OGH 11Os122/10s

OGH11Os122/10s19.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef T***** wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 20. Juli 2010, GZ 604 Hv 2/10t-49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B (nicht aber in dem diesem zugrunde liegenden Wahrspruch) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Josef T***** zweier Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er - zusammengefasst wiedergegeben - am 22. Jänner 2010 in Wien vorsätzlich versucht, Margarete Tr***** (A) und Gerald Tr***** (B) jeweils durch Versetzen zahlreicher wuchtiger Schläge gegen den Kopf mit einem ca 30 cm langen Holzscheit zu töten.

Die Geschworenen hatten die jeweils auf das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gerichteten Hauptfragen bejaht und demgemäß die nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB und der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 (hinsichtlich Margarete Tr***** auch Abs 2 erster Fall) StGB gestellten Eventualfragen unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch B mit einer auf Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Denn zutreffend moniert die Rüge das Unterbleiben einer Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem Strafaufhebungsgrund des freiwilligen Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB).

Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs 1 erster Fall StGB setzt einen unbeendeten Versuch und die freiwillige Aufgabe der Tatausführung voraus. Unbeendet ist der Versuch, wenn es nach den konkreten Vorstellungen des Täters vom Tatverlauf zur Deliktsvollendung noch weiterer Handlungen des Täters bedurft hätte, wofür seine Vorstellung im Zeitpunkt der Versuchshandlung maßgeblich ist (RIS-Justiz RS0090277 [T6, T7]; 12 Os 90/81). Der Nichtigkeitswerber weist nun zutreffend auf (in der Hauptverhandlung vorgekommene) Verfahrensergebnisse hin, die solcherart das Vorliegen eines einen Versuchsrücktritt (durch freiwilliges Aufgeben der Ausführung) ermöglichenden unbeendeten Versuchs indizieren. Denn sowohl die Angaben im Polizei-Amtsvermerk vom 23. Jänner 2010 zu dem durch die ihm zugefügten Verletzungen offenbar nicht wesentlich beeinträchtigten Zustand und dem Verhalten des Gerald Tr***** kurz nach der Tat (ON 4/S 19 ff, ON 48/S 75) als auch die Expertise der gerichtsmedizinischen Sachverständigen, wonach die Gerald Tr***** zugefügten Verletzungen (im Unterschied zu jenen der Margarete Tr*****) nicht lebensgefährlich waren (ON 33/S 11, ON 48/S 39 f), weisen darauf hin, dass es allenfalls nach der Vorstellung des Angeklagten von vornherein zur Herbeiführung des nach seinem (mangels gegenläufiger Verfahrensergebnisse nicht bloß auf nur einen oder nur wenige zum angestrebten Erfolg führende Schläge gerichteten) Tatplan intendierten Todes noch weiterer Hiebe bedurft hätte. Anhaltspunkte für eine nicht freiwillige Aufgabe der Tatausführung liegen - zumindest nach den bisherigen Beweisergebnissen - nicht vor. Die die Tathandlungen leugnende Verantwortung des Angeklagten spricht dabei nicht grundsätzlich dagegen (vgl 14 Os 48/99). Es wäre daher zur Hauptfrage 4./ eine Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs 1 erster Fall StGB (und in Konsequenz davon Eventualfragen in Richtung § 87 Abs 1 StGB sowie §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB) zu stellen gewesen.

Der Schuldspruch B war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - aufzuheben und es war die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen. Dieses wird im weiteren Verfahren den unberührt gebliebenen Wahrspruch zur Hauptfrage 4./ der Entscheidung zu Grunde zu legen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte