bezeichnung als Spitzenprodukte in Verbindung mit Einzelverboten ist daher nicht zu beanstanden.

Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben und der angefochtene Beschluss im Sinne der gänzlichen Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO.

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