OGH 12Os90/81

OGH12Os90/816.8.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. August 1981 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter George A wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29. April 1981, GZ 20 u Vr 9958/80-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Karl Bernhauser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen und das angefochtene Urteil werden aufgehoben, und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7. April 1937 geborene britische Staatsbürger Peter George A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Die Geschwornen hatten die an sie gerichtete Hauptfrage, ob Peter George A schuldig sei, am 18. Oktober 1980 in Wien Anna B dadurch, daß er ihr mit einem ca ein Kilogramm schweren Betonbrocken ca zehn bis fünfzehn Mal heftig auf den Kopf schlug, wobei sie eine an sich schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit erlitt, nämlich Rißquetschwunden am rechten Jochbein, am Stirnbein, am linken Scheitelbein und im Hinterhauptbereich, einen Bruch des rechten Zeigefingers mit teilweisem Nagelabriß des vierten Fingers der rechten Hand und des fünften Fingers der linken Hand, vorsätzlich zu täten versucht zu haben, stimmeneinhellig bejaht. Die an sie nach dem Verbrechen des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB, dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 Abs 1 StGB und dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB gerichteten Eventualfragen 1 bis 3, die nicht in die Urteilsausfertigung aufgenommen wurden, ließen sie folgerichtig unbeantwortet.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung nach dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erblickt er darin, daß den Geschwornen keine Eventualfrage (gemeint: Zusatzfrage) nach dem Vorliegen strafaufhebenden Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB gestellt wurde. Wenn man davon ausgehe, daß der Angeklagte die Absicht hatte, mit dem Stein so lange auf Anna B einzuschlagen, bis diese tot ist, wäre sein Versuch als unbeendet anzusehen, vom dem er freiwillig, obwohl es ihm möglich war, die Tat zu vollenden, zurückgetreten sei. Richtigerweise hätte daher, da es sich um einen qualifizierten Versuch handle, nach Meinung des Beschwerdeführers nur absichtliche schwere Körperverletzung angenommen werden können.

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt vor.

Der freiwillige Rücktritt vom Versuch ist - anders als nach § 8 StGB - Gegenstand einer Zusatzfrage im Sinne des § 313 StPO (SSt 46/42). Voraussetzung einer derartigen Fragestellung ist, daß in der Hauptverhandlung, sei es durch die Verantwortung des Angeklagten, sei es durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens, Tatsachen vorgebracht wurden bzw hervorgekommen sind, die eine Grundlage für die Annahme des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch bieten. Allerdings hat der Gerichtshof die rechtliche Bedeutung der vorgebrachten Tatsachen in der Richtung zu prüfen, ob sie - ihre Wahrheit vorausgesetzt - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben (vgl Mayerhofer-Rieder, Das österreichische Strafrecht2, 27 zu § 313 StPO). Der Versuch ist unbeendet, wenn es nach den konkreten Vorstellungen des Täters vom Tatverlauf bis zur Deliktsvollendung (entsprechend dem Tatplan) noch weiterer Handlungen bedarf. Ein beendeter Versuch liegt demgegenüber vor, sobald der Täter nach diesem Tatplan alles unternommen hat, was (seiner Auffassung nach) zur Deliktsvollendung gehört, also zur gänzlichen Verwirklichung des Tatbestandes notwendig ist. Mißlungen (fehlgeschlagen) ist der Versuch, wenn der Täter alle Voraussetzungen für den Erfolgseintritt schuf, dieser Erfolg aber nicht eintrat, und nach der konkreten Täterhandlung auch nicht mehr eintreten konnte. Bei einem unbeendeter Versuch wird - sofern nicht mehrere Personen an der Tat beteiligt waren - der Täter nur dann straflos, wenn er die weitere Ausführung freiwillig aufgibt. Bei beendetem Versuch hingegen muß er den Erfolgseintritt durch eine eigene gezielte Tätigkeit freiwillig abwenden, um Straffreiheit zu erlangen (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 6 bis 9 zu § 16, RZ 1980/66 ua).

Im vorliegenden Fall wurden in der Hauptverhandlung keine Tatsachen vorgebracht, die für eine Erfolgsabwendung durch den Täter (als Voraussetzung der Straffreiheit bei einem beendeten Versuch) sprechen.

Es ist somit entscheidend, ob nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung beendeter oder unbeendeter Versuch indiziert ist. Nach der Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren wollte er Anna B durch gegen ihren Kopf geführte Schläge mit einem Stein täten. Als sein Opfer zu schreien begann, und er das blutübersträmte Gesicht seiner Freundin sah, ließ er jedoch von ihr ab und gab ihr den Weg frei (S 46). Diese in der Hauptverhandlung verlesene Aussage des Angeklagten (S 212, 231), bildet ebenso wie die Aussage der Zeugin Anna B, 'A hat mindestens zehn bis fünfzehn Mal auf mich eingeschlagen. Ich habe gebrüllt und wußte, jetzt geht es um mein Leben ..

Er hat von mir losgelassen und stand auf, ich stand auch auf, wir starrten uns gegenseitig an, ich ging zur Wohnungstür, er ging mit, dabei starrten wir uns andauernd an.

Zuerst verstellte er mir die Türe und machte dann aber die Kette auf .....' (S 219, 220) ein Indiz dafür, daß der Versuch noch nicht beendet war, weil der Täter ja seinen Plan, durch Schläge (nicht etwa nur durch einen Schlag) mit einem Stein die Zeugin zu täten, noch nicht vollendet hatte, und daß er freiwillig von der Vollendung Abstand genommen hat. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Verantwortung des Angeklagten, der in der Hauptverhandlung von seiner Darstellung der Tat im Vorverfahren abgerückt ist und überhaupt den Tötungsvorsatz bestritt (S 198, 202, 211) und der Bedeutung der Aussage der Zeugin Anna B obliegt aber den Geschwornen, denen der Schwurgerichpshof durch Stellung einer geeigneten Zusatzfrage die Möglichkeit geben muß, auch zu diesem Vorbringen Stellung zu nehmen und es in seiner Bedeutung zu würdigen. Durch die Beweisergebnisse war somit die Stellung einer Zusatzfrage nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB indiziert.

Durch die Unterlassung der Stellung der erwähnten Zusatzfrage wurde

somit der Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO verwirklicht.

Es war daaer der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, der Wahrspruch der Geschwornen und das angefochtene Urteil aufzuheben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückzuverweisen, ohne daß es eines Eingehens auf den weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO bedarf.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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