European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:E94797
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Die Beklagte als Bauträger ließ auf einer Liegenschaft in V* eine Wohnungseigentumsanlage errichten, die im Jahr 1999 fertiggestellt wurde. In diesem Jahr war mehr als die Hälfte der Wohnungen von der Beklagten an Interessenten verkauft. Zu TZ 11295/1999 erfolgte die Wohnungseigentumsbegründung an allen Wohnungseigentumsobjekten (offenes Grundbuch). Nachdem Johan S* eine andere Wohnung in der Anlage verkauft hatte, erwarb er gemeinsam mit seiner Gattin (in Hinkunft: die Käufer) unter gleichzeitiger Begründung einer Eigentümerpartnerschaft mit Kaufvertrag vom 18./19./20. 9. 2006 (nach dessen Inhalt die Käufer „schon in den tatsächlichen Besitz des Kaufgegenstandes eingewiesen worden“ waren) Miteigentumsanteile an der Liegenschaft verbunden mit dem Wohnungseigentum an einer anderen Wohnung. Bei der Wohnungseigentumsanlage bestehen ‑ unter Berücksichtigung des Stands der Technik im Zeitpunkt der Errichtung ‑ seit ihrer Errichtung zahlreiche Mängel an allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Von diesen Mängeln wussten die Käufer weder bei Abschluss des Kaufvertrags vom September 2006 noch bei der Übernahme der Wohnung. Sie erfuhren davon erst kurz vor der Eigentümerversammlung vom 18. 4. 2007, in der sie der Klägerin anboten, ihre Gewährleistungsansprüche gegenüber der Beklagten abzutreten. Der Antrag, diese Abtretung anzunehmen und die Kanzlei der Klagsvertreter mit der Prozessführung zu beauftragen, wurde durch Mehrheitsbeschluss angenommen.
Mit der am 4. 4. 2008 eingelangten Klage begehrte die Klägerin unter Hinweis auf die Abtretung der Gewährleistungsansprüche der Käufer, wegen der im Einzelnen aufgezählten Mängel die Beklagte zur Verbesserung zu verpflichten.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagtenwendeten unter anderem ein, allfällige Gewährleistungsansprüche seien verjährt, weil 1999 bereits mehr als die Hälfte der Wohnungen von der Beklagten verkauft worden wären.
Das Erstgericht gab der Klage (überwiegend) statt (die Abweisung eines geringfügigen Mehrbegehrens blieb unbekämpft).
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe einer Berichtigung im Spruch nach § 419 Abs 3 ZPO. Beide Vorinstanzen verneinten eine Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Käufer.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen der Beklagten und ihrer Nebenintervenientinsind ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts aus folgenden Gründen nicht zulässig:
1. Dass eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu einem gleichartigen (oder hinreichend ähnlichen) Fall fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0102181); jedenfalls dann nicht, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656), wovon hier auszugehen ist.
2.1. Den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet allein die Frage, wann die Frist zur Geltendmachung der von den Käufern abgetretenen Gewährleistungsansprüche zu laufen begonnen hat, weil beide Revisionswerber nur mehr den Verjährungseinwand aufrecht erhalten haben.
Die Beklagte spricht zwar auch einen zwischen den Käufern und ihr vereinbarten Gewährleistungsausschluss an, führt aber die Revision in diesem Zusammenhang nicht gesetzmäßig aus, weil sie den festgestellten Sachverhalt übergeht, dass den Käufern ‑ ungeachtet der Textierung des Kaufvertrags ‑ die Mängel an den allgemeinen Teilen erst knapp vor dem 18. 4. 2007 zur Kenntnis gelangt sind. Daher kommt es auch nicht auf ein Bewohnen der Anlage durch die Käufer in einer anderen Wohnung seit 1997 an.
2.2. Die Klägerin macht abgetretene Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag vom September 2006 geltend, durch dessen Verbücherung die Käufer als Eigentümerpartnerschaft Miteigentümer der Liegenschaft wurden und ein dingliches Nutzungs- und Verfügungsrecht an bestimmten Räumlichkeiten erhielten (vgl § 2 Abs 1 WEG 2002). Dieser Kaufvertrag erfasste als Kaufgegenstand daher auch die allgemeinen Teile der Liegenschaft. Die Gewährleistungspflicht der Beklagten für die von den Vorinstanzen angenommenen Mängel, die ‑ entgegen den insoweit neuerlich nicht gesetzmäßigen Ausführungen in der Revision der Beklagten ‑ nicht Folge des Alters der Wohnungseigentumsanlage, sondern Folge von Fehlern bei der Herstellung des Bauwerks nach dem damaligen Stand der Technik ist, ist (ausgenommen die Frage der Verjährung) gar nicht strittig.
2.3. Den Beginn der Frist zur Geltendmachung des Rechts auf die Gewährleistung legt § 933 Abs 1 Satz 2 ABGB mit der „Ablieferung der Sache“ fest, ihre Dauer Satz 1 leg cit für unbewegliche Sache mit drei Jahren. Für den Beginn dieser dreijährigen Verjährungsfrist ist nach einhelliger Ansicht bei Liegenschaften nicht der Zeitpunkt der bücherlichen Umschreibung, sondern jener der körperlichen Übergabe maßgebend (SZ 43/152; RIS-Justiz RS0018977; RS0018408; P. Bydlinski in KBB² § 933 ABGB Rz 10; Reischauer in Rummel³ § 933 ABGB Rz 3; Ofner in Schwimann³ § 933 ABGB Rz 9; Kolmasch in Schwimann, ABGB-TaKomm § 933 ABGB Rz 8), die hier mit September 2006 anzunehmen ist.
Da die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers ident bleiben, die Abtretung die Forderung also nicht verändert (§ 1394 ABGB), die Zulässigkeit der Zession von die Liegenschaften betreffenden Gewährleistungsansprüchen vom Wohnungseigentümer an die Eigentümergemeinschaft gar nicht strittig ist und die gerichtliche Geltendmachung des Verbesserungsanspruchs am 4. 4. 2008 die Dreijahresfrist jedenfalls wahrte, erweist sich der Verjährungseinwand der Revisionswerber nach der eindeutigen Gesetzeslage als verfehlt.
2.3. Der ‑ von den Revisionen übernommenen ‑ Ansicht von Call (in: Wie lange sind Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüche aus Mängeln an allgemeinen Teilen der Liegenschaft bei sukzessiver Begründung von Wohnungseigentum gerichtlich durchsetzbar?, wobl 2006, 69 ff), der Verjährungsbeginn sei mit dem Zeitpunkt anzusetzen, zu dem der/die Wohnungseigentumsorganisator/en sukzessives, neues Wohnungseigentum mit so vielen Wohnungseigentumsbewerbern/Wohnungseigentümern begründet hat/haben, dass die einfache Anteilsmehrheit sämtlicher Mindestanteile der Liegenschaft erreicht wird, vermag sich der erkennende Senat schon mangels ausreichender Grundlage in der oben dargestellten, eindeutigen gesetzlichen Regelung zum Beginn der gesetzlichen Gewährleistungsfrist nicht anzuschließen. Sie wird auch von Dirnbacher (in WEG idF der WRN 2006, 184) ebenfalls unter Hinweis auf die klare gegenteilige Rechtslage abgelehnt. Ebenso gesteht Prader (in WEG 2002² § 18 Anm 3) auch dem „letzten Erwerber“ die Geltendmachung des Verbesserungsanspruchs zu.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum auf das Erreichen der Anteilsmehrheit durch von der Beklagten verschiedene Wohnungseigentümer abgestellt werden soll. Die damit wohl angesprochene Möglichkeit einer Beschlussfassung der Mehrheit der Wohnungseigentümer zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen gegen die Beklagte (als Vertragspartner aller anderen Wohnungseigentümer) gegen deren Willen übersieht die Regelung des § 24 Abs 3 WEG 2002. Danach steht einem Wohnungseigentümer kein Stimmrecht zu, wenn Gegenstand der Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft, Rechtsverhältnis oder Rechtsstreit mit ihm oder einer ihm nahestehenden Person ist. Daher könnte bereits dann, wenn nur eine von der Beklagten verschiedene Person weiterer Wohnungseigentümer ist, gegen die Beklagte „Beschluss gefasst“ und vorgegangen werden. Das liefe aber auf einen Verjährungsbeginn bereits bei Übergabe des Wohnungseigentumsobjekts an den ersten vom Beklagten verschiedenen Wohnungseigentümer hinaus, welche Lösung selbst Call als unhaltbar ansieht (aaO [72]).
Die abzulehnende Konsequenz der Annahme einer Verjährung des Gewährleistungsanspruchs der Käufer im vorliegenden Fall wegen Fristbeginn bereits 1999 wäre im Ergebnis ein Ausschluss der Gewährleistung für den von ihnen 2006 geschlossenen Kaufvertrag trotz fehlender Kenntnis von den Mängeln, obwohl ein Verbrauchergeschäft vorliegt und § 9 KSchG genau das verpönt. Auch deshalb kommt ein Abstellen auf einen anderen als den Zeitpunkt der Ablieferung an die Käufer hier nicht in Frage.
3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
4. Mangels Hinweises auf die Unzulässigkeit der Revisionen hat die Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (§§ 41, 50 ZPO; RIS‑Justiz RS0035962).
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