Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Andreas B***** erhob in dem gegen ihn von der Staatsanwaltschaft Korneuburg (zu AZ 24 St 14/08a) wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach „§ 207b StGB“ sowie des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 (erster und zweiter Fall) SMG sowie § 27 Abs 4 Z 1 SMG geführten Ermittlungsverfahren mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2008 (ON 3) Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 Z 1 und 2 StPO. Dazu beantragte er, soweit hier von Bedeutung - gestützt auf ein entsprechendes Vorbringen (ON 3 S 13 f = TZ 47 bis 49) - „festzustellen, dass die Kriminalpolizei durch die folgenden Verhaltensweisen den Beschuldigten in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Strafverfahren (Art 6 MRK) verletzt hat:
...
bb./ Erweckung des Eindrucks beim Zeugen Patrick T*****, er erhielte bei belastenden Aussagen gegen den Beschuldigten ein Handy.
cc./ Ausübung erheblichen Drucks auf die Zeugen Dominik P***** und Patrick T***** dadurch, dass diese vor ihrer Einvernahme (als angebliche Opfer des Beschuldigten) selbst durch die Beschuldigung des Drogenkonsums eingeschüchtert und einem Urintest unterzogen wurden und bei ihnen, nachdem der Test bei P***** positiv ausgefallen war, der Eindruck erweckt wurde, die Kriminalbeamten seien allenfalls gewillt, von der diesbezüglichen Strafverfolgung abzusehen“ (ON 3 S 15).
Am 13. Jänner (richtig:) 2009 stellte die Staatsanwaltschaft Korneuburg das Verfahren gegen Andreas B***** „wegen § 207b StGB“ (gemäß § 190 Z 1 StPO) ein (ON 1 S 5) und trat das Verfahren wegen § 27 Abs 1 Z 1 (erster und zweiter Fall) SMG am 18. Februar 2009 an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Schwechat ab (ON 1 S 7). Wegen des Verdachts des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 4 Z 1 SMG brachte sie am 24. Februar 2009 gegen Andreas B***** beim Landesgericht Korneuburg einen Strafantrag ein (ON 7).
Mit Beschluss vom 6. März 2009 (ON 13) erklärte das Landesgericht Korneuburg (infolge der zuvor genannten Einstellung des Verfahrens gegen Andreas B***** „wegen § 207b StGB“) den zuvor bezeichneten Einspruch des Beschuldigten wegen Rechtsverletzung - zur Gänze - als gegenstandslos.
Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 24. Juli 2009, AZ 17 Bs 156/09d (ON 14 des HR-Aktes) - soweit hier von Interesse - nicht Folge. Dazu führte es aus, dass der Beschuldigte mit den Vorwürfen, es sei von der Kriminalpolizei gegen die Zeugen P***** und T***** rechtswidrig Druck ausgeübt worden, bloß „die Verletzung von Rechten der Zeugen, nicht aber die Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers selbst geltend gemacht“ habe (BS 10 f).
Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht richtet sich, gestützt auf die Behauptung einer Verletzung in den Grundrechten auf ein faires Strafverfahren nach Art 6 MRK, auf „sexuelle Selbstbestimmung“ nach Art 8 MRK und auf eine wirksame Beschwerde nach Art 13 MRK der Antrag des Beschuldigten Andreas B***** auf Erneuerung des Verfahrens nach § 363a StPO per analogiam (RIS-Justiz RS0122228). Dazu wird vorgebracht, dass der Einspruchswerber entgegen der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts sehr wohl die Verletzung eigener subjektiver Rechte geltend gemacht, nämlich vorgebracht habe, dass die rechtswidrige Ausübung von Druck gegen die Zeugen erfolgt sei, „um belastende Aussagen gegen den Beschuldigten zu erwirken“.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag ist offenbar unbegründet.
Für einen - wie hier vorliegenden - nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich solcherart um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten demgemäß alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß. Damit ist (auch) die Ausschöpfung des Instanzenzugs (Art 35 Abs 1 MRK) ein Zulässigkeitskriterium für den in Rede stehenden Erneuerungsantrag. Diesem Erfordernis wird indes nur dann entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und (horizontale Erschöpfung) die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (RIS-Justiz RS0122736 [T2 und T13]; Grabenwarter, EMRK4 § 13 Rz 23 und 31).
Diesen Erfordernissen genügt der vorliegende Erneuerungsantrag nicht:
Nach § 106 Abs 3 zweiter Satz StPO ist im Einspruch wegen Rechtsverletzung anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welcher Weise ihm stattzugeben sei. Im Einspruch ist daher die Verletzung in einem subjektiven Recht darzulegen und solcherart die Behauptung, in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, zu begründen (EBRV zum Strafprozessreformgesetz [BGBl I 2004/19] 25 BlgNR 22. GP 143; Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 438; Fabrizy StPO10 § 106 Rz 7). Die (erst) im Erneuerungsantrag vorgebrachte rechtswidrige Ausübung von Druck auf die beiden Zeugen, „um belastende Aussagen gegen ihn als Beschuldigten zu erwirken“, wurde - dem Standpunkt des Erneuerungswerbers, auch in seiner Änderung zur Stellungnahme der Generalprokuratur, zuwider - im Einspruch wegen Rechtsverletzung zu Punkt cc./ des Vorbringens (ON 3 S 15) gar nicht und hinsichtlich Punkt bb./ (ON 3 S 15) bloß spekulativ (und somit dem erwähnten Begründungserfordernis ebenso nicht entsprechend) behauptet. Mangels eines den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften entsprechenden Vorbringens im Instanzenzug ist daher eine horizontale Rechtswegerschöpfung nicht eingetreten.
Im Übrigen hat - da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter aaO § 13 Rz 13) - auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (15 Os 168/09h = RIS-Justiz RS0122737 [T17]).
Auch diesem Erfordernis entspricht der vorliegende Erneuerungsantrag nicht. Weshalb nämlich die bloß behauptete auf die Erwirkung belastender Aussagen gegen den Beschuldigten gerichtete Ausübung rechtswidrigen Drucks auf Zeugen per se - ohne dass (was im Antrag nicht geltend gemacht wurde) derartige Beweisergebnisse tatsächlich herbeigeführt oder im Strafverfahren verwertet worden wären (vgl zur Relevanz der Verwertung rechtswidrig erlangter Beweise - selbst im Fall einer Verletzung des „nemo tenetur“-Grundsatzes - für die auf das gesamte Strafverfahren bezogene Fairnessprüfung: EGMR 12. Juli 1988, Schenk gegen die Schweiz, ÖJZ 1989/1 [MRK]; 12. Mai 2000, Khan gegen das Vereinigte Königreich, ÖJZ 2001/21 [MRK[; 5. November 2002, Allan gegen das Vereinigte Königreich, ÖJZ 2004/7 [MRK]; 11. Juli 2006, Jalloh gegen Deutschland, EuGRZ 2007, 150 ff; 30. Juni 2008, Gäfgen gegen Deutschland, EuGRZ 2008, 466 ff aber auch Große Kammer, 1. Juni 2010, Nr 22978/05, Z 187; Gaede, Fairness als Teilhabe - Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art 6 EMRK [2007], 322; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar³ Art 6 Rz 134; Grabenwarter aaO § 24 Rz 63) - bereits eine Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 MRK (im Sinn einer - etwa im Fall der Ausübung behördlichen Zwangs zur Herausgabe selbstbelastender Beweismittel durch die weigerungsbedingte Sanktionsverhängung vermittelten [vgl EGMR 25. Februar 1993, Funke gegen Frankreich, ÖJZ 1993/33 {MRK}] - effektiven Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Grundrechtsträgers [vgl auch EBRV 25 BlgNR 22. GP 141 zu § 106 StPO: „… Handlung …, durch welche sich der Einspruchswerber unmittelbar in einem subjektiven Recht verletzt erachtet“]) bewirken soll, erklärt der Erneuerungswerber nicht.
Der somit unbegründete Erneuerungsantrag war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung schon bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).
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