OGH 4Ob123/10g

OGH4Ob123/10g13.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband *****, vertreten durch Prunbauer Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Harisch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 31. Mai 2010, GZ 2 R 92/10m-10, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§ 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Nach § 7 Abs 1 Z 2 der Salzburger Öffnungszeitenverordnung 2008 (idF: sbg ÖZ-VO 2008) dürfen während der Wintersaison „Verkaufsstellen für Reiseandenken, Reiseproviant, Foto- und Toiletteartikel“ in bestimmten Wintersportorten an Sonn- und Feiertagen bis zu vier Stunden offen gehalten werden. Grundlage für diese Regelung ist § 5 Abs 1 iVm Abs 2 Öffnungszeitengesetz 2003 (idF: ÖZG 2003):

(1) An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr dürfen die Verkaufsstellen nur für Verkaufstätigkeiten offen gehalten werden, für die durch Verordnungen gemäß Abs. 2 bis 4 bestimmte Offenhaltezeiten festgelegt wurden.

Ein Beamter des Amtes der Salzburger Landesregierung hatte der Beklagten zunächst mitgeteilt, dass die nach § 7 Abs 1 Z 2 sbg ÖZ-VO 2008 geöffneten Verkaufsstellen nicht auf das in dieser Bestimmung genannte Sortiment beschränkt seien; es genüge, dass diese Warengruppen „überwiegen“ würden. In einem weiteren Schreiben führte er jedoch zur „Klarstellung“ aus, dass § 7 Abs 1 Z 2 sbg ÖZ-VO 2008 keine Umgehung des Verbots von Verkaufstätigkeiten an Sonn- und Feiertagen ermögliche. Es bestehe kein Zweifel, dass nur die in dieser Bestimmung genannten Waren verkauft werden dürften. Trotz dieser Mitteilung verkaufte die Beklagte an Sonn- und Feiertagen auch andere Waren.

Das Rekursgericht wertete die diesem Verhalten zugrunde liegende Rechtsansicht als unvertretbar und untersagte der Beklagten nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG,

In ihrer Zulassungsbeschwerde macht die Beklagte unter anderem geltend, dass das Rekursgericht die Vertretbarkeit ihrer Rechtsauffassung unrichtig beurteilt habe. Maßgebend sei der Wortlaut der Bestimmung, der auch die dem Verhalten der Beklagten zugrundeliegende Auslegung decke; die zuletzt geäußerte Rechtsmeinung des Beamten sei unerheblich. Zudem habe er zuvor ohnehin die Auffassung der Beklagten vertreten, was ebenfalls für deren Vertretbarkeit spreche.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht sind nach ständiger Rechtsprechung der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (4 Ob 225/07b - Wiener Stadtrundfahrten; zuletzt etwa mwN 4 Ob 40/09z = ÖBl-LS 2009/239 [Mildner] = ecolex 2009, 881 [Tonninger] - Lademulden). Formloses Dulden durch Verwaltungsbehörden führt nicht dazu, dass ein sonst eindeutiger Gesetzesverstoß mit guten Gründen vertretbar würde (4 Ob 225/07b - Wiener Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123433). Die auf das Kriterium der Vertretbarkeit abstellende Rechtsprechung deckt nicht den Versuch, einen offenkundigen Gesetzesverstoß nachträglich mit spitzfindigen Argumenten zu rechtfertigen (4 Ob 29/07d = SZ 2007/61 - Granulat; RIS-Justiz RS0077931 [T13]).

2. § 5 Abs 2 ÖZG 2003 ermöglicht Ausnahmen für Verkaufstätigkeiten, nach denen ein besonderer regionaler Bedarf besteht, nicht aber für Verkaufsstellen, die - unter anderem - einen solchen Bedarf befriedigen. Daraus ergibt sich zwingend, dass auch die auf dieser Grundlage ergehenden Verordnungen bestimmte Verkaufstätigkeiten erfassen müssen und nicht generell das Offenhalten von Verkaufsstellen gestatten dürfen, wenn und weil diese auch Waren des - in der jeweiligen VO konkretisierten - regionalen Bedarfs anbieten. Aus diesem Grund muss § 7 Abs 1 Z 2 sbg ÖZ-VO 2008 dahin verstanden werden, dass die darin genannten Verkaufsstellen nur die von der Ausnahme erfassten Waren verkaufen dürfen; jede andere Auslegung wäre spitzfindig und führte zu einem der Verordnungsermächtigung und damit dem objektiven Zweck der Verordnung widersprechenden Ergebnis.

3. Es kann dahinstehen, ob die erste Mitteilung des Beamten der Landesregierung ungeachtet dieser eindeutigen Rechtslage zur Vertretbarkeit der Rechtsansicht der Beklagten führen konnte. Denn jedenfalls nach der „Klarstellung“ im zweiten Schreiben konnte sich die Beklagte nicht mehr auf eine Rechtsansicht berufen, die mit dem Wortlaut und vor allem dem Zweck der Norm unvereinbar ist (4 Ob 225/09f). Die im Verbot genannten Waren fallen keinesfalls unter das nach § 7 Abs 1 Z 2 sbg ÖZ-VO 2008 zulässige Sortiment, sodass es auf die im Revisionsrekurs thematisierte Auslegung des Begriffs „Reiseproviant“ nicht ankommt.

4. Soweit die Beklagte einen Verstoß gegen § 405 ZPO rügt, übersieht sie, dass das Verbot nur für den Verkauf „außerhalb der zulässigen Öffnungszeiten“ gilt. Es erfasst daher nicht Verkaufstätigkeiten, die durch andere Ausnahmeregelungen der sbg ÖZ-VO 2008 gedeckt sind.

Stichworte